# taz.de -- Die Wahrheit: Taiwan ist ein La-La-Land
       
       > Kaum zu glauben, aber wahr: China liegt mit einer bayerischen
       > Abiturientin im Clinch. Schuld ist der Hollywood-Schauspieler John Cena.
       
 (IMG) Bild: Ein Feigling vor dem Herrn und China: Schauspieler John Cena
       
       Mehr als neuneinhalb Millionen Quadratkilometer Landmasse werden von der
       chinesischen Staatsführung beherrscht. Doch sie giert nach mehr und würde
       liebend gern den kleinen Inselstaat Taiwan okkupieren. Bislang hat sich
       dafür noch keine günstige Gelegenheit ergeben, und infolgedessen liegen im
       Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas die
       Nerven seit Jahren blank. Deren Generalsekretär Xi Jinping erträgt es nicht
       einmal, wenn jemand den Namen des Landes Taiwan ausspricht, und alle 1,4
       Milliarden Festlandchinesen müssen so tun, als wären sie in dieser Hinsicht
       genauso leicht reizbar.
       
       Das bekam kürzlich zum Beispiel der Schauspieler John Cena zu spüren. In
       einem Interview hatte er Taiwan als „Land“ bezeichnet und damit den Erfolg
       seines Films „Fast & Furious 9“ in China gefährdet. Um den Schaden zu
       begrenzen, bat Cena in einem Video unterwürfigst um Vergebung für seinen
       „Fehler“ und versicherte allen Einwohnern der Volksrepublik China, dass er
       sie liebe.
       
       Zum Glück gibt es auch Menschen, die sich nicht so kriecherisch verhalten
       wie Cena. Ein Beispiel könnte er sich an der Abiturientin Leonie
       Grünbichler nehmen. Vor einem halben Jahr hatte sie im Marien-Gymnasium
       Kaufbeuren in einer Klausur im Fach Geschichte den Anspruch der
       Volksrepublik China auf die Insel Taiwan eine „lächerliche Eselei“ genannt
       und Xi Jinping empfohlen, den Invasionsplan aufzugeben und lieber eine
       Kommission zur Aufklärung aller Kapitalverbrechen des Idioten Mao Tse-tung
       einzuberufen.
       
       ## Botschafter fordert Bestrafung
       
       Unter bislang ungeklärten Umständen war der Wortlaut dieser Klausur zur
       Kenntnis der höchsten chinesischen Regierungskreise gelangt. Wie man
       inzwischen weiß, verlangte der chinesische Botschafter in Berlin daraufhin
       in einem erregten Telefonat mit dem Bundesaußenminister Heiko Maas eine
       exemplarische Bestrafung der verantwortlichen Schuldirektorin und die
       Auslieferung der Schülerin Leonie Grünbichler, damit ihr in Peking der
       Prozess gemacht werden könne.
       
       Als deutsche Staatsbürgerin darf sie zwar nicht ausgeliefert werden, aber
       es hat sich herumgesprochen, dass sie seither von der Bundesregierung unter
       Druck gesetzt wird: Im Interesse der deutschen Exportwirtschaft soll die
       junge Grünbichlerin sich öffentlich bei Xi Jinping und allen seinen
       Untertanen entschuldigen und beteuern, dass sie Taiwan mit Spiekeroog
       verwechselt habe. Andernfalls, so wird gemunkelt, sehe sich die
       Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dazu gezwungen, den Erbpachtvertrag
       für das Haus zu kündigen, in dem die sechsköpfige Familie Grünbichler
       wohnt.
       
       Wäre Leonie Grünbichler ein solcher Waschlappen wie John Cena, würde sie
       klein beigeben. Doch sie denkt gar nicht daran. Stattdessen hat sie
       nachgelegt und auf Youtube ein Video gepostet, in dem sie Xi Jinping
       abermals die Meinung geigt: „Wenn Sie Ihr komisches Reich unbedingt
       vergrößern wollen, dann machen Sie’s doch so wie der Lummerländer Jim
       Knopf, der die Wilde 13 besiegt und seine Heimatinsel um ein versunkenes
       Neuland vom Meeresboden bereichert hat! Und apropos Land: Macht es Ihnen
       und Ihren Lakaien wirklich so viel aus, wenn irgendein depperter
       amerikanischer Wrestler und Schmierenschauspieler sagt, dass Taiwan ein
       Land sei? Dann, so fürchte ich, haben Sie und Ihr Hofstaat ein ähnliches
       Selbstwertproblem wie meine Freundin Trixi. Die heult auch immer gleich
       los, wenn sie sich wegen irgendwas gekränkt fühlt. Ich finde das albern. Um
       Sie und Ihre überempfindlichen Schranzen etwas abzuhärten, sage ich hier
       deshalb in aller Deutlichkeit: Taiwan ist ein Land! Jawohl! Taiwan ist ein
       La-La-Land! Und wenn die Volksrepublik China deswegen hektische rote
       Flecken im Gesicht bekommt, hat sie nicht mehr alle Teetassen im Schrank …“
       
       ## Schlichtung am Runden Tisch
       
       Damit der Konflikt nicht weiter eskaliert, hat die von dem Theologen Hans
       Küng gegründete Stiftung Weltethos Leonie Grünbichler und Xi Jinping
       gestern zu einem Schlichtungsgespräch nach Tübingen eingeladen. In einer
       Pressemitteilung der Stiftung heißt es, dass die verhärteten Fronten am
       besten in einer „Roundtable-Diskussion“ aufgelöst werden könnten. Als
       Verhandlungsleiter steht der Studentenpfarrer Friedrich Schorlemmer dem
       Vernehmen nach bereits in den Startlöchern, doch es ist fraglich, ob er
       sich in dieser Rolle gegen die Bundesverdienstkreuzträgerin Margot Käßmann
       durchsetzen kann, die ebenfalls ihr Interesse an der Moderation des
       Gesprächs bekundet hat.
       
       Vorläufig ist allerdings noch unklar, ob es überhaupt stattfinden kann. Aus
       Peking verlautet, dass Xi Jinping in nächster Zeit „verdammt viele Termine“
       habe und erst einmal zahlreiche innerparteiliche Widersacher aus dem
       Verkehr ziehen müsse, und Leonie Grünbichler hat ohnehin keine Lust, „den
       chinesischen Billo zu treffen“.
       
       Quo vadis, Weltfrieden?
       
       8 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Henschel
       
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