# taz.de -- Die Wahrheit: Den Feind mit Blei impfen
       
       > Bei der Truppe ist man derzeit so gar nicht amused, geht es um eine
       > Corona-Impfpflicht für die Soldatinnen und Soldaten.
       
 (IMG) Bild: Hier hat das Virus keine Chance, bei Handgemengelage aber hallo!
       
       „Wer töten will, muss leben.“ Auf diese einfache Formel bringt es
       Propagandageneral Düsenberg, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums,
       in der Aula der Ernst-Jünger-Kaserne in Stahlheim. Seine Stimme wird
       mütterlich warm, als er vor der versammelten Presse weiter ausführt: „Nur
       wer sich selbst impfen lässt, kann auch den Feind mit Blei impfen.“
       
       Anberaumt wurde die Pressekonferenz wegen einer intern viel diskutierten
       Entscheidung: Eine Ausweitung der Impfpflicht für Angehörige der Bundeswehr
       steht kurz bevor. In Zukunft soll darin auch der Schutz gegen das
       Coronavirus enthalten sein. Denn die Anforderungen für die Soldaten sind
       speziell. Die Enge in den Unterkünften und U-Booten, Panzern und Flugzeugen
       bietet einen idealen Nährboden für das nimmersatte Virus.
       
       Das gilt auch für den Kampfeinsatz. Dabei ist der Feindkontakt, bei dem der
       Laie denken möchte, die Gefahr der Clustervermischung sei besonders hoch,
       noch gar nicht mal das Hauptproblem. Bei den herkömmlichen Distanzwaffen
       wie Sturmgewehr, Artilleriegeschütz und Kampfflugzeug ist das Risiko
       äußerst überschaubar. Die Distanzwaffe ist quasi das Neuseeland der
       modernen Kriegsführung: sicher, effektiv, inzidenzfreundlich.
       
       Gefährlicher ist eine Handgemengelage. Daher soll die Ächtung des unter den
       Kombattanten so beliebten Nahkampfs mit Bajonett und Würgegriff zumindest
       für die Zeit der Pandemie in den Genfer Konventionen verankert werden. Denn
       die Ansteckungsgefahr ist hier zurzeit zu hoch. Da muss man einfach mal
       vernünftig sein und ein paar Abstriche machen, so schwer es auch fallen
       mag.
       
       ## Hygienisch bedenklicher Terror
       
       Hygienisch bedenklich bleiben jedoch weiterhin alle Aufgaben, die mit dem
       systematischen Terror gegen die Zivilbevölkerung verbunden sind. Hier kommt
       es fast zwangsläufig zur riskanten Unterschreitung des erforderlichen
       Mindestabstands. Zwar ist die Ermordung von Zivilisten durch den Einsatz
       von Drohnen unter Einhaltung sämtlicher Hygienestandards möglich, doch der
       klassische Übergriff ist nach wie vor reine Handarbeit.
       
       Vergleichsweise sicher ist noch das Brandschatzen, denn dabei tritt der
       umsichtige Soldat ja ohnehin ein Stück zurück, um sich nicht selbst in
       Gefahr zu bringen. Doch bereits beim Plündern kann es im Eifer des Gefechts
       schnell zu infektionsbegünstigenden Situationen kommen. Man weiß nie, ob
       nicht zuletzt ein Infizierter den konfiszierten Teppich berührt hat, oder
       der Zivilist, dem man die goldene Uhr aus der Hand reißt, neben den
       Schussverletzungen gerade auch mit Corona stirbt.
       
       Noch heikler sind Folter und Vergewaltigungen, bei denen sich das
       Militärpersonal unverantwortlichen Risiken ausgesetzt sieht. „Da purzeln
       die Abstände schnell mal auf ein Minimum“, lacht Oberlazarettpfleger
       Brinkmann. Doch es ist ein bitteres Lachen, aus dem die Sorge für seine
       Schützlinge deutlich hervorklingt. Während er zugeschaltet in einem
       Schützengraben vor Kundus zu klassischer Musik einem Landsknecht das Bein
       absägt, spricht er sich klar für eine Impfpflicht aus, denn „wir müssen
       alles dafür tun, um unsere Jungs und Mädels wieder gesund nach Hause zu
       bringen“.
       
       ## Kritische Untergebene
       
       Vor allem unter den Mannschaftsdienstgraden ist die Impfung allerdings
       umstritten. „Das tut doch weh“, gibt der Untergefreite Harmsen zu bedenken.
       Der stämmige Soldat aus Winsen/Luhe unterbricht eigens das Wettpinkeln auf
       die Schädel der Feinde im fröhlichen Kameradenkreis, um uns nach der
       Pressekonferenz via Zoom Rede und Antwort zu stehen. „Die stechen mir da
       mit einer langen spitzen Nadel in den ungeschützten Oberarm. Hallo? Merkt
       denn hier überhaupt noch einer irgendwas? Auch die Langzeitwirkungen sind
       null erforscht. Bei einer Kugel oder Handgranate ist das alles erprobt bis
       zum Get-no. Und wenn mir eine Mine das Bein abreißt, weiß ich sofort
       Bescheid. Aber ob sich so ein Impfchip dann entzündet oder mich direkt in
       den Dungeon des Bundeskanzleramts beamt, kann und will mir natürlich keiner
       sagen.“
       
       Schaluppenleutnant zum Lande Steiner lässt, bei einem Parkspaziergang (2
       Haushalte) mit diesen Aussagen konfrontiert, dennoch nichts auf seine
       Untergebenen kommen. „Der deutsche Landser hat keine Angst vor einer
       Spritze – das ist doch lachhaft … huch, Hilfe!“ Ratatatat! Mit einer Salve
       aus seiner Uzi füsiliert der Offizier ein passiv aggressives Eichhörnchen.
       „Ich glaube, das wollte mich beißen“, kreischt er, doch dann kehrt auch
       schon wieder die viel gerühmte Nervenstärke des deutschen Offiziers mit
       einem Kampfruhepuls von hundertzehn zurück. Vorbildlich.
       
       Den Ausschlag werden am Ende ohnehin versicherungstechnische Aspekte geben.
       Schließlich will der Bund im Schadensfall nicht für Soldatenversäumnisse
       aufkommen. Das manifestiert sich auch in der von AOK und
       Verteidigungsministerium inszenierten Kampagne: „Erkrankt der Mann beim
       Marodieren / Kriecht er hernach auf allen Vieren / Weil er Angst vorm
       Impfen hat / Die Zeche zahlt nun Mutti Staat“.
       
       20 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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