# taz.de -- EU-Sanktionen gegen China: Eine halbgare Drohung
       
       > Sanktionen helfen nicht. Die Europäische Union sollte einen eigenen Weg
       > gehen: auf Verhandlungen und öffentlichen Druck setzen.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die Unterdrückung der Uiguren vor der chinesischen Botschaft in Brüssel am 02.10.2020
       
       Wer mit chinesischen Regierungsvertretern über den Genozidvorwurf in
       Xinjiang debattiert, bekommt dieser Tage eine deutliche Retourkutsche: Was
       ein Völkermord sei, heißt es dann, würde man im Land des Holocausts ja aus
       der eigenen Geschichte kennen. Mit dem, was in der westchinesischen Provinz
       passiere, habe dies aber überhaupt nichts zu tun.
       
       Und dennoch hat [1][erstmals seit über drei Jahrzehnten die europäische
       Union Sanktionen gegen Peking] verhängt. Wie so vieles, was die 27
       Mitgliedsstaaten beschließen, ist auch jene historische Maßnahme vor allem
       eine Kompromisslösung. Als wolle man sagen: Zwar können wir Chinas
       Menschenrechtsverbrechen gegen die Uiguren nicht einfach hinnehmen, doch so
       richtig provozieren wollen wir die Volksrepublik nun auch wieder nicht.
       
       Für Pekingkritiker werden die Sanktionen nicht weit genug gehen.
       Tatsächlich sind sie bei näherer Betrachtung ziemlich zahnlos: Die
       Vermögenswerte einiger Parteivertreter, die maßgeblich für das Lagersystem
       in Xinjiang verantwortlich sind, werden eingefroren, zudem dürfen sie
       künftig nicht mehr nach Europa einreisen. Doch gleichzeitig werden die
       EU-Repressionen keineswegs ihr Ziel erreichen – nämlich die Situation in
       Xinjiang zu verbessern. Im Gegenteil: Pekings Staatsführung muss auch
       weiterhin eingebunden werden – politisch wie auch wirtschaftlich. Dies wird
       umso wichtiger, als eine militärische Auseinandersetzung zwischen den USA
       und China als Damoklesschwert über der Weltbevölkerung kreist.
       
       Ohnehin erinnern die Tendenzen [2][in den USA, wo mittlerweile jeder in
       China geborene Doktorand unter Spionageverdacht steht], an die historische
       Kommunistenjagd unter McCarthy.Die europäische Union sollte einen eigenen
       Weg gehen – und auf Verhandlungen und öffentlichem Druck setzen. Denn allzu
       oft, so hat die Geschichte bewiesen, hat die Volksrepublik genau dann ihre
       Repressionen im Inland angezogen, je mehr sie sich von außen bedroht sieht.
       
       Sanktionen sind ein dementsprechend fragwürdiger Weg, weil sie nicht selten
       gegenteilige Effekte erzielen. Wie zum Beweis hat Pekings Staatsführung nur
       wenige Stunden nach den EU-Maßnahmen ihrerseits reagiert – und Sanktionen
       gegen 10 europäische Politiker und Akademiker sowie 4 Institutionen
       verhängt. Zweifelsohne ist Chinas Reaktion unverhältnismäßig und
       unangemessen. Dennoch wäre es umso verheerender, wenn sich Europa auf diese
       gefährliche Eskalationsspirale einlässt. An dessen Ende kann es nur
       Verlierer geben, keine Gewinner.
       
       23 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neuer-EU-Menschenrechtsmechanismus/!5754897
 (DIR) [2] /Studie-ueber-Zwangsarbeit-in-Tibet/!5711777
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) EU-Sanktionen
 (DIR) Uiguren
 (DIR) Minderheitenpolitik
 (DIR) KP China
 (DIR) China
 (DIR) EU-Sanktionen
 (DIR) KP China
 (DIR) EU-Sanktionen
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Chinas Zorn trifft H&M: Modemarke unter Beschuss
       
       Die Entscheidung des schwedischen Bekleidungsriesen, keine Baumwolle mehr
       aus Xinjiang zu beziehen, zieht in China einen Shitstorm nach sich.
       
 (DIR) Vor dem EU-Gipfel: Auf Schmusekurs mit der Türkei
       
       Beim EU-Treffen am Donnerstag und Freitag setzt Brüssel auf eine
       Wiederannäherung an die Erdoğan-Regierung. Sanktionen sind vom Tisch.
       
 (DIR) Sanktionen zwischen China und EU: Macht und Moral
       
       Die EU-Sanktionen gegen China kommen spät, sind aber wichtig. Nicht zuletzt
       für die eigenen Ansprüche der EU.
       
 (DIR) EU-Sanktionen gegen China: Brüssel teilt aus
       
       Auch einzelne Personen kann die EU neuerdings sanktionieren. Sie geht sogar
       gegen Handelspartner China vor. Nur ein Land bleibt verschont.
       
 (DIR) Neuer EU-Menschenrechtsmechanismus: Brüssel will China bestrafen
       
       EU-Staaten einigen sich wegen der Unterdrückung der muslimischen Minderheit
       der Uiguren auf Sanktionen gegen China.
       
 (DIR) Studie über Zwangsarbeit in Tibet: Tibeter müssen in Lagern arbeiten
       
       China betreibt auch in Tibet Lager, wie sie in Xinjiang zur Zwangsarbeit
       benutzt werden. Offiziell dienen sie der Ausbildung und
       Wirtschaftsförderung.
       
 (DIR) Unterdrückung von Uiguren in China: Verbotener Kinderwunsch
       
       China reduziert laut einem Medienbericht die Geburtenrate der Muslime in
       Xinjiang stark – mit Zwangsabtreibungen und Strafverfolgung.