# taz.de -- Saisonstart der Profiradler: Motor der Normalität
       
       > Paris-Nizza oder Tirreno Adriatico: Die Szene der Pedaleure startet
       > voller Zuversicht in den Frühling, trotz hoher Indizidenzwerte in
       > Frankreich.
       
 (IMG) Bild: Irre schneller Ire: Sam Bennett genießt seinen Sieg bei der 1. Etappe von Paris-Nizza
       
       Der Radsport ist zurück auf der Straße. Die Fernfahrt Paris–Nizza startete
       wie geplant am Sonntag in Saint-Cyr, vorm Sitz einer von Napoleon
       gegründeten Militärschule bei Paris. Polizisten hoch zu Pferd
       patroullierten und schauten, ob die Zuschauer*innen brav die Masken
       aufhatten. Hatten sie, weitgehend zumindest. Die Infektionszahlen liegen
       schließlich auch hoch, [1][bei 21.000 Neuansteckungen am Tag].
       
       Die Neuigkeit war eher, dass überhaupt Publikum erlaubt war beim Rennen.
       Der Parkplatz der Teambusse war zwar abgesperrt, aber links und rechts der
       Busse führten Wege entlang, von denen aus die Fans Blicke auf ihre
       Lieblinge werfen konnten. Auch zu den Bergwertungen der ersten Etappe in
       die Wälder rings um das – weiterhin geschlossene – Prunkschloss Versailles
       hatten sich Familien zum Sonntagsausflug aufgemacht. Picknicktische wurden
       etwas tiefer in den Wäldern aufgebaut, beim Ansturm des Pelotons eilte man
       schnell an die Strecke.
       
       Dort war das Einrollen bei der ersten World-Tour-Rundfahrt auf europäischem
       Boden in dieser Saison schnell durch Stürze unterbrochen. „Es war ziemlich
       hektisch“, teilte Vorjahresgewinner Maximilian Schachmann der taz mit.
       Richie Porte, zwei Mal bereits Gewinner der Rundfahrt und im letzten Jahr
       Tour-de-France-Dritter, musste nach einem Crash sogar aussteigen.
       
       Es war also der gewohnte Auftakt einer Radsportsaison. Alle sprühen vor
       Ehrgeiz. „Bei Paris–Nizza ist ja schon ein Niveau wie bei der Tour de
       France“, sagte Simon Geschke, mit dem neuen Team Cofidis beim „Rennen zur
       Sonne“ am Start, der taz. Und mit dem Ehrgeiz und den frischen Kräften wird
       es dann eben manchmal eng.
       
       ## Mehr PCR-Tests als Dopingtests
       
       Generell freuen sich die Rennfahrer, dass es wieder losgeht. „Letztes Jahr
       mit der langen Pause war schon schwierig. Man wusste nicht, wann und wie es
       weitergehen wird und wofür man trainiert. Dieses Jahr sieht es ja so aus,
       als würden die meisten Rennen stattfinden. Es hat sich auch gezeigt, dass
       die Hygieneregeln im Radsport funktionieren. In der Blase gab es
       verhältnismäßig wenig Infektionen“, sagte Geschke.
       
       Die Hygieneregeln sind die gleichen wie im Vorjahr. Sechs und drei Tage vor
       den Rennen muss ein PCR-Test abgeliefert werden. PCR-Tests haben Radprofis
       daher mittlerweile häufiger als Dopingtests. Auf etwa 30 Tests kam seit
       letztem August, seit Beginn der komprimierten Saison 2020, der Berliner
       Roger Kluge, erzählte er der taz. Kluge steht [2][am Mittwoch beim Tirreno
       Adriatico], der Fernfahrt zwischen Tyrrhenischem Meer und Adria, am Start.
       Dort hofft er auch auf Anfeuerung durch Zuschauer, aber auf maßvolle Weise.
       
       „Zuschauer gehören zum Radsport. Ich denke auch nicht, dass es jetzt
       Geisterrennen geben wird“, prognostiziert der Berliner Lotto Soudal-Profi.
       „Es hat sich ein bisschen normalisiert. Es werden keine Massen im Start-
       und Zeilbereich sein. Aber Zuschauer, die an der Strecke wohnen, werden
       herauskommen. Das wird anders sein als noch bei der Tour de France, als die
       Zuschauer ja direkt aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben“, sagte er.
       Als gefährlich schätzt er vor allem Start und Ziel ein. „Dort stehen wir ja
       still, und der enge Kontakt ist gefährlicher, als wenn wir unterwegs an den
       Zuschauern vorbeirauschen. In den Bergen, wo wir langsamer sind, zählen sie
       hoffentlich die Leute ab, die auf den Berg dürfen.“
       
       Bei Paris–Nizza zumindest zählte bislang niemand ab. Zu den Bergwertungen
       pilgerten am Sonntag Zuschauer in Scharen. Zumindest die familiären
       Verbünde hielten aber jeweils Abstand voneinander. Die Sehnsucht nach
       normalem Leben war spürbar. Und der Profiradsport, der eben nicht ein
       Geistersport in leeren Stadien und auf den Monitoren ist, erweist sich
       zumindest im Radsportland Frankreich als Motor der Normalität.
       
       Wie schlau das ist, wird man erst später wissen. Interessant ist aber, dass
       die Angst jetzt, bei Infektionszahlen von 21.000 Fällen pro Tag im Land,
       geringer ist als bei der Austragung vor einem Jahr. Da lagen die Zahlen
       zwischen 200 und 1.200 Ansteckungen pro Tag. Sieben World-Tour-Teams
       blieben dem Rennen fern, zwei weitere stiegen aus. In diesem Jahr hingegen
       ist trotz wesentlich höherer Ansteckungsrate das Zutrauen in den rollenden
       Zirkus riesengroß.
       
       8 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=cases+corona+france
 (DIR) [2] https://www.tirrenoadriatico.it/en/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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