# taz.de -- Nach dem Vulkanausbruch im Kongo: Massenflucht aus Goma
       
       > Zehntausende verlassen die Millionenstadt am Fuße des Nyiragongo-Vulkans.
       > Die Behörden warnen: Er könnte erneut ausbrechen – unter der Stadt.
       
 (IMG) Bild: Nichts wie weg: Bewohner von Goma drängeln sich auf der Straße zum Hafen
       
       Berlin taz | Die Millionenstadt Goma am Fuß des ausgebrochenen Vulkans
       Nyiragongo im Osten der Demokratischen Republik Kongo wird größtenteils
       evakuiert. Das ordnete Ndima Kongba, der erst vor kurzem installierte
       Militärgouverneur der Provinz Nord-Kivu, am Donnerstag frühmorgens in einer
       [1][Fernseh- und Radioansprache] an. Als Grund nannte er wissenschaftliche
       Daten, die eine weitere Eruption von Lava „an Land oder unter Wasser“
       derzeit nicht ausschließen.
       
       „Es kann passieren, dass wir dann nur eine geringe oder gar keine
       Vorlaufzeit haben“, sagte Kongba. Die Rückkehr in die Häuser sei nur mit
       ausdrücklicher Genehmigung der Behörden erlaubt.
       
       Zehntausende Einwohner der Millionenstadt machten sich am Morgen auf den
       Weg: meist zu Fuß, bepackt mit allem, was sie tragen können. Eine lange
       Autoschlange staute sich Stoßstange an Stoßstange aus Goma hinaus gen
       Westen in Richtung der rund 20 Kilometer entfernten Kleinstadt Sake, die
       außerhalb der Risikozone liegt.
       
       Abertausende Kongolesen, die im Osten der Stadt nahe der Grenze zu Ruanda
       leben, stürmten die Grenzposten, um im Nachbarland Schutz zu suchen.
       Weitere Tausende drängelten sich am Hafen, um per Schiff über den Kivu-See
       in die Stadt Bukavu überzusetzen.
       
       ## Kratersee ist deutlich abgesackt
       
       Die UN-Mission im Kongo (Monusco) hatte bereits am Mittwoch einen Großteil
       ihrer in Goma stationierten Mitarbeiter nach Bukavu abgezogen. Die Hotels
       der Hauptstadt der Nachbarprovinz Süd-Kivu sind voll. Im Laufe des
       Donnerstags wurde allerdings der Schiffsverkehr von Goma nach Bukavu
       eingestellt – nachdem die Flughäfen beider Städte bereits geschlossen
       worden sind und der Landweg als zu unsicher gilt.
       
       In den vergangenen Tagen seit Ausbruch des Vulkans am Samstagabend hatte es
       in der ganzen Region zahlreiche starke Erdbeben gegeben. Einige waren sogar
       in der 130 Kilometer entfernten ruandischen Hauptstadt Kigali noch zu
       spüren. In Goma stürzten Häuser ein, es taten sich Risse im Asphalt auf.
       Aus einigen steigt siedende Lava auf.
       
       [2][Satellitenbilder und Luftaufnahmen], geschossen aus UN-Hubschraubern
       und mit UN-Drohnen, zeigen: Der Kratersee des Nyiragongo zehn Kilometer
       nördlich von Goma ist deutlich abgesackt, fast leer. Die meiste Lava trat
       bei der Eruption aus einem vorgelagerten Nebenkrater aus und lief die
       Flanke hinab in Richtung Stadt. Sie stoppte 300 Meter vor dem Flughafen,
       zerstörte aber die wichtige Handelsstraße, die aus Goma hinaus gen Norden
       führt.
       
       [3][UN-Hilfswerke] haben 31 Tote und 40 Vermisste gezählt sowie mehr als
       20.000 Menschen, deren Häuser und Äcker zerstört wurden.
       Hochspannungsleitungen sind durch die Lavamassen umgekippt, bis heute gibt
       es in den meisten Stadtvierteln von Goma keinen Strom.
       
       Seismische Daten des Vulkanobservatoriums OVG in Goma lassen darauf
       schließen, dass die Magma jetzt aus dem Vulkankrater in unterirdische
       Kammern abgesackt ist, die zum Teil unterhalb der Stadt und des gewaltigen
       Kivu-Sees liegen.
       
       ## Seit einem halben Jahr keine Messungen
       
       Der mehrere hundert Meter tiefe Kivu-See ist eine zusätzliche explosive
       Bedrohung: In seinen Tiefen ist Methangas unter hohem Druck im Wasser
       gelöst. Eine Eruption des Seebodens könnte das hochentzündliche Gas wie bei
       einem gewaltigen Rülpser aufsteigen und explodieren lassen – dann könnten
       Millionen von Menschen an seinen Ufern mit einem Schlag sterben. Deswegen
       gilt der Kivu-See als der gefährlichste See der Welt.
       
       Das OVG beobachtet die aktive Vulkankette in der Region mit Hilfe
       seismischer Geräte, die überall an den Flanken der Vulkane und in Goma
       selbst installiert sind. Gemeinsam mit der Monusco waren nach dem letzten
       Ausbruch des Nyiragongo 2002, als das Stadtzentrum fast vollkommen zerstört
       wurde, Notfallpläne und Warnstufen erarbeitet worden.
       
       All dies habe aber am Samstagabend nicht funktioniert, klagen die Einwohner
       von Goma in den sozialen Medien. Die ersten Hinweise einer Eruption kamen
       von der Bevölkerung selbst, als Leute Fotos von einem glühenden Nachthimmel
       posteten und die Frage stellten, was los sei.
       
       Die Vulkanologen geben an, sie hätten seit einem halben Jahr keine
       Messungen machen können, weil kein Geld da sei. Die finanzielle
       Unterstützung durch die Weltbank sei im vergangenen Jahr ausgelaufen –
       Kongos Regierung ist offenbar nicht eingesprungen. Das erweist sich jetzt
       als verheerend.
       
       27 May 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://acpcongo.com/index.php/2021/05/27/le-gouverneur-militaire-du-nord-kivu-donne-lordre-devacuer-la-ville-de-goma/
 (DIR) [2] https://reliefweb.int/map/democratic-republic-congo/dr-congo-potentially-affected-structures-and-roads-caused-nyiragongo
 (DIR) [3] https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/dr-congo-volcanic-eruption-goma-situation-report-no-1-25-may-2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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