# taz.de -- Geheimdienste in Belarus: Es muss wie ein Unfall aussehen
       
       > 2012 sprechen Mitarbeiter des KGB über Morde an oppositionellen
       > Belarussen in Deutschland. Jetzt ist ein Mitschnitt öffentlich geworden.
       
 (IMG) Bild: Der ukrainische Präsident Poroschenko erweist dem Journalisten Scheremet die letzte Ehre, Juli 2016
       
       Berlin taz | Dem belarussischen Noch-Präsidenten Alexander Lukaschenko
       droht neues Ungemach. Ein 25-minütiger Tonbandmitschnitt aus dem Jahr 2012,
       den die Onlinezeitung Euobserver.com jetzt veröffentlichte, lässt tief
       blicken, und zwar in das Innenleben des belarussischen Geheimdienstes KGB.
       
       Bei dem Treffen, das am 11. April 2011 in Minsk stattfand, tauscht sich der
       damalige KGB-Chef Wadim Zaitsew mit zwei Mitgliedern der
       KGB-Antiterroreinheit „Alpha“ darüber aus, wie mehrere Regimekritiker zu
       beseitigen seien. Dabei geht es um vier Oppositionelle, von denen drei in
       Deutschland im Exil leben – darunter der frühere Direktor des Minsker
       Untersuchungsgefängnisses Nr.1, Oleg Alkajew, sowie der Journalist Pawel
       Scheremet.
       
       Lukaschenko habe über 1,5 Millionen US-Dollar (1,2 Millionen Euro) auf
       einem speziellen Konto geparkt, und er wolle Resultate sehen, hört man
       Zaitsew sagen. „Es ist klar, wie wir jemanden ertränken oder erschießen
       können. Aber eine zufällige Explosion auszulösen oder einen Brand zu legen,
       ohne dabei Spuren zu hinterlassen, das ist unklar.“
       
       Und über den Journalisten Scheremet, der zum damaligen Zeitpunkt in
       Russland lebte, gibt Zaitsew zu Protokoll: „Wir werden eine Bombe legen,
       und es wird diese verdammte Ratte in Stücke reißen. Die Beine in die eine
       Richtung, die Arme in die andere. Wenn alles natürlich aussieht, wird das
       den Menschen nicht so im Gedächtnis bleiben.“
       
       ## Tödliche Autobombe
       
       Den drei Belarussen im deutschen Exil passierte nichts, anders als
       [1][Pawel Scheremet]. Er wurde am 20. Juli 2016 in der ukrainischen
       Hauptstadt Kiew von einer Autobombe getötet. Die ukrainische Polizei
       kündigte am vergangenen Montag weitere Untersuchungen an. Sollten sich die
       Dokumente als authentisch erweisen, erhärte das den Verdacht, dass der
       belarussische KGB an der Tat beteiligt gewesen sei.
       
       Derzeit stehen drei Ukrainer wegen des Mordes an Scheremet vor Gericht. Sie
       weisen jegliche Schuld von sich. Was mögliche Drahtzieher angeht, tappen
       die Ermittlungsbehörden nach wie vor im Dunkeln.
       
       Das brisante Tonmaterial Euobserver.com zugespielt hatte Igor Makar. Der
       ehemalige Offizier der belarussischen Spezial-Antiterroreinheit „Almaz“ hat
       die Seiten gewechselt und engagiert sich jetzt im Rahmen des Projektes
       „Belarussisches Volkstribunal“ für die Opposition. Dessen Ziel ist es,
       Verantwortliche für die anhaltende Polizeigewalt in Belarus dingfest zu
       machen und perspektivisch vor Gericht zu bringen.
       
       Er sei bereit, die Authentizität der Tonbandaufnahmen auch vor Gericht zu
       bezeugen, sagte der 37-jährige Makar dem russischsprachigen Onlineportal
       Current Time. Ihm selbst sei das Material bereits 2012 von einer Quelle im
       belarussischen KGB zugespielt worden.
       
       ## Personenschutz angeboten
       
       „Ich habe damals nichts weiter unternommen, weil sonst mein Leben in Gefahr
       gewesen wäre“, sagte Makar. Jedoch habe er sich wegen des
       Ex-Gefängnisdirektors Oleg Alkajew, einem engen Freund, an US-Diplomaten um
       Hilfe gewandt. Daraufhin sei Alkajew von der deutschen Polizei
       Personenschutz angeboten und empfohlen worden, Deutschland auf keinen Fall
       zu verlassen. Kurz darauf sei KGB-Chef Wadim Zaitsew von seinem Posten
       abgezogen worden.
       
       Warum er das Material erst jetzt in Umlauf gebracht habe, erklärt Makar mit
       [2][der aktuellen politischen Situation in Belarus]. „Nach der
       Präsidentenwahl am 9. August habe ich gesehen, wie stark die belarussische
       Bevölkerung gegen diese Gesetzlosigkeit zusammenhält. Da wurde mir klar,
       dass die Belarussen jetzt meine Unterstützung brauchen“, zitiert ihn der
       ukrainische Onlinedienst focus.ua unter Verweis auf ein Interview mit dem
       Radiosender European Radio for Belarus (ERB). Er lebe zwar jetzt in einem
       Staat der EU, so Makar, aber sicher fühle er sich nicht.
       
       6 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Terror-in-der-Ukraine/!5320927
 (DIR) [2] /Swetlana-Tichanowskaja-ueber-Belarus/!5733819
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Belarus
 (DIR) KGB
 (DIR) Alexander Lukaschenko
 (DIR) Osteuropa – ein Gedankenaustausch
 (DIR) Belarus
 (DIR) Kolumne Notizen aus Belarus
 (DIR) Kolumne Notizen aus Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Pawel Scheremet
 (DIR) Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Besuch im KGB-Museum in Riga: Ein allgegenwärtiges Erbe
       
       Das KGB-Museum in Riga dokumentiert den jahrzehntelangen Terror des
       sowjetischen Geheimdienstes. Auch in Lettland fielen ihm Tausende zum
       Opfer.
       
 (DIR) Klamotten in Belarus: Die falsche Hose
       
       Ein Galonstreifen in weiß-rot-weiß bringt einer Frau in Grodno eine
       Geldstrafe ein. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge
       59.
       
 (DIR) Rentner in Belarus: Immer noch auf der Jagd
       
       Ein 84-Jähriger geht auf jede Demo der Opposition und ist zum Symbol
       geworden. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 52.
       
 (DIR) Staatssymbole in Belarus: Ein wenig renoviert
       
       Seit Jahresbeginn gibt es ein neues Wappen. Wie unterscheidet es sich von
       dem alten? Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 50.
       
 (DIR) Swetlana Tichanowskaja über Belarus: „Die Menschen sind müde“
       
       Eigentlich wollte sie nie Politikerin werden, doch jetzt vertritt Swetlana
       Tichanowskaja die Sache vieler Belaruss*innen. Ein Interview.
       
 (DIR) Kriminalität in der Ukraine: Spur führt nach rechts
       
       Im Fall des 2016 ermordeten Journalisten Pawel Scheremet wurden fünf
       Verdächtige festgenommen. Sie sollen aus dem rechtsradikalen Milieu
       stammen.
       
 (DIR) Terror in der Ukraine: Tödlicher Anschlag auf Journalisten
       
       Pawel Scheremet stirbt bei der Explosion einer Autobombe im Zentrum von
       Kiew. Er war ein erklärter Kritiker der russischen Ukraine-Politik.