# taz.de -- Parteitag der Grünen: Pragmatisch und einig
       
       > Auf ihrem Parteitag zeigen sich die Grünen diszipliniert und pragmatisch:
       > Baerbock erhält volle Unterstützung, beim CO2-Preis wagt man nur wenig.
       
 (IMG) Bild: Stand bei ihrer Rede sichtbar unter Druck: Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock
       
       Zynisch kann man sagen, dass den Grünen die durchgedrehte
       Benzinpreisdebatte sogar genutzt hat. Dass CDU, SPD und Bild-Zeitung auf
       die Ökopartei einprügelten, obwohl die Groko den CO2-Preis-Anstieg selbst
       beschlossen hatte, dürfte auch dem rebellischsten Basis-Grünen klar gemacht
       haben, wie brutal dieser Wahlkampf ist.
       
       Brav, diszipliniert und pragmatisch lehnten die Delegierten des
       [1][Grünen-Parteitags] jede Verschärfung des Wahlprogramms ab. Höherer
       CO2-Preis? Nö. 70 km/h auf Landstraßen? I wo. Früheres Aus für den
       Verbrenner? Bloß nicht. Wie die Grünen-Spitze antizipiert auch die Basis,
       dass man den Gegnern nicht ohne Not Angriffsfläche bietet. Das ist klug und
       nachvollziehbar.
       
       Die Grünen werden in der öffentlichen Debatte ja gerne in ein
       Bullshit-Bingo gezwungen. Vor der Klimaschutzbewegung müssen sie sich dafür
       rechtfertigen, nicht radikal genug zu sein – während gleichzeitig Paul
       Ziemiak vor der grün-sozialistischen Verbotsrepublik warnt.
       
       In diesem Spannungsverhältnis haben sich die Grünen auf ihrem Parteitag gut
       geschlagen. Das Wahlprogramm enthält ambitionierte Anliegen, die – würden
       sie Wirklichkeit – einiges verändern würden in der Republik. Ein
       milliardenschweres Investitionsprogramm, ein klimapolitischer Mix aus
       Preis- und Ordnungspolitik sowie Anreizen, ein Mindestlohn von 12 Euro,
       eine sanktionsfreie Grundsicherung für Arbeitslose – diese Pläne würden
       vielen Menschen helfen, gerade solchen mit wenig Geld.
       
       ## Beim CO2-Preis nicht ambitioniert
       
       Was davon in einer [2][Koalition mit der Union] übrig bleibt, ist eine
       andere Frage (klimapolitisch einiges, sozialpolitisch wenig). Aber manchmal
       trauen sich die Grünen zu wenig. So warb der Klimaaktivist Jakob Blasel in
       einem Antrag dafür, die Preisforderung auf 80 Euro pro Tonne Kohlendioxid
       zu erhöhen. Die Idee war gut begründet, wissenschaftlich valide – und sie
       wäre für die Deutschen verkraftbar, wenn es einen sozialen Ausgleich gäbe.
       
       Allein die Grünen zuckten zurück. Nun werden sie beim [3][CO2-Preis], einem
       zentralen Baustein der Klimawende, mit einer Forderung in den Wahlkampf
       ziehen, die sich nur in Nuancen von der Groko-Linie unterscheidet. Das kann
       man machen, aber man sollte es nicht ambitioniert nennen. Das Dilemma
       solcher Zugeständnisse an die Mehrheitsfähigkeit ist, dass die Klimakrise
       für die Grünen dann doch nicht so dringend scheint, um wirkliche Risiken
       einzugehen.
       
       Annalena Baerbock wirkte gebremst, ihr war der enorme Druck anzumerken, der
       auf ihr lastet. Ihre Rede, mit der sie sich der Republik als mögliche
       Kanzlerin präsentieren wollte, gelang ihr mäßig gut, auch wenn die grüne
       Fankurve pflichtbewusst Lobgesänge anstimmte. Und den Grünen ist bewusst,
       dass nach dem Fehler mit den Nebeneinkünften, nach den Ungereimtheiten im
       Lebenslauf nicht mehr viel kommen darf.
       
       Aber alle, die bei den Grünen etwas zu sagen haben, stehen geschlossen
       hinter ihr – und die Basis auch. Das war bei gescheiterten
       SPD-Kanzlerkandidaten anders. Für die Bundestagswahl heißen Baerbocks
       Pannen der vergangenen Wochen nichts, alles ist offen. Ob es einen heißen
       Sommer gibt, wird entscheidender für den Wahlausgang sein als ein paar
       peinliche Vitakorrekturen.
       
       13 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Annalena-Baerbock-ist-Kanzlerkandidatin/!5778515
 (DIR) [2] /Parteitag-der-Gruenen/!5774736
 (DIR) [3] /Gruene-diskutieren-Klimaschutz/!5778507
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) GNS
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Parteitag
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Grüne
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Heizen und Klimawandel: Wärmewende? Sofort!
       
       Noch 2020 hat die Bundesregierung ihr Klimaziel für den Gebäudesektor
       verfehlt. Nun soll das Heizsystem in weniger als 24 Jahren CO₂-frei sein.
       
 (DIR) Nachwuchs-Grüne über Hartz IV: „Einiges wiedergutzumachen“
       
       Die Grünen haben die Forderung verworfen, Hartz-IV-Sätze auf 600 Euro zu
       erhöhen. Eine vertane Chance, sagt Sarah-Lee Heinrich von der Grünen
       Jugend.
       
 (DIR) Fazit des Grünen-Parteitags: Brav und regierungswillig
       
       Annalena Baerbock gelingt es nicht ganz, in die Offensive zu kommen. Die
       Grünen-Basis segnet auf dem Parteitag den Kurs des Vorstands ab.
       
 (DIR) Carolin Emcke auf dem Grünen-Parteitag: Eklat entdeckt
       
       Äußerungen der Publizistin Carolin Emcke auf dem Grünen-Parteitag
       veranlasst die CDU zu Antisemitismus-Vorwürfen. Was ist dran?
       
 (DIR) Annalena Baerbock ist Kanzlerkandidatin: „Rückenwind nach dem Gegenwind“
       
       Mit 98,5 Prozent wählte der Grünen-Parteitag seine erste Kanzlerkandidatin.
       Baerbock hält eine souveräne Rede, gibt sich aber auch nahbar.
       
 (DIR) Parteitag der Grünen: Der Elefant im Raum
       
       Wahrscheinlich werden die Grünen mit der Union koalieren. Das wird kein
       mutiger Aufbruch, sondern eine zaghafte Modernisierung des Status quo.
       
 (DIR) Grüne diskutieren Klimaschutz: Parteitag lehnt härtere Linie ab
       
       Der Kampf gegen die Erderwärmung ist ein grünes Herzensthema. Mehrere
       Vorstöße für eine Verschärfungen des Programms lehnen die Delegierten
       jedoch ab.