# taz.de -- Deutschland in der siebten Welle: Scheiße am Schuh
       
       > In der Kolumne „Zukunft“ blickt unser Autor monatlich ein Jahr voraus.
       > Der Auftakt handelt vom pandemiebedingt eingeschlossenen Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Wir schreiben das Jahr 2022 und Klopapier ist nun endgültig alle
       
       Wir schreiben das Jahr 2022. Überall ist die Pandemie vorbei, nur in
       Deutschland schlägt die siebte Welle erbarmungslos zu. Im Volksmund heißt
       sie „Welle der Gnade“, nachdem die sechste noch „Welle der Hoffnung“
       genannt wurde. Klopapier ist endgültig alle. Sämtliche Grenzen sind
       geschlossen, diesmal allerdings von außen. Nachbarschaft ist eine feine
       Sache, wenn man sie sich leisten kann, aber die Seuche soll schön bleiben,
       wo sie ist.
       
       Noch immer herrscht on and off ein [1][butterweicher Eselsbrückenlockdown].
       Draußen sind nur Kännchen, drinnen ist gar nichts. Ehemalige Künstler
       arbeiten als Schnelltester vor Supermärkten. Wenn sie dabei Flöte spielen
       und lustige Hütchen aufhaben, schreien die Kinder weniger. Aber es war
       richtig, alle Impfungen auf über hundertjährige Männer zu beschränken, seit
       im Sommer 2021 zwei 13-jährige Mädchen beim Passieren eines Impfzentrums
       auf einmal unerklärliches Nasenbluten bekamen.
       
       In seinem Exil in Florida ist sich Jens Spahn dennoch sicher: „Deutschland
       macht es sehr gut.“ Solche Vorschusslorbeeren für seine Amtsnachfolgerin
       Julia Klöckner hätten wir dem früheren Bundesgesundheitsminister gar nicht
       zugetraut. Doch geht es um sein Land, stellt er eigene Eitelkeiten
       selbstlos hintan. Immerhin sind ja noch genug Menschen für eine
       tausendköpfige Schwurbeldemo übrig – da kann es so schlimm nicht sein.
       
       ## Früher Urologe, heute Zukunftsleser
       
       Besser geht natürlich immer – hier sind sich Baerbock/Söder, die neue
       Doppelspitze im Bundeskanzleramt, einig. Eine Taskforce aus Andi Scheuer,
       Dieter Bohlen und Jogi Löw soll es richten. Grass und Juhnke sind ja leider
       schon tot und Harry Potter gibt es nicht wirklich. „Hast du heute Scheiße
       am Schuh, ist sie morgen auch noch dran“, resümiert weise mein polnischer
       Futurologe Zbigniew.
       
       Früher war er mein Urologe, doch als er merkte, dass er per Ultraschall aus
       meinem Nierensand auf die dritte Kommastelle genau die Zukunft lesen kann,
       stand seine neue Berufung fest. Seitdem ist er meine persönliche Maja
       Göpel, mein Hanussen, mein Teiresias. Daneben berät er die Bundesregierung
       und verrät den Eichhörnchen im Park, wo sie ihre Nüsse versteckt haben.
       
       Zur jährlichen Prostatavorsorge [2][gehe ich nun immer zu Dr. Streeck]. Der
       hatte in seinem alten Job als Virologe wenig Fortune und übernahm deshalb
       dankbar Zbigniews Praxis. Vor deren morgendlicher Öffnung hilft er
       ehrenamtlich bei der Müllabfuhr – das hat das RKI nach der „Welle des
       Mitgefühls“ im Seuchenwinter 21/22 veranlasst, um endlich seine
       überschüssigen Kräfte zu binden: Orange is the new white.
       
       27 Apr 2021
       
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