# taz.de -- Die Wahrheit: Auch mal das Gute sehen
       
       > Das große C bringt nicht nur Schlechtes hervor, auch Satiriker können
       > lernen, selbst von Trotteln, die im Leben nichts kapieren.
       
       Kommt jetzt das Sprechverbot in Bus und Bahn?“, fragt Bild. Verdammt, so
       ganz allmählich wird dieses Virus mir noch richtig sympathisch.
       
       Vielleicht sollte man mal die Vorzüge von allem loben, was seit dem
       Ausbruch des nicht-mehr-ganz-so-neuartigen Coronavirus passiert ist. Ich
       weiß zwar, welches Elend damit verbunden ist. Aber es wird ja auch nicht
       besser, wenn alle deswegen noch übellauniger als ohnehin schon durch die
       Welt … Quatsch, durch ihre Wohnung schleichen.
       
       Das Virus ist auch eine Lektion in Demut. Damit meine ich nicht das
       sonntagspredigtmäßige „Da sieht man wieder, dass wir nur kleine Nussschalen
       auf dem großen Ozean von Welt und Natur sind“, dieses küchenphilosophische
       Gefasel überlasse ich den Käßmanns und Steinmeiers. Apropos: Was macht
       eigentlich Joachim Gauck gerade?
       
       Ich meine die Selbstwahrnehmung, auch von uns Satirikern. Satirische Texte
       bestehen zu einem gewissen Grad darin, es besser zu wissen, sich über
       andere zu erheben. Was völlig in Ordnung ist, zumal ich es halt nun mal
       auch besser weiß.
       
       Aber wer von uns Besserwissern hätte vor einem Jahr näherungsweise
       vorhergesagt, was da auf uns zukommt? Dabei hätte man ahnen können, dass
       China nicht zum Spaß Millionenmetropolen unter Komplett-Quarantäne stellt.
       Trotzdem hätte ich all das nie für möglich gehalten. Den Lockdown nicht.
       Dass in Berlin die Kneipen schließen erst recht nicht. Dass Toni in unserem
       Spätkauf nachts keinen Alkohol mehr verkauft … Gut, zugegeben, das war nur
       ein paar Tage lang so, jetzt ist längst alles wieder normal. Trotzdem:
       Mehrere Nächte kein Alkohol bei Toni – zuvor undenkbar!
       
       Es würde mich wundern, wenn irgendjemand, der Chinakenner Christian Y.
       Schmidt vielleicht ausgenommen, nicht dauernd falschgelegen hat mit seinen
       Lageeinschätzungen. „Spätestens im Herbst stehen wir alle wieder ganz
       normal auf der Bühne“, habe ich im ersten Lockdown noch behauptet.
       Stattdessen lese ich meine Texte nun seit Monaten in Livestreams vor. Dass
       so etwas klappen und sogar Spaß machen kann, mit all den Kommentaren und
       über den Bildschirm fliegenden Herzen und den erfreulich fließenden
       Spenden, hätte ich vor einem Jahr vehement als völligen Unsinn
       zurückgewiesen.
       
       Vielleicht denken wir später gelegentlich daran, bei alkoholgeschwängerten
       Diskussionen oder beim Schreiben von Texten, die sich über die ganzen
       Trottel lustig machen, die völlig falschliegen mit ihrem Gerede. Auch wenn
       das nichts daran ändert, dass die ganzen Trottel völlig falschliegen mit
       ihrem Gerede.
       
       Auf dem Weg zum Bäcker morgens treffe ich Silvia. „Mensch, Heiko“, ruft sie
       enthusiastisch, „lange nicht gesehen! Ich würd’ dich jetzt ja gern umarmen
       zur Begrüßung, aber das geht ja gerade nicht.“
       
       Doch, ganz bestimmt: Man muss wirklich auch mal das Gute sehen an dieser
       ansonsten schier endlosen Pandemie.
       
       12 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heiko Werning
       
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