# taz.de -- Die Wahrheit: Feiern in der Strafkolonie
       
       > Wanderer, kommst du nach Mayo, hüte dich vor dem Virus! In der armen und
       > entlegenen irischen Grafschaft grassiert seit Weihnachten Corona.
       
       Joe Biden muss sich in Acht nehmen. Der US-Präsident will bald wieder mal
       nach Irland reisen und Mayo besuchen, weil dort seine Familie herkommt.
       Schon Heinrich Böll wunderte sich, warum Iren immer „God help us“ sagen,
       sobald der Name der entlegenen Grafschaft fällt.
       
       Belmullet liegt in einem entlegenen Winkel Mayos. Der Ort mit rund tausend
       Einwohnern gilt als Strafkolonie. Wenn Dubliner Beamte sich etwas
       zuschulden kommen lassen, werden sie nach Belmullet versetzt. Hat das Kaff
       die höchste Corona-Infektionsrate in Irland, weil die Beamten das Virus aus
       Dublin einschleppen? Ende vorigen Jahres waren es mehr als 6.000 Fälle pro
       100.000 Einwohner, das Vierfache des landesweiten Durchschnitts.
       
       Der Hauptgrund dafür soll aber das Endspiel im gälischen Fußball sein.
       Dieser irische Nationalsport hat nur entfernt etwas mit herkömmlichem
       Fußball zu tun. Bei der irischen Variante zählt ein Tor drei Punkte, und
       fliegt der Ball, der auch mit der Hand gespielt werden darf, über die
       Querlatte zwischen den verlängerten Pfosten hindurch, gibt es auch einen
       Punkt.
       
       Das Endspiel fand kurz vor Weihnachten statt. Mayo hatte die Trophäe seit
       siebzig Jahren nicht mehr gewonnen, und so drängelten sich sämtliche
       Einwohner in Hotelbars und bei Nachbarn im Wohnzimmer, um gemeinsam das
       schwere Spiel gegen Dublin im Fernsehen zu verfolgen, während das Virus
       leichtes Spiel hatte.
       
       Mayo gehörte schon immer zu den ärmsten Grafschaften, daher ist die
       Auswanderungsrate hoch. Zu Weihnachten kehren die Emigranten meistens in
       die Heimat zurück. Diesmal brachten sie neben Geschenken auch die neue
       britische Virusvariante mit. Sie feierten ausgelassen mit Verwandten,
       Nachbarn, Freunden und viel Alkohol. Das Virus feierte mit.
       
       Die Regierung hatte die Restriktionen für Weihnachten gelockert, um ein
       paar Pluspunkte zu sammeln, denn die Iren sind besessen von dem Fest und
       geben dafür mehr Geld aus als alle anderen Nationen. Am zweiten Feiertag
       galt jedoch wieder der Lockdown.
       
       Das größte Hotel in Belmullet, das Broadhaven Bay Hotel, scherte sich aber
       nicht darum und öffnete trotzdem. So mancher, der wegen Überfüllung der Bar
       nicht ins Hotel durfte, kletterte durchs Fenster, um einen Platz an der
       Theke zu ergattern. Wer schlau war, hatte ein Hotelzimmer gebucht und
       durfte Freunde in die Hotelbar einladen. Dort tummelten sich bis zu 500
       Menschen, und nur eine Handvoll trug eine Maske, berichtete ein Augenzeuge.
       
       Der Hotelmanager erklärte, man kenne die Quelle dieser „auf mehreren Ebenen
       höchst unrichtigen Behauptungen“ nicht und könne deshalb keine Stellung
       dazu nehmen. Jedenfalls stieg die Infektionsrate in Belmullet nach
       Weihnachten um 900 Prozent.
       
       Biden sollte sich seinen Besuch in der Heimat seiner Ahnen also gut
       überlegen. Es gibt ohnehin nichts mehr zu feiern: Weihnachten ist vorbei,
       und Mayo hat das Endspiel gegen Dublin verloren.
       
       15 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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