# taz.de -- Die Wahrheit: No Bier, no Harry Potter
       
       > Neues aus Neuseeland: Cancel Culture nach Art Aotearoas lässt eine
       > Brauerei austrocknen und ein Fantasy-Quiz ausfallen.
       
       Wir sind nicht nur das Land mit den meisten LGBTQ+-Abgeordneten im
       Parlament und haben seit 2013 die gleichgeschlechtliche Ehe. Wir sind auch
       bikulturell und zu Recht sensibel, was Hetze gegen Maori angeht. Dieser Mai
       war daher der Cancel-Monat schlechthin: Erst musste ein transphobisches
       Quiz verschwinden, dann ein rassistisches Bier.
       
       Featherston ist ein kleines Kaff auf der Nordinsel. 1855 wurde es von einem
       Erdbeben erschüttert, Anfang Mai von Genderpolitik. Das viertägige
       Literaturfestival Featherston Booktown Karukatea hat nicht nur Slam-Poetry
       und Buchbinderei-Workshops im Sortiment, sondern auch etliche Events für
       Kinder. Um die Kleinen vom Bildschirm zu Büchern zu locken, bietet das
       Festival auch ein „Harry Potter“-Quiz an.
       
       Dieses Jahr fehlte das beliebte Rätselraten jedoch im Programm. Der
       Vorsitzende des Festivals hatte sich mit der Gay-Community beraten und
       beschlossen, dass die Fantasy-Figuren aus Hogwarts zu viel Stress und
       Kummer bereiten würden, da die umstrittene „Harry Potter“-Autorin J. K.
       Rowling transphobische Bemerkungen gemacht habe. Das Risiko wollte er nicht
       eingehen. „Booktown soll ein inklusiver, willkommen heißender Ort für alle
       sein.“
       
       Doch nicht alle Minderheitenvertreter waren mit dem Rausschmiss des
       Bestseller-Helden happy. Jenny Whyte, aus Featherston und lesbisch, fand es
       höchstironisch, dass das Festival auch eine Podiumsdiskussion zum Thema
       „Cancel Culture“ anbot. „Cancel Culture ist in die Literatur- und
       Kunstszene von Aotearoa eingefallen“, hieß es in der Werbung zur
       Veranstaltung. Man sollte sich darauf vorbereiten, dass „Funken schlagen“.
       
       An einem anderen Ort der Empörung schlugen nicht nur Funken, es spritzte
       Schaum. David Gaughan ist Besitzer der Bierbrauerei Eagle und hat eine
       Kneipe im ländlichen Kaiapoi. Auf Facebook ließ der Weiße sich vor zwei
       Wochen darüber aus, dass Maori-Männer „Neuseelands größtes Problem“ und ein
       „Übel“ seien. „Je schneller wir sie ins Gefängnis stecken, umso besser“,
       postete er und behauptete, die meisten Ureinwohner würden ihre Frauen
       schlagen.
       
       Kaiapois Maori-Stamm Ngāi Tūāhuriri rief zum Boykott der Biermarke auf.
       Diesmal traf der Aufschrei gegen den rassistischen Firmenchef einhellig auf
       offene Ohren. Eine Cancel-Welle überrollte die Brauerei: So viele
       Gastronomen stornierten spontan ihre Bestellungen bei Eagle, dass der
       Alkohol-Adler zum Erliegen kam.
       
       Nicht nur die Brauerei-Kneipe in Kaiapoi schloss zeitweise ihre Tore, auch
       die Ehe von Gaugham endete im Cancel-Crash. Seine Frau trennte sich von ihm
       und übernahm die Firma. Er trat von seinem Posten zurück und entschuldigte
       sich öffentlich für seine „komplett inakzeptablen Äußerungen“. Er sei kein
       Rassist, sondern habe an dem Abend nur ein paar Gläser zu viel getrunken.
       Wahrscheinlich nicht Harry Potters Butterbier.
       
       27 May 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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