# taz.de -- Kalter Frühling in Deutschland: Eisiger April
       
       > Der kalte Frühling gibt Anlass für ein Gedankenspiel: Wie wäre es, wenn
       > die Klimaverschlechterung uns kalt statt heiß erwischen würde?
       
 (IMG) Bild: Hundekälte: Wir haben den eisigsten April seit 40 Jahren in Deutschland hinter uns
       
       Als Willy Brandt Bundeskanzler war, waren nicht nur Cindy und Bert noch ein
       Paar, wie Funny van Dannen einst wehmütig besang, sondern da machte der
       April noch wirklich das, was er will. Zu Weihnachten hatte man als Kind
       Kalender mit selbst gemalten Monatsmotiven verschenkt, und für April wählte
       man klassischerweise einen Splitscreen, ohne zu ahnen, dass es dieses Wort
       dereinst mal geben könnte: Das Blatt wurde in vier Viertel eingeteilt, im
       ersten schneite es, im zweiten fiel Regen, im dritten strahlte die Sonne,
       und im vierten tobte ein Sturm. Jedem war völlig klar: So geht der April!
       
       Das Aprilsprichwort hat überlebt, für heutige Kinder allerdings dürfte es
       bedeutungstechnisch ähnlich entkernt sein wie Redewendungen der Art „Gib
       mir mal den Hörer“. Auf selbst gestalteten Kalendern stünden für den
       Frühlingsmonat nun vermutlich Bilder, die wir für den August gesetzt
       hätten, während sich ebendort Szenen finden, die uns als natürliches
       Titelbild für Karl Mays „Unter Geiern“ erschienen.
       
       Und nun das: der kälteste April seit 40 Jahren in Deutschland. 13
       Frosttage, ein Temperaturdurchschnitt von 6,1 Grad – 2,9 Grad weniger als
       in der Referenzperiode 1991 bis 2020. Man stelle sich vor, so ginge das
       ständig!
       
       Also Klimawandel andersrum – statt Anbaden zu Ostern an der Ostsee nun
       Skiurlaub im Weserbergland. Als Mode trendeten nicht bauchfreie Shirts,
       sondern Opas lange Unterhosen. Statt sympathischer Mittelmeerneubürger
       [1][wie Gelbbindige Furchenbiene] und Goldschakal lägen plötzlich garstige
       Gesellen wie Moschusochse und Walross vor der Haustür. Jedes Mal, wenn die
       Sonne kurz hinter den Wolken hervorkäme, würde es heißen: „Seht nur, es
       gibt gar keinen Klimawandel!“ Und die Heizkosten erst!
       
       Doch so ist es ja nicht. Auch in Zeiten der Erderwärmung sind statistische
       Ausreißer nach unten ganz normal, sie kommen halt nur seltener vor. Und
       schon an diesem Wochenende kratzen die Temperaturen plötzlich wieder an
       hochsommerlichen Werten von fast 30 Grad. So erinnert uns der April von
       2021 vor allem an eines: dass das, was für viele von uns zu Kindertagen
       noch ganz normales Wetter war, heute ein eisiges Ausnahmeereignis
       darstellt. [2][Der Klimawandel ist keine abstrakte Zukunftsvision, wir
       stehen mittendrin].
       
       7 May 2021
       
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