# taz.de -- Führungskrise im DOSB: „Ein Tiefpunkt für den Sport“
       
       > Martin Engelhardt, Präsident des Triathlon-Verbandes, über den
       > gescheiterten DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann und über seine eigenen
       > Ambitionen.
       
 (IMG) Bild: „Erhebliches Scherbenpotenzial“: Sportpolitik des DOSB 2018 mit Alfons Hörmann (3.v.r. )
       
       taz: Herr Engelhardt, DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat jüngst bekannt
       gegeben, [1][nicht mehr kandidieren] zu wollen. Eine kluge Entscheidung? 
       
       Martin Engelhardt: Auf jeden Fall. Vor allem aber ist es eine große Chance
       für den deutschen Sport, einen Neuanfang wagen zu können. Ob dieser dann
       tatsächlich umfassend gelingt, bleibt abzuwarten. Zumindest die Möglichkeit
       ist jetzt aber gegeben.
       
       Wie sehr ist Hörmanns Entscheidung der Erkenntnis geschuldet, dass er
       ohnehin nicht mehr gewählt worden wäre? 
       
       Wenn er auch nur die geringste Chance gesehen hätte, noch mal eine
       Stimmenmehrheit zusammenzubekommen, hätte er mit Sicherheit anders
       gehandelt.
       
       Auslöser der jüngsten Entwicklungen im DOSB war eine Anfang Mai [2][publik
       gewordene E-Mail], in der DOSB-Mitarbeiter dem Präsidenten vorwerfen, eine
       „Kultur der Angst“ beim DOSB installiert zu haben. Was ist damit gemeint? 
       
       Es ist nicht zuletzt durch diese E-Mail ja an die Öffentlichkeit gedrungen,
       dass das Umgangsverhalten im DOSB unter Herrn Hörmann nicht dem entspricht,
       was man sich nach den allgemeinen Konventionen in einem demokratischen
       Rechtsstaat wie Deutschland vorstellt.
       
       Was Sie gerade vornehm umschrieben haben, wird in der E-Mail ganz offen als
       Mobbing und katastrophale Atmosphäre angeprangert. Wörtlich heißt es:
       „Respekt und Fairplay vermissen wir jeden Tag in unseren Führungsgremien,
       vor allem bei unserem Präsidenten Alfons Hörmann.“ Mitarbeiter hätten
       gekündigt, andere sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Das hört
       sich dramatisch an. 
       
       Ja. Und es hat mich dennoch nicht verwundert. Zum einen, weil es nicht ganz
       neu war. Zum anderen, weil ich meine eigenen Erfahrungen mit dem
       Präsidenten gemacht habe. Davon abgesehen, dass diese Defizite im
       persönlichen Umgang die ganze Sache ins Rollen gebracht haben, muss man ja
       aber auch insgesamt sehen, was die Bilanz von Hörmanns Arbeit ist. Wenn man
       da die einzelnen Bereiche betrachtet, angefangen von der Olympiabewerbung
       über den Umgang mit der Presse bis hin zu den Verwerfungen mit dem IOC, ist
       das für den deutschen Sport ein Tiefpunkt.
       
       Lassen Sie uns bitte noch etwas bei besagter E-Mail bleiben. Wie Sie gerade
       angedeutet haben, stand Hörmanns rüder Führungs- und Kommunikationsstil
       schon seit Jahren immer mal wieder in der Kritik. Das Problem war also
       bekannt. Warum hat die Ethik-Kommission des DOSB dennoch erst jetzt
       reagiert und Neuwahlen empfohlen? 
       
       Der Sport, so hat es ein führender ehemaliger DOSB-Mitarbeiter zu mir
       einmal gesagt, ist kein Hort des revolutionären Potenzials. In diesem Sinne
       wurde auch hier agiert. Vieles wurde lange Zeit einfach unter den Teppich
       gekehrt – und zwar so lange, wie das Geld gestimmt hat. Dafür hat Hörmann
       durch seine guten Kontakte zur CSU gesorgt. Zumindest für einen Teil des
       Leistungssports ergab sich daraus ein Mittelaufwuchs, der etliche
       Leistungssportverbände zufriedengestellt hat. Im Gegenzug wurde über vieles
       hinweggesehen.
       
       Muss sich Thomas de Maizière, der Vorsitzende der DOSB-Ethikkommission,
       als ehemaliger Sportminister durchaus ein zumindest ehemaliger Verbündeter
       Hörmanns, nicht dennoch vorwerfen lassen, zu lange tatenlos zugesehen zu
       haben? 
       
       Dazu will ich mich gar nicht groß äußern. Zumal die Ethikkommission in der
       Regel auf Dinge reagiert, die an sie herangetragen werden. Dass sie selbst
       aktiv wird, ist mir nicht bekannt. Richtig ist allerdings, dass Herr de
       Maizière Herrn Hörmann in der Vergangenheit unterstützt hat.
       
       Was sagt es aus, dass ausgerechnet Matthias Große, der umstrittene
       Präsident des Eisschnelllaufverbands, Hörmann zur Seite springt und die
       Verfasser des Briefes als „Denunzianten“ und „feige Heckenschützen“
       beschimpft? 
       
       Das ist ja selbstredend. Und es ist einfach nur traurig, dass man nicht
       erkennt, wie weit es mit dem deutschen Sport gekommen ist. Dass er
       politisch fast zur Bedeutungslosigkeit zerfallen ist und gesellschaftlich
       nicht die Rolle spielt, die eigentlich notwendig wäre, um die Menschen für
       den Sport zu begeistern. Das ist ja das Grundproblem: dass das Vertrauen
       der Bevölkerung in die Führung des Sports schwer erschüttert ist. Das war
       sicherlich auch ein Mitgrund, dass es bei den Befragungen der Bevölkerung
       zur Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland keine entsprechende
       Mehrheit gegeben hat. Daran muss der Sport arbeiten – und zwar
       selbstkritisch. Es genügt nicht – um auf Ihre Frage und Herrn Große
       zurückzukommen –, sich in einer Art Wagenburgmentalität zusammmenzurotten
       und andere, die auf Missstände aufmerksam machen, öffentlich anzugreifen
       und zu diskreditieren. Das ist fehl am Platz.
       
       Sie selbst sind schon vor Längerem auf Distanz zu Hörmann gegangen und
       haben 2018 sogar gegen ihn kandidiert. Was hat Sie schon damals dazu
       bewogen? 
       
       Schon damals hatte sich die Mehrheit der Spitzensportverbände gegen eine
       weitere Amtszeit Hörmanns ausgesprochen. Stattdessen sprachen wir uns für
       Thomas Weikert, den Präsidenten des Internationalen Tischtennis-Verbandes,
       als Kandidaten aus, der dann allerdings kurzfristig einen Rückzug gemacht
       hat, womit unsere Bemühungen fehlgeschlagen waren. Ich bin dann als
       Gegenkandidat angetreten, um deutlich zu machen, dass wir keineswegs mit
       allen Handlungen im DOSB einverstanden waren. Ich habe damals auch ein
       Konzept vorgestellt, das durchaus auch als Kritik am Präsidenten zu
       verstehen war.
       
       Was war der Inhalt Ihres Konzepts? 
       
       Im Wesentlichen ging es mir darum, deutlich zu machen, dass wir meiner
       Meinung nach in Deutschland ein umfassendes Programm nach dem Motto „Sport
       für alle“ brauchen, mit dem die Bevölkerung wieder für den Sport begeistert
       wird und mit dem ihr gezeigt wird, dass der Sport auch das
       Gemeinschaftsgefühl verbessern kann. Es ist aus meiner Sicht essenziell,
       dass man die Bedeutung des Sports in der Gesellschaft nicht nur erkennt,
       sondern auch konsequent umsetzt. Dazu bedarf es letztendlich einer
       Abstimmung der Landessportbünde mit den Großvereinen, den
       Spitzensportverbänden und der Politik. Natürlich kann der Sport nicht alle
       gesellschaftspolitischen Fehlentwicklungen korrigieren, aber er hat enorm
       viel zu bieten.
       
       Gab es nach Ihrer Kandidatur Repressalien gegen Sie oder Ihren Verband, die
       Deutsche Triathlon Union? 
       
       Ich bekam anschließend vonseiten des Bundesinnenministeriums telefonisch
       zugesichert, dass das Ministerium darauf achten würde, dass meinem Verband
       keine Nachteile entstehen. Das war ja auch die Angst vieler anderer
       Verbandspräsidenten. Auf der anderen Seite gab es vonseiten Hörmanns nie
       das Angebot, ein konstruktives Gespräch zu führen oder Teile meiner Kritik
       in die Arbeit zu integrieren.
       
       Zuletzt hatte es sich Hörmann auch mit Thomas Bach und dem Internationalen
       Olympischen Komitee (IOC) verscherzt. War das sein Kardinalfehler? 
       
       Es war einer von mehreren kapitalen Fehlern, die er begangen hat. Zunächst
       ist da das Umgangsverhalten. Dazu kam die Düpierung der
       NRW-Olympiabewerbung mit dem wahrscheinlich zukünftigen Bundeskanzler Armin
       Laschet, die nicht gut ankam. Und natürlich spielt es auch eine
       Riesenrolle, dass er in der Vergangenheit vertraute und loyale Mitarbeiter
       von Thomas Bach, seinem Vorgänger als DOSB-Präsident, genau so mies
       behandelt hat wie einige Dachverbandspräsidenten.
       
       Herr Engelhardt, bis zu den Neuwahlen im Dezember ist es noch weniger als
       ein halbes Jahr. Wie und von wem wird der deutsche Sport in dieser Zeit
       geleitet? 
       
       Die Führung bleibt ja bis Dezember im Amt. Von daher wird die Arbeit
       weitergehen wie bisher. Den Rest muss man abwarten.
       
       Was wartet auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin Hörmanns? 
       
       Zunächst einmal kommt es darauf an, dass man ein Programm entwickelt, mit
       dem es gelingen kann, die unterschiedlichen Interessen und Ausrichtungen
       des deutschen Sports zusammenzuführen. Aktuell ist da erhebliches
       Scherbenpotenzial vorhanden, es gibt unterschiedliche Gruppen und
       Strömungen. Diese muss man kanalisieren und in eine Richtung lenken. Das
       wird eine wesentliche Aufgabe sein: Neben einem erfolgreichen Programm
       müssen sie die Kraft und die Fähigkeit haben, die Menschen wieder
       zusammenzubringen und mitzunehmen für positive Ziele, hinter denen sich die
       große Mehrheit wiederfinden kann. Die Ausrichtung der Spiele 2036 in
       Deutschland könnte ein solches Ziel sein. Dafür müssen wir aber auch, wie
       erwähnt, die Bevölkerung mitnehmen.
       
       Als potenzielle Nachfolger wurde bereits Tischtennis-Weltpräsident Thomas
       Weikert genannt, auch Ihr Name ist gefallen. Wird es einen Kampf ums Amt
       geben oder wird man sich im Vorfeld auf einen Kandidaten einigen? 
       
       Es wird sicherlich eine Findungskommission geben, diverse Namen von
       Kandidaten wurden ja schon genannt. Aber bevor es um die möglichen
       Kandidaten geht, ist es zunächst einmal wichtig, dass man ein
       Anforderungsprofil erstellt und klar wird, was für ein Programm der ein
       oder andere anstrebt. Außerdem ist ja völlig klar, dass eine einzelne
       Person nie in der Lage sein wird, grundlegende Dinge zu ändern. Im Prinzip
       muss man ein ganzes Team haben – und das sowohl im ehrenamtlichen als auch
       im hauptamtlichen Bereich.
       
       15 Jul 2021
       
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