# taz.de -- Anreise zur Männer-EM: Zauber Europas in Charlottenburg
       
       > Berliner Jungs fahren nach Dänemark, um ihre Kroaten zu sehen. Aber darf
       > man sich eigentlich freuen, wenn man in der Pandemie zu einem Spiel
       > fährt?
       
 (IMG) Bild: Ein Superspreaderevent? Im Stadion in Kopenhagen
       
       Ist das die Magie einer Europameisterschaft? Am Berliner Hauptbahnhof
       stehen fünf junge Männer in kroatischen Trikots. Sie tänzeln breitbeinig
       von einem Fuß auf den anderen. Wie ich machen sie sich auf den Weg nach
       Kopenhagen zum Achtelfinale zwischen ihrem Team und Spanien. Ihre Masken
       haben sie zur Stabilisierung ihres Kinns weit unter Nase und Mund gezogen.
       
       „Zwei Straßen weiter, dann ist die Grenze. Aber ich bin noch
       Charlottenburg“, sagt einer und fügt an: „Charlottenburg ist bester Bezirk.
       Ich würde nie woanders wohnen.“ Bald wird er 18, sagt er, zwei Tage vor
       seinem Geburtstag macht er die Führerscheinprüfung. Er ist aufgeregt. Erst
       soll das mit Spanien erledigt werden, dann das mit der Fahrprüfung. Das
       wäre so schön. Seine Freunde nicken. Berliner Jungs auf dem Weg nach
       Dänemark, um [1][ein Spiel ihrer Kroaten] zu sehen. Ist das dieses Europa,
       von dem immer alle reden?
       
       Ich rücke meine Maske zurecht und entferne mich von den jungen
       Nasenmännern. So richtig wohl ist mir sowieso nicht bei meiner ersten Reise
       ins Euro-Ausland während dieses Turniers. Kamen mir die ständigen Hinweise,
       doch bitte sehr auf den empfohlenen Sicherheitsabstand zu achten in der
       Münchner EM-Arena, [2][die mit 14.000 Zuschauern nun wahrlich nicht
       besonders voll war], bisweilen übertrieben vor, begebe ich mich an diesem
       Tag auf völlig neues Terrain. 25.000 Zuschauer dürfen in das Stadion von
       Kopenhagen. 73 Prozent der Plätze wären dann besetzt.
       
       Ich mag die Musik, die von einem gut gefüllten Fußballstadion erzeugt wird.
       Bei Welt- und Europameisterschaften gibt es diesen speziellen Sound, der
       für mich bei jedem Turnier zum Ohrwurm wird. Dieses Begleitgeräusch zu den
       Ereignissen auf dem Platz gibt es im Klubfußball mit den akustisch
       dominanten Fangesängen nur selten. Die Stadiongeräusche sind ein Teil des
       Zaubers einer EM. Darf ich mich wirklich darauf freuen? Oder bin ich nicht
       eigentlich des Wahnsinns, dass ich mich auf den Weg zu einem
       Superspreaderevent mache? Den vorgeschriebenen Antigentest führe ich mit
       mir. Natürlich ist er negativ.
       
       ## „Garantiert negativ!“
       
       Ich habe ihn bei einem Straßenhändler bei uns in der Vorstadt gemacht, der
       einen Partypavillon vor einer ehemaligen Trinkerkneipe aufgestellt hat und
       auch sonntags so lange testet, bis die Kiste leer ist, die unter dem
       Biergartentisch steht, hinter dem er sein mobiles Office aufgebaut hat.
       „Ohne Schmerzen, ohne Termin, ohne Geld. Rein und wieder raus“, steht auf
       der Werbeplane vor seinem Pavillon. „Garantiert negativ!“ – würde dazu gut
       passen, denke ich mir. Einen Antigentest, der nicht älter ist als 72
       Stunden ist, verlangt die Uefa von mir für den Einlass in Kopenhagen. Der
       Straßenhändler mit seinem Freischankflächenbüro ermöglicht mir ein kleines
       Stück Europa. Ist das nicht zauberhaft?
       
       Die kroatische Reisegruppe, der ich am Hauptbahnhof begegnet bin, sitzt im
       Wagen vor mir. Es ist noch nicht acht Uhr morgens, da fangen die fünf an zu
       trinken.
       
       28 Jun 2021
       
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