# taz.de -- Fotoband „Amazônia“: Die Schönheit der Welt
       
       > Sechs Jahre reiste Sebastião Salgado im Amazonasgebiet. In einem
       > Schwarz-Weiß-Fotoband dokumentiert er das Leben im Regenwald.
       
 (IMG) Bild: Am Rio Negro, der bis zu 20 Kilometer breit wird
       
       Schwarz-Weiß-Bilder von Landschaften, bei denen die Biegung des Flusses,
       seine Schleifen und Wasserfälle die Dichte der Bäume als grafische Muster
       durchschneiden. Hohe Berge, die sich mit dicken Kumuluswolken zu
       geheimnisvollen Nebelbildern vereinen. Eindringliche Schwarz-Weiß-Porträts
       von Menschen, die exotisch anmuten, uns aber dennoch nahekommen, weil sie
       mit ihrer Verletzlichkeit berühren.
       
       Der fünf Kilogramm schwere Bildband „Amazônia“ von Sebastião Salgado zeigt
       das Amazonasgebiet in seiner Fülle und Schönheit, seiner Unberührtheit und
       Fremdheit. Eine großflächige Region, eingefangen in einem gewichtigen
       Coffee Table Book höchster Qualität. Der Bildband ist betrachtende
       Anthropologie mit großartigen Fotos und ein pathetisches Pamphlet für den
       Schutz der indigenen Bevölkerung und den Regenwald. Eine Hymne an die
       Schönheit des Regenwaldes. Und eine klare Botschaft, der Debatte über
       Natur- und Klimaschutz dringlich Gehör zu schenken. Schon mit seinem
       Instituto Terra hat Salgado eine Einrichtung geschaffen, die einen direkten
       Beitrag zur Wiederbelebung von Biodiversität und Ökosystemen leistet.
       
       Sechs Jahre umfasste Salgados Projekt „Amazônia“ mit Reisen zu zwölf
       indigenen, oft an abgelegenen und schwer zugänglichen Orten lebenden
       Stämmen. „Dieses Buch ist den indigenen Völkern des brasilianischen
       Amazonasgebiets gewidmet“, schreiben Salgado und seine Frau Lélia Wanick
       Salgado auf der ersten Seite. Das Buch würdigt die Rolle der Indigenen als
       Hüter der Schönheit, der natürlichen Ressourcen und der Artenvielfalt des
       größten Regenwalds der Welt, der immer mehr brutalen Angriffen ausgesetzt
       ist, der abgebrannt und abgeholzt wird, damit die rücksichtslose
       Landwirtschaftslobby die Flächen für Sojaanbau und Viehzucht ausbeuten
       kann.
       
       „Auf dem staatlichen Land funktioniert der Naturschutz gar nicht mehr –
       seit der Wahl von Bolsonaro. Deshalb rufe ich die ganze Welt auf: Bekämpft
       Bolsonaro und seinen Umweltminister, diese Maschine der Zerstörung“, sagt
       Salgado im Interview mit dem Stern. Ein Ziel dieses Fotoprojekts sei es zu
       dokumentieren, was überlebt hat, bevor noch mehr davon verschwindet.
       Derzeit leben in einem Gebiet von mehr als der achtfachen Fläche
       Frankreichs nur noch 370.000 Indigene, die zu 188 Stämmen gehören und 150
       verschiedene Sprachen sprechen. Viele der Bilder entstanden im Parque
       Indígena do Xingu, einem Schutzgebiet für indigene Völker im Bundesstaat
       Mato Grosso, wo mehr als ein Dutzend ethnische Gruppen leben.
       
       „Die Stämme, die ich im Laufe der Jahre fotografiert habe, sind sehr
       unterschiedlich“, schreibt Salgado in seinem Buch. Einige lebten in
       völliger Isolation, jagten mit Pfeil und Bogen sowie Blasrohren und seien
       größtenteils unbekleidet. Andere mit mehr Kontakt trügen inzwischen
       Kleidung. Alle aber seien bestrebt, ihre Kultur und Tradition zu bewahren,
       wenn auch nur noch zu zeremoniellen Anlässen.
       
       Der 77 Jahre alte Salgado hat lange in Krisengebieten fotografiert. Ein
       neugieriger Reisender, der die Gesellschaften und ihre Brennpunkte mit der
       Kamera durchdrang. Berühmt geworden ist seine Fotoreportage von 1986 über
       freiwillig hart arbeitende Goldschürfer in der brasilianischen Goldmine
       „Serra Pelada“, deren Arbeitsbedingungen mittelalterlich anmuten. Er reiste
       zu den portugiesischen und marokkanischen Einwanderern, die er Anfang der
       70er Jahre in Frankreich fotografierte, zu den Tuareg, die zur selben Zeit
       vor einer schweren Dürre in Lager an den Rändern der Städte flüchten
       mussten, zu den Opfern der Völkermorde und Bürgerkriege in Burundi, Ruanda
       und dem ehemaligen Jugoslawien. Er dokumentiert die gewalttätigen Abgründe
       der Welt.
       
       „Amazônia“ soll ihn mit der Welt versöhnen. „Diese Arbeit hat meine Seele
       geheilt“, sagt er im Interview mit dem Stern. „Die Geschichten vorher waren
       furchtbar. Sie haben mich richtig krank gemacht. Selbst nach einem Leben
       mit außergewöhnlichen Erfahrungen hat mir nie etwas größere Freude
       bereitet, als das Buch über die indigenen Völker des Amazonas zu machen.“
       Sein Buch ist ein dringlicher Appell, sie zu schützen. Eine professionelle,
       hochkarätige Werbebotschaft, der man gerne folgt.
       
       26 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
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