# taz.de -- Die Wahrheit: Impfling ohne Pfefferspray
       
       > Furchtbar aufgeregt fährt der Eingeladene zum großen Termin ins
       > Impfzentrum. Jetzt bloß nichts vergessen, ja nichts falsch machen …
       
       Heute ist der große Tag. Ich werde Impfling. Seit Tagen schon gehe ich mit
       wachsender Nervosität die Checkliste der Impfeinladung durch. Mich quält
       die Angst, ich könnte etwas vergessen, und dann ist der schöne
       mRNA-Impftermin weg. Nicht, dass ich doch noch AstraZeneca nehmen muss.
       Also, nichts gegen AstraZeneca. Einige meiner besten Freunde sind
       AstraZeneca. Aber wo ich nun schon mal den Termin habe, will ich jetzt auch
       den guten Stoff.
       
       Ich traue mich daher nicht mal, die seitenlange Datenschutzbelehrung
       wegzuwerfen, weil man die Impfeinladung mitbringen muss, und die
       Datenschutzbelehrung ist unzweifelhaft Teil davon. Am Ende wird irgendein
       irrer Bürokrat mich nach Hause schicken, weil die Impfeinladung ohne
       Datenschutzbelehrung nicht vollständig ist. Das mag überspannt klingen,
       aber nach 50 Jahren habe ich so meine Erfahrungen.
       
       Mir gefällt, dass der Flughafen Tegel mein Impfzentrum ist. Hier ging die
       Pandemie für mich los, als ich am letzten Tag vor dem Einreisestopp von
       einer Texas-Reise zurück- und im ersten Berliner Lockdown angekommen war.
       Hier soll sie für mich nun enden.
       
       Ich fahre lieber eine Stunde früher als nötig los, um ja nicht zu spät zu
       kommen und am Ende wegen fünf Minuten wieder nach Hause geschickt zu
       werden. Das mag überspannt klingen, aber nach 50 Jahren habe ich so meine
       Erfahrungen.
       
       Noch ein letztes Mal die Checkliste: Impfpass, Personalausweis,
       Impfberechtigungsnachweis, unterschriebener Aufklärungs- und Anamnesebogen,
       Impfeinladung samt Datenschutzbelehrung, und sicherheitshalber stecke ich
       den Internationalen Führerschein und das Freischwimmerzeugnis noch ein, man
       weiß ja nie.
       
       Aufgeregt nähere ich mich dem Terminal. Ein freundlicher Security-Mann
       fragt mich höflich: „Haben Sie ein Messer dabei oder Pfefferspray?“ Im
       ersten Moment denke ich allen Ernstes: „Verdammt, jetzt habe ich doch noch
       was vergessen!“ Aber man braucht gar kein Pfefferspray, um eingelassen zu
       werden, und so stehe ich überpünktlich am Terminal C. Was soll jetzt schon
       noch passieren?
       
       Folgendes soll passieren: „Sie haben Ihren Termin aber im
       Erika-Hess-Eisstadion“, sagt der freundliche Mann am Schalter. Ich starre
       ihn fassungslos an. „Was?“ – „Ihr Termin ist nicht hier in Tegel.“ – „Was?
       Aber ich bin doch pünktlich!“ – „Ja, aber sie sind am falschen Ort.“ –
       „Aber ich habe alles dabei. Sogar die verdammte Datenschutzbelehrung!“ –
       „Die brauchen Sie gar nicht. Aber Sie müssen schon zum richtigen Ort.“ –
       „Das schaffe ich doch nicht mehr pünktlich!“, rufe ich entsetzt. „Fahren
       Sie doch schnell rüber“, sagt der freundliche Mann. Das klappt doch nie,
       denke ich.
       
       Es war dann letztlich gar kein Problem, dass ich zwei Stunden zu spät war.
       Auch nach fünfzig Jahren kann man immer noch völlig neue Erfahrungen
       machen. Aber es war ja schließlich auch meine erste Pandemie. Die zumindest
       für mich jetzt hoffentlich bald mal zu Ende ist.
       
       9 Jul 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heiko Werning
       
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