# taz.de -- Unterwegs in Europa: Wer ist hier eigentlich wir?
       
       > Kroatische Fans des FC Bayern können aus Hamburg kommen und für
       > Deutschland sein. Und wenn das nicht hilft, sind sie eben für Dänemark.
       
 (IMG) Bild: Kroaten? Deutsche? Deutsch-Kroaten? Fans in Kopenhagen
       
       Als Mario Balotelli im Jahr 2012 die deutsche Mannschaft im Halbfinale der
       Europameisterschaft aus dem Turnier geschossen hat, saß ich im Zug. Ich war
       auf dem Rückweg vom anderen Halbfinale, dem der Spanier gegen Portugal in
       Donezk. Donezk. So lange ist es noch gar nicht her, da war es in der
       Ukraine noch normal, sich in Donezk in einen Zug zu setzten und nach Kiew
       zu fahren. Verrückt.
       
       [1][Natürlich habe ich das Spiel verfolgt.] Ein paar deutsche EM-Touristen,
       die das Turnier genutzt haben, um die Ukraine zu bereisen und nicht um die
       DFB-Elf anzufeuern, ließen sich SMS aus der Heimat schicken und so wussten
       alle im Wagen des Expresszugs, wie schlecht es um die Deutschen stand. SMS.
       So lange ist es also noch gar nicht her, da war das noch ein üblicher
       Kommunikationsweg. Auch ein bisschen verrückt.
       
       Auf der Fahrt von Kopenhagen nach Berlin am Dienstag konnte ich das Spiel
       im Zug ganz gut verfolgen. Die Bandbreite, die die dänische Staatsbahn den
       Reisenden zur Verfügung stellt, hat ausgereicht, um das Spiel zu verfolgen.
       Etliche kroatische Fans, ein Urlauberpärchen, eine Arabisch sprechende
       Familie und ich waren um einen Laptop versammelt und sahen dabei zu, wie
       sich die deutschen Spieler nicht so recht getraut haben zu zeigen, was sie
       vielleicht können.
       
       „Wir haben in den letzten zehn Minuten noch zwei Tore geschossen“, meinte
       einer der Kroaten, der immer noch ein wenig unter dem Eindruck des
       [2][irren Achtelfinalkampfes] stand, den sich sein Team am Vortag gegen
       Spanien geliefert hatte. „Das schaffen wir schon noch“, fügte er an. „Wir
       sind Turniermannschaft.“ Wir? War er nicht gerade noch Kroate, frage ich
       mich. Aha, das ist dann wohl jemand, den man nun wahrlich zu Recht als
       waschechten Deutsch-Kroaten bezeichnen kann. Klar.
       
       ## HSV? Dass ich nicht lache
       
       „Na ja“, sagte er nach dem Schlusspfiff, „für uns ist es sowieso das Beste,
       dass wir raus sind.“ Wer ist denn jetzt schon wieder wir? Schnell stellt
       sich heraus, dass der Mann Fan des FC Bayern ist. Dessen Nationalspieler
       sind bei der EM allesamt ausgeschieden, die deutschen und die französischen
       und der aus Polen. Auch David Alaba ist mit Österreich nicht mehr dabei.
       Aber der ist ja nun kein Bayernspieler mehr.
       
       „Ich bin ja HSV-Fan“, sagt eine junge Frau und alle müssen lachen. Sie
       selbst lacht dabei am lautesten. Und auch in der sechsköpfigen
       arabischstämmigen Familie können die meisten nicht so recht an sich halten.
       Bis dahin hatten sie sich zurückgehalten. Es war nicht ihr Spiel. Kein
       Wunder, schließlich sind sie eine dänische Familie, wie sich herausgestellt
       hat. „Wir werden Europameister“, sagt der vielleicht siebenjährige Bub
       durch seine Gesichtsmaske hindurch.
       
       Noch ein Wir also. Eines mit Wachstumspotenzial. „Ich bin jetzt auch für
       Dänemark“, sagt der deutsch-kroatische Bayer aus Hamburg jetzt und fragt:
       „Gegen wen spielen wir noch mal?“ Gegen Tschechien am Samstag. Er ist sich
       sicher: „Das schaffen wir!“
       
       2 Jul 2021
       
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 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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