# taz.de -- Lehrerverbandschef über Maskenpflicht: „Der Durchseuchung bloß zuschauen?“
       
       > Der Deutsche Lehrerverband wehrt sich gegen die Aufhebung der
       > Maskenpflicht in den Schulen. Präsident Heinz-Peter Meidinger erklärt,
       > warum.
       
 (IMG) Bild: Von den älteren Schüler*innen sind schon viele geimpft: 11. Klasse einer Schule in München
       
       taz: Herr Meidinger, es geht ein Aufatmen durch Deutschlands Schulen. In
       vielen Bundesländern wird die [1][Maskenpflicht für Schüler am Platz
       gelockert.] Sie wettern dagegen. Warum? 
       
       Heinz-Peter Meidinger: Zur Wahrheit gehört natürlich, dass da nicht nur ein
       Aufatmen, sondern auch eine große Sorge durch Deutschlands Schulen geht.
       Die Ansicht, dass dieser Schritt zu früh kommt, haben wir Lehrkräfte ja
       auch nicht exklusiv, sondern sie wird von der Bundesschülervertretung und
       Teilen des Bundeselternrats geteilt.
       
       Die übergroße Mehrheit der Schüler ist noch nicht geimpft. Das
       unterscheidet die Schulen von anderen gesellschaftlichen Bereichen. Die
       vierte Welle läuft noch, und alle Prognosen sagen, sie wird [2][im Herbst
       an Fahrt gewinnen]. Sollen wir einfach der Durchseuchung zuschauen?
       
       Es gibt ja an Schulen nur wenige Maßnahmen, die mehr Gesundheitsschutz
       bringen. Abstand wahren geht bei vollem Präsenzunterricht in der Regel
       nicht. Testungen gibt es, aber immer mit zeitlichem Abstand. Und die
       wenigsten Klassenzimmer haben Raumluftfilteranlagen. Also bleibt nur noch
       die Maskenpflicht. Jetzt auf sie zu verzichten halten wir deshalb für
       problematisch – noch dazu ausgerechnet vor den Herbstferien, wo wir wissen,
       dass danach die Reiserückkehrer das Virus wieder verstärkt in die
       Klassenzimmer tragen werden.
       
       Viele Lehrer klagen selbst über die Masken, die sie im Unterricht
       behindern. Sprechen Sie mit Ihrer Haltung tatsächlich für die Lehrerschaft? 
       
       Natürlich gibt es in der Lehrerschaft geteilte Meinungen – wie in allen
       Gruppen der Gesellschaft. Der Vorsitzende eines Lehrerverbands kann nicht
       gegen die eigene Mitgliedschaft arbeiten. Sie können sicher sein, dass die
       Mehrheit der Lehrerschaft diese Position unterstützt. Nicht von ungefähr
       unterscheiden sich alle großen Lehrergewerkschaften genau in diesem Punkt
       kaum.
       
       Sie sagen, die Aufhebung der Maskenpflicht komme zu früh. Wann sähen Sie
       den richtigen Zeitpunkt gekommen? 
       
       Spätestens, wenn alle Schüler ein Impfangebot hatten. An den
       weiterführenden Schulen wird das nicht mehr so lange dauern, da die
       allgemeine Impfempfehlung da ist und die Impfquote schnell steigt. Nach
       Schätzungen des Robert-Koch-Instituts haben bereits die Hälfte der Schüler
       über zwölf Jahre zumindest die Erstimpfung erhalten. Bei den Grund- und
       Förderschulen wird es noch etwas dauern.
       
       Wenn es im Januar, wie das Bundesgesundheitsministerium vermutet, zu einer
       Impfzulassung für die jüngeren Schüler kommen sollte, dann hätte ich die
       Hoffnung, dass wir zum Zwischenzeugnis, also so im Februar, wieder deutlich
       mehr Normalität an den Schulen haben werden.
       
       Grundschüler sollten Ihrer Meinung nach also noch ein halbes Jahr lang den
       ganzen Schultag Maske tragen? 
       
       Nicht unbedingt. Wir lehnen ja Lockerungen nicht kategorisch ab. Man muss
       halt genau hinschauen: Gibt es eine Filteranlage in der Klasse? Wie hoch
       ist das Infektionsgeschehen? Und wie intensiv wird getestet? Warum
       beispielsweise nicht an den Tagen auf die Maskenpflicht verzichten, an
       denen die Schüler gerade ein frisches Testergebnis vorliegen haben?
       Erleichterungen ja, aber bitte nicht unvorsichtig werden!
       
       Wir sind grundsätzlich immer für ein differenziertes Vorgehen.
       Beispielsweise auch bei den Quarantäneregeln. Wir finden, dass man diese
       sehr wohl vom Impfstatus der Schüler wie auch Faktoren wie dem
       Vorhandensein einer Filteranlage abhängig machen sollte. Auf solche
       differenzierten Regeln könnte man sich auch bundesweit verständigen.
       
       Zum Beispiel bei der Kultusministerkonferenz, die am Donnerstag wieder
       zusammenkommt. 
       
       Zum Beispiel. Meine Befürchtung ist allerdings eher, dass die KMK sich mal
       wieder nicht zu einheitlichen Regeln durchringen kann, sondern jedes Land
       macht, was es will. Da haben wir dann die Bandbreite von einem eher
       vorsichtigen Niedersachsen bis hin zu Thüringen, das es ohne Testungen und
       Maskenpflicht auf die Durchseuchung der Schulen geradezu anlegt.
       
       Nun erkranken Kinder und Jugendliche nur sehr selten schwer an Covid-19.
       Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat sich daher auch für eine
       Aufhebung der Maskenpflicht ausgesprochen. 
       
       Wir wissen, dass Kinder ein geringeres Risiko tragen. Aber die
       Hospitalisierungsquote ist bei Kindern auch nicht null. Wenn wir
       tatsächlich eine Durchseuchung der Schulen zulassen, müssen wir damit
       rechnen, dass bei etwa sieben bis acht Millionen ungeimpften Kindern
       mehrere Zehntausend Schüler ins Krankenhaus müssen. Und da stellt sich die
       Frage: Wollen wir das hinnehmen oder die Durchseuchung so lange
       hinauszögern, bis wir auch für die Jüngeren unter zwölf einen weitgehenden
       Impfschutz erreicht haben?
       
       Auf der anderen Seite ist die Maske gerade für Grundschüler eben auch eine
       starke Belastung. Die wissen ja inzwischen kaum noch, wie ihre Lehrerin
       aussieht. 
       
       Klar ist die Maske eine Einschränkung. Ich habe selbst im vergangenen Jahr
       mit Maske unterrichtet. Aber es wird mitunter der Eindruck erweckt, als
       grenze dies an Kindesmisshandlung. So ist es ja auch nicht. Es ist halt die
       Frage, ob es eine Einschränkung ist, die man zugunsten des
       Gesundheitsschutzes noch hinnehmen muss.
       
       Wäre es nicht viel wichtiger, die Lücken bei den ungeimpften Erwachsenen zu
       schließen? Um am Unterricht teilzunehmen, muss ein Schulkind getestet sein.
       Ein Arbeitgeber darf seine Angestellten dagegen nicht einmal um einen
       3G-Nachweis bitten. Stimmt da noch die Verhältnismäßigkeit? 
       
       Nein. Ich finde es auch völlig verfehlt, dass wir hier mit zweierlei Maß
       messen und in Betrieben keine 3G-Regeln herrschen. Nur kann man ja nicht
       wegen der Versäumnisse der Politik in anderen Bereichen sagen: Okay, dann
       schauen wir an den Schulen auch nicht so genau hin.
       
       Müssen wir uns am Ende auch wieder auf Distanzunterricht einstellen? 
       
       Ich bin guter Dinge, dass wir diesmal drumherum kommen. Die Impfsituation
       ist schließlich eine ganz andere als vor einem Jahr. Aber dieser Optimismus
       beruht natürlich auch auf der Hoffnung, dass die Politik rechtzeitig
       reagiert, wenn die Inzidenzzahlen in die Höhe schnellen – mit konsequenter
       Testung, aber eben auch mit der Maskenpflicht.
       
       4 Oct 2021
       
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