# taz.de -- Chinas KP hat Geburtstag: Feiern wie die Kommunisten
       
       > Wenn die Partei 100 Jahre alt wird, steht Peking still. Xi Jinping feiert
       > den Sozialismus und droht dem Ausland. Dennoch ist Verunsicherung zu
       > spüren.
       
 (IMG) Bild: Happy Birthday, KP! Feierlichkeiten auf dem Tianamen-Platz in Peking
       
       Peking taz | Als die Kampfhubschrauber am Horizont auftauchen, kommt
       erstmals Stimmung unter den 70.000 Zuschauern am Tiananmen-Platz auf. Ihre
       Köpfe drehen sich euphorisch nach oben, wo die Helikopter im Formationsflug
       eine riesige „100“ in den Pekinger Himmel malen. Am Boden wird die
       Choreographie mit wehenden Flaggen goutiert: ein rotes Fahnenmeer mit
       goldenem Hammer und Sichel.
       
       Wenn [1][die Kommunistische Partei Chinas zum Geburtstag lädt], dann zieht
       die Staatsmacht alle Register: Militärkapellen, Chorgesänge und eine
       spektakuläre Flugshow. Wie um den symbolischen Sieg gegenüber der Pandemie
       zu deklarieren, wird das Publikum auf den Rängen dazu aufgefordert, ihre
       Gesichtsmasken abzunehmen.
       
       Xi Jinping betritt schließlich den südlichen Schutzwall der Verbotenen
       Stadt, direkt über dem ikonischen Bildnis Mao Zedongs. In seiner
       Inszenierung erinnert Xi längst selbst an den omnipräsenten Landesvater.
       Statt dunklem Anzug zur roten Krawatte, wie es die letzten Jahrzehnte
       üblich war, trägt der 68-Jährige einen grauen Mao-Anzug.
       
       Und genau wie Mao Zedong wählt Chinas amtierender Staatschef auch als
       Leitthema seiner Rede den Opfer-Mythos: „Die Ära, in der die chinesische
       Nation abgeschlachtet und drangsaliert wurde, ist für immer vorbei“. Wer
       dies wage, dem würde „an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4
       Milliarden Chinesen, der Kopf blutig geschlagen“.
       
       ## Monotone Rede
       
       An jener Stelle bekommt XI Jinping den ausgelassensten Applaus in einer
       ansonsten monotonen, ja streckenweise langweiligen Rede. Doch inhaltlich
       hatte es der nationalistische Vortrag in sich: Neben der offensichtlichen
       Drohung an die USA waren die schärfsten Töne an Taiwan gerichtet – jenen
       Inselstaat, den China als „abtrünnige Provinz“ betrachtet.
       
       „Die Klärung der Taiwan-Frage und die komplette Wiedervereinigung mit dem
       Mutterland sind die unumstößlichen historischen Aufgaben der Partei und das
       gemeinsame Ziel aller Chinesen“, sagte Xi Jinping. Man müsse nun zusammen
       daraufhin arbeiten, „jegliche Bestrebungen zur Unabhängigkeit Taiwans zu
       zerschlagen“.
       
       Überraschen sollte eine solche Botschaft nicht, wie Militärexperte Tong
       Zhao vom „Carnegie-Tsinghua Center for Global Policy“ aus Peking erklärt.
       Das Ziel einer Wiedervereinigung Festlandchinas mit Taiwan sei kein
       abstraktes Lippenbekenntnis, sondern ein konkretes Ziel der jetzigen
       Regierung. „China hat allerdings keine Intention einer verfrühten
       Intervention. Es möchte diesen Kampf gewinnen, ohne einen einzigen Schuss
       abzufeuern“, sagt Zhao.
       
       Die Strategie Pekings ist es, auf Zeit zu setzen: Noch vor Ende der Dekade
       wird China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abgelöst haben, im
       Zuge dessen werde auch die militärische Vormachtstellung zu Gunsten Pekings
       wechseln. Sobald dies geschehen sei, würde Washington von vorneherein den
       Konflikt um Taiwan scheuen. „Noch ist dieses Ziel nicht erreicht, aber
       China macht rapide Fortschritte“, sagt Zhao.
       
       ## Selbstbewusster Patriotismus
       
       In den letzten Jahren hat sich bereits deutlich abgezeichnet, dass die
       chinesische Staatsführung von der diplomatischen Maxime des
       Wirtschaftsreformers Deng Xiaopings abgewichen ist, der die Zurückhaltung
       der eigenen Stärken nach außen propagiert hat. Xi Jinping hat die einstige
       Bescheidenheit gegen einen selbstbewussten Patriotismus ausgetauscht, der
       durch eine beißende Rhetorik seiner Diplomaten im Westen unterstrichen
       wird.
       
       Chinas Nation soll zu alter Stärke zurückgeführt werden, und vom Ausland,
       das der Volksrepublik durch Kolonialisierung und Kriegen großes Leid
       zugefügt hat, möchte man sich nicht länger belehren lassen: Die
       Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang sind in dieser Logik nur eine
       Fabrikation angelsächsischer Medien und die Protestbewegung in Hongkong ein
       Plot der CIA.
       
       Doch wer die Feierlichkeiten am Tiananmen-Platz begleitet, der kann die
       Paranoia und Verunsicherung regelrecht spüren, die die Partei hundert Jahre
       nach ihrer Gründung aus allen Poren auszusenden scheint.
       
       Die Feier-Vorbereitungen in Peking erinnern an ein Land im Ausnahmezustand:
       In der Innenstadt sind bereits am Vorabend des Jubiläums sämtliche
       Restaurants aus „Brandgefahr“ geschlossen, einige Hotpot-Lokale lassen nur
       heimlich bei gedimmtem Licht die Gäste hinein. Auch Taxi-Fahrern wird seit
       Tagen an den Toren der Stadt der Zugang verwehrt.
       
       ## Kafkaesker Spießroutenlauf
       
       Lieferdienste haben ebenfalls Verzögerungen angekündigt. Und wer mit dem
       Zug aus der Provinz in die Hauptstadt reisen will, muss neben den ohnehin
       massiven Sicherheitschecks und Face-Scans nochmals zusätzliche
       Kontrollpunkte passieren. Innerhalb der Stadt sind an sämtlichen Kreuzungen
       und Fußgängerüberführungen entweder Polizisten oder Nachbarschaftskomitees
       platziert, um nach dem Rechten zu sehen.
       
       Wer [2][als Journalist] an den Feierlichkeiten vom Tiananmen-Platz
       teilnehmen wollte, musste zunächst einen kafkaesken Spießroutenlauf
       absolvieren: Zwei negative Virustests, Impfnachweis eines chinesischen
       Vakzins und 24-stündige Hotelquarantäne – all das in einer Stadt, in der
       offiziell seit über einem Dreivierteljahr keine lokalen Infektionen mehr
       registriert wurden.
       
       Die meisten europäischen Botschaften haben auf eine Teilnahme verzichtet –
       nicht zuletzt, weil ihnen nur zwei Stunden Zeit gelassen wurde, um eine
       Zusage zu geben. „Wir sehen gar nicht ein, warum wir immer sofort springen
       müssen“, sagt ein Botschaftsmitarbeiter aus der EU.
       
       Die, die dennoch „gesprungen“ sind, schlagen sich die Quarantäne-Zeit im
       „Great Wall Hotel“ tot, ein altehrwürdiges Gasthaus mit Blick auf das
       Diplomatenviertel. Es ist auch eins der wenigen Gebäude der Stadt, deren
       Fernseher noch ausländische Sender empfangen können.
       
       ## Testbild statt Fernsehbild
       
       An diesem Abend zeigt der singapurische „Channel News Asia“ eine
       Dokumentation zur hundertjährigen Parteigeschichte. Doch wann immer
       kritische Themen angeschnitten werden, etwa von der Pekinger
       Demokratiebewegung 1989 bis hin zur durch Mao ausgelösten Hungersnot,
       ziehen die Zensoren den Stecker. Das Fernsehbild wird durch ein
       regenbogenfarbiges Testbild ausgetauscht: „Kein Signal“. Die Partei
       fürchtet nichts so sehr wie einen kritischen Blick auf die eigene
       Geschichte.
       
       Um drei Uhr nachts schließlich nimmt die Bus-Karawane ihre Fahrt auf, mit
       100 km/h heizt sie entlang der dritten Ringstraße Pekings. Hinter dem
       Militärmuseum schließlich warten die ersten Checkpoints, ehe die
       Journalisten erneut in weitere Busse wechseln müssen.
       
       Am altehrwürdigen Tiananmen-Platz angekommen, gelten bereits die nächsten
       strikten Vorschriften: Weder private Kopfbedeckungen sind erlaubt, noch
       dürfen Ferngläser mitgeführt werden. Und die chinesischen Zuschauer mussten
       auch ihre Smartphones zurücklassen. Die Partei möchte schließlich volle
       Kontrolle über die Jubel-Bilder haben, die sie am 1. Juli in die Welt
       hinausposaunt.
       
       1 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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