# taz.de -- Festival für Experimentelles: Abenteuerausflug für die Ohren
       
       > Stimmattacken und mächtige Klangwogen: Wieder gibt es vielfach sortierte
       > Experimentalmusiken beim Berliner Festival A l’arme! zu hören.
       
 (IMG) Bild: Bereit für etwas Akkordeonirrwitz: Zbigniew Chojnacki spielt beim „A l'arme!“-Festival
       
       Schönes Wetter, blauer Himmel, ein paar Handbreit nebenan die träge sich
       räkelnde Spree … und was sich so vielleicht als Postkartenbeschreibung
       eines sommerlichen Urlaubstages liest, war doch der Auftakt zu einem
       durchaus dem Lärm verpflichteten Avantgardemusikfestival.
       
       Aber es kann ja mal beides zusammengehen, Urlaubsstimmung und Lärmmusik,
       die allerdings bei den DJ-Sets zum Kick-off des Festivals A l’arme! am
       Mittwochabend [1][im Biergarten Zenner] schon milder gestimmt war und
       lautstärkemäßig heruntergedimmt. Weil hier halt doch ein Biergarten
       bespielt wurde, wer wollte, konnte Käsespätzle oder Trüffelpesto zur Musik
       oder eher zum Getränk zu sich nehmen, hier und da spielte man, die Hände
       hoch, Sitzbankrave. Noch charmanter aber wäre es vielleicht gewesen, an
       diesem Ort, dem Biergarten, eine Dixiekapelle zum „a l’arme!“ blasen zu
       lassen, die so mit dem Verweis auf die Anfänge des Jazz sich auch mit der
       Festivalgeschichte verknüpft hätte.
       
       Denn am Anfang widmete sich das von dem Berliner Musiker Louis Rastig
       konzipierte Festival vor allem dem Free Jazz, bei der ersten Ausgabe 2012
       stand durchaus programmatisch mit [2][Peter Brötzmann so ein Leuchtturm des
       freien Spiels] auf dem Programm, um sich von diesem Schwergewichtsjazz aus
       dann in Folge interessiert in die unterschiedlichsten Richtungen
       umzuhorchen, bei allen Arten von Freistil- und Experimentalmusiken.
       
       Das war auch als eine abwechslungsreich gestaffelte Übersicht am Donnerstag
       spreeabwärts beim ersten „richtigen“ Festivaltag zu hören, wo man sich zwar
       kurz fragen mochte, ob so ein Biergarten als Konzerthaltungsform nicht doch
       angenehmer ist als das schwüle Dunkel, in das man nun im Radialsystem
       gesteckt wurde.
       
       ## Zwischen Improvisationsästhetik und Neuer Musik torkeln
       
       Wo man aber halt weniger abgelenkt werden konnte von der Musik, und dass
       Avantgarde nicht unbedingt immer zu einem unbeschwerten Urlaubstag taugt,
       demonstrierte gleich die brasilianische Performerin Marcela Lucatelli,
       deren schreikindige Stimmakrobatik bestens zu einem hechelnd überdrehten
       Zeichentrickfilm gepasst hätte. Und mit diesem heftigen Aerosolregen hörte
       man diese Attacken auch noch mal anders als in vorpandemischen Zeiten.
       
       Die Band Skultura im Anschluss ließ die Musik hübsch unentschieden zwischen
       Improvisationsästhetik und Neuer Musik torkeln, gönnte sich zwischendurch
       ein paar Soundekstasen und konnte als Alleinstellungsmerkmal darauf
       verweisen, dass hier auch ein Banjo traktiert wurde, ein Instrument, das in
       diesen musikalischen Kreisen sonst wirklich kaum mal zu sehen ist. Gespielt
       (also attackiert, betrommelt oder sonst wie klangerzeugend ausgenutzt)
       wurde es von dem Bassisten Nick Dunston aus New York, der erst vor wenigen
       Monaten nach Berlin gezogen ist. Was Skultura, die Band wurde von Dunston
       zusammengestellt, zu einem weiteren schönen Beispiel dafür macht, dass man
       in dieser Stadt so bunt zusammengewürfelt – die türkische Sängerin Ayşe
       Cansu Tanrıkulu, der Saxofonist und Klarinettist Eldar Tsalikov aus
       Russland und die amerikanische Keyboarderin Liz Kosack – doch immer
       irgendwie gemeinsam einen sich interessant hörenden Weg findet.
       
       Zum Schluss des Abends durfte man in den satt schwappenden und versiert in
       Bewegung gebrachten Klangwogen eines Trios um Stephen O’Malley vibrieren,
       dem Gitarristen der bei Lärmexperten sehr geschätzten Dröhnband Sunn O))).
       Multiinstrumentalist Oren Ambarchi ließ es lustvoll klirren, Will Guthrie
       trommelte in strenger Heftigkeit, O’Malley gab die Dröhngitarre: ein
       Lehrstück über die Erhabenheit des Lärms.
       
       Was man mit O’Malley ein weiteres Mal erleben darf am Samstag beim „A
       l’arme!“-Abschlusstag, wo es dazu unter anderem noch psychedelischen Rock
       mit Karkhana zu hören gibt und etwas Akkordeonirrwitz mit Zbigniew
       Chojnacki.
       
       Nicht unbedingt Urlaub, mehr so ein Abenteuerausflug für die Ohren. A
       l’arme eben.
       
       30 Jul 2021
       
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