# taz.de -- Defekte Fischtreppe in Geesthacht: Endstation für den Stint
       
       > Die Stintbestände drohen einzubrechen, weil die Fischtreppe in Geesthacht
       > ganz oder teilweise außer Betrieb ist. Die Frage ist: Wer kümmert sich?
       
 (IMG) Bild: Kein Durchkommen mehr: Die defekte Fischtreppe am Stauwehr Geesthacht im Juli 2020
       
       Göttingen taz | Europas größte Fischtreppe in Geesthacht galt über Jahre
       als Erfolgsmodell. Mehr als zwei Millionen Fische sollen die Aufstiegshilfe
       am Nordufer der Elbe seit ihrer Inbetriebnahme im August 2010 genutzt
       haben. Rund 50 verschiedene Arten konnten mit Hilfe der Fischtreppe zum
       Laichen elbaufwärts schwimmen. Lachse, Welse, Meerforellen und Stinte
       wurden beobachtet, aber auch Exoten wie der Streifenbarsch und der
       Sibirische Stör.
       
       Der schwerste und längste Fisch war ein knapp 30 Kilogramm schwerer Wels
       mit einer Länge von 1,60 Meter, berichtete stolz der Energiekonzern
       Vattenfall. Das Unternehmen hatte die 30 Millionen Euro teure Fischtreppe
       als Ausgleichsmaßnahme für das Kohlekraftwerk Moorburg bauen müssen. Bis
       zum Herbst 2019 erholten sich die Fischbestände. Doch seitdem gehen sie
       wieder zurück, denn die Fischtreppe funktioniert nicht mehr richtig. Es gab
       Schäden am Geesthachter Stauwehr, die Strömung hatte Teile des Damms
       angegriffen und eine Spundwand weggedrückt.
       
       In der Folge wurden Rinnen, die den großen Fischen den Weg zur
       Vattenfall-Fischtreppe am Nordufer weisen, mit mehreren Tausend Tonnen
       Sandgemisch und Wasserbausteinen verfüllt. Das Wasserstraßen- und
       Schifffahrtsamt, eine Bundesbehörde, ließ die kleine Fischtreppe am Südufer
       gleich mit zuschütten. Hier kann zurzeit kein Fisch mehr passieren, und auf
       der Nordseite der Elbe finden nur noch wenige Tiere den Weg in die
       Aufstiegsanlage von Vattenfall. 90 Prozent der wandernden Fische könnten
       nicht mehr aufsteigen, schätzt die Initiative „Rettet die Elbe“. Genaue
       Zahlen über den Umfang der Schäden für die Fischwelt gibt es allerdings
       nicht, weil Vattenfall seit 2018 keine Zählungen mehr vornimmt.
       
       Der Landkreis Herzogtum Lauenburg, in dem Geesthacht liegt, sieht den
       Energiekonzern in der Pflicht, die Schäden zu beheben und verpflichtete ihn
       unter Androhung eines Zwangsgeldes, die nördliche Fischtreppe instand zu
       setzen. Das Unternehmen wehrte sich gerichtlich gegen die Anordnung und
       hatte Erfolg. Weil Vattenfall das Kraftwerk Moorburg im vergangenen
       Dezember vom Netz nahm, ist nach Auffassung des Konzerns die vertragliche
       Verpflichtung zum Betreiben der Fischtreppe vollends entfallen. Das
       Aktionsbündnis „Future 4 Fishes“, ein Zusammenschluss mehrerer
       Umweltverbände und der Grünen, argumentiert hingegen, der Eigentümer könne
       die Anlage „nicht von heute auf morgen aufgeben“. Eigentum verpflichte
       schließlich.
       
       ## Gefundenes Fressen für die Möwen
       
       Die Dringlichkeit einer funktionierenden Fischtreppe verdeutlichten dieser
       Tage Beobachtungen des Hamburger Abendblatts. Demnach machen sich Scharen
       von Möwen über die vielen Stinte her, die am Geesthachter Stauwehr
       feststecken. Zusätzlich zu den beschriebenen Schäden wurde dort im Winter
       wegen der Gefahr von Eisgang auch noch die Lockströmung außer Funktion
       gesetzt, erst Ende April wird sie wieder in Betrieb genommen.
       Lockströmungen sollen den Fischen den richtigen Weg zu den Treppen weisen.
       
       Nachdem schon die Laichsaison 2020 für den Stint ausgefallen ist, stehen
       die Chancen auch in diesem Jahr schlecht. Sollte die Saison ein drittes
       Jahr in Folge ausfallen, könnte sich der Stint erst in 25 Jahren davon
       erholen, warnen Umweltschützer wie Jens Gutzmann vom Nabu in Geesthacht.
       Vorausgesetzt, die Fische fänden dann optimale Bedingungen vor.
       
       Die in der Regel 15 bis 20, höchstens 30 Zentimeter langen Stinte sammeln
       sich in Februar und März und wandern in die Unterläufe der großen Ströme
       ein, um dort über sandigen Stellen abzulaichen. In den vergangenen
       Jahrzehnten war der Stint kommerziell kaum von Bedeutung, da er in den
       verschmutzten Flüssen nur in geringer Zahl anzutreffen war. Mit zunehmend
       saubereren Gewässern wird er wieder öfter in größerer Menge gefangen. Vom
       Fang und Angebot des Stintes profitieren Restaurants, die diesen etwas nach
       Gurken riechenden Fisch saisonal als kulinarische Besonderheit anbieten.
       
       Der Verzehr durch Menschen macht allerdings nur den geringsten Teil der
       wirtschaftlichen Bedeutung aus. Weitaus höher ist sein Stellenwert in der
       Aquaristik. Stinte werden in Norddeutschland und den Benelux-Staaten
       massenweise in riesigen Anlagen gezüchtet, um als Haustier oder in Zoos
       gehaltenen Raubfischen jeglicher Art als Futterfische zu dienen.
       
       Ob die Elb-Stinte in diesem Jahr doch noch zu ihren Laichplätzen schwimmen
       können, entscheiden letztlich weder die Umweltbehörden der Anrainerländer
       noch Vattenfall. Zuständig ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Die
       für Geesthacht zuständige Unterabteilung sitzt in Lauenburg. Sie hat
       zunächst das Funktionieren des Stauwehrs im Auge. Die Fischtreppen
       erscheinen da eher nachrangig.
       
       6 Apr 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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