# taz.de -- Sperrstunde in den Niederlanden: Ins eigene Knie geschossen
> Die Ausgangssperre mag im Kampf gegen Corona sinnvoll sein. Die Regierung
> hätte indes gut daran getan, juristisch sauber vorzugehen.
(IMG) Bild: Bitte radeln Sie nachhause: Die Polizei kontrollierte am Dienstag die Einhaltung der Sperrstunde
Das aufgeladene Thema [1][Ausgangssperre ist in den Niederlanden] um eine
dramatische Zuspitzung reicher. An ihrer Einführung im Januar entzündeten
sich gewaltsame Proteste. Am Dienstag nun wurde die bislang drastischste
Maßnahme der Coronabekämpfung zunächst von einem Gericht mit sofortiger
Wirkung kassiert, weil die Notfallsituation, auf der sie basierte,
juridisch nicht haltbar sei. Die Regierung ging jedoch in Berufung und
erwirkte per Schnellverfahren einen vorläufigen Aufschub.
Bis zum Urteil am Freitag also bleibt die Sperrstunde. Und nach aller
Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus, denn das bis zu den Wahlen im März
[2][nur noch kommissarisch tätige Kabinett] will die Maßnahme per
Schnellgesetz erhalten. Die beratenden Virologen halten sie im Kampf gegen
die dritte Coronawelle für unerlässlich. Unabhängig vom für sie günstigen
Ergebnis des Berufungsverfahrens ist der Regierung erheblicher Schaden
erwachsen.
Zum einen, weil sich die Klägerin gegen die Sperrstunde, die inhaltlich im
Querdenker-Spektrum anzusiedelnde Stiftung „Virus-Wahrheit“, nun
wirkungsvoll als Opfer der vermeintlichen Coronadiktatur inszeniert. Daran
ändert auch nichts, dass deren Galionsfigur Willem Engel nach dem Urteil
seinen hanebüchenen Fantasien freien Lauf ließ von Plätzen voller feiernder
Menschen.
Zum anderen macht das juristische Tauziehen erneut deutlich, wie Mark
Ruttes Mitte-rechts-Regierung mit ihrer von Pannen gezeichneten
Coronapolitik die eigene Position untergräbt. Die Kritik an ihrem Kurs ist
bisweilen wohlfeil und populistisch. Was freilich nicht sagt, dass
Maßnahmen, die derart drastisch in freiheitliche Grundrechte einschneiden,
rechtsstaatlich wasserdicht unterbaut werden müssen – auch und gerade weil
die [3][Mehrheit der Niederländer sie akzeptiert].
Das Gebot der Stunde in dieser komplexen Konstellation heißt doppelte
Wachsamkeit: gegenüber den Komplott-Inszenierungen der Coronaleugner, aber
auch gegenüber der Regierung, die es in Anbetracht der fortgesetzten
Krisenlage mit ihren Vollmachten nicht mehr so genau nimmt.
17 Feb 2021
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## AUTOREN
(DIR) Tobias Müller
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