# taz.de -- Hindu-Tempel in Neukölln bald fertig: Im Tempel Heimat finden
       
       > Seit zehn Jahren wird in der Hasenheide ein Hindu-Tempel gebaut. Noch
       > fehlt das Dach. Doch im Herbst soll der Tempel eröffnet werden – so
       > Corona will.
       
 (IMG) Bild: Fast fertig ist der hinduistische Tempel in der Hasenheide in Neukölln, hier der prachtvolle Turm
       
       Berlin taz | Der Turm ist fertig. Von außen. Unten ist er in einem
       graublauen Ton gestrichen, oben in einem Gelb, das golden sein soll. Und da
       sei ja auch Goldstaub in die Farbe gerührt worden, „aber wer hat schon so
       viel Gold“, sagt Vilwanathan Krishnamurthy. Wichtig seien die Ideen: Grau,
       das sei die Farbe der Erde. Gold die 07:00Farbe der Göttlichkeit.
       
       Verziert ist der Turm mit 290 Statuen von Göttern, vierarmig sind die
       meisten. Sie können in alle Himmelrichtungen, ins ganze Universum also
       deuten. Dazu sind sie mit allen denkbaren Attributen von Tieren versehen
       und viele hocken in einer meditativen Haltung. 33 Millionen Götter gibt es
       im Hinduismus, sagt der 69-jährige Neuköllner, durcheinander könne man da
       schon kommen. Jeder einzelne Gott stehe fürs Ganze.
       
       Der Turm ist der Eingang zum Hindu-Tempel, an dem in der Hasenheide 106 in
       Berlin, direkt neben Bowlingbahn, Bauhaus und Wettbüro, [1][seit zehn
       Jahren gebaut wird]. Man müsse sich den Turm als die Füße eines liegenden
       Gottes denken, erklärt Krishnamurthy. Zwischen denen geht der Gläubige
       durch und betritt die dahinter liegende Tempelhalle dann durch eine Tür,
       die der Bauchnabel der liegenden Gottheit sei.
       
       Die Halle, ungefähr 600 Quadratmeter groß, ist ihr Uterus. Anatomie und
       Symbolik sind nicht deckungsgleich. Wichtig nur zum Verständnis: „Ein
       Tempel ist in der hinduistischen Vorstellung weiblich.“ Wer aus dem Tempel
       kommt, soll sich wie neu, wie wiedergeboren fühlen, befreit von aller
       schlechten Energie.
       
       ## Tempel mit Fußbodenheizung
       
       Das Fundament mit Fußbodenheizung wie auch die Mauern der Tempelanlage und
       die darin angelegten fünf Schreine für die Gottheiten Shiva, Ganesha,
       Murga, Durga und Vishnu sind fertig. Jetzt warten sie auf das Dach. „Die
       erste Dachhälfte ist geliefert.“ Krishnamurthy zeigt den Baufortschritt.
       Vor vier Jahren, als die [2][taz zuletzt berichtete], war nur der
       eingerüstete Turm zu sehen.
       
       Um die Symbolik, die dem Tempelbau zugrunde liegt, zu vervollständigen, sei
       gesagt, dass man sich die Kuppel – die später noch auf das Dach des Tempels
       gesetzt wird – als Kopf der Gottheit denken müsse. „Wenn das Dach drauf
       ist, kann es schnell gehen“, sagt Krishnamurthy.
       
       Für den Innenausbau hätten sie drei bis vier Monate veranschlagt. Corona
       mache es derzeit allerdings schwierig. Nur fünf Arbeiter dürfen
       gleichzeitig auf der Baustelle sein. Trotzdem: Nach jetzigem Plan soll der
       Tempel im Herbst 2021 eröffnet werden – in Anwesenheit von Politikern.
       „Modi kommt vielleicht“, der indische Premierminister. Das wünscht sich die
       Gemeinde. Und Franziska Giffey habe schon zugesagt. „Ob als
       Familienministerin oder Berliner Bürgermeisterin, weiß man noch nicht“,
       sagt Krishnamurthy.
       
       Giffey stand von 2015 bis 2018 dem Bezirk Neukölln als Bürgermeisterin vor.
       Sie war die Nachfolgerin von Bürgermeister Heinz Buschkowsky. Den kannte
       Krishnamurthy durch seine Arbeit im sozialen Bereich gut. Buschkowsky hat
       dafür gesorgt, dass der Tempel auf dem Grundstück gebaut werden kann.
       
       ## Gelände in Erbpacht für 85 Jahre
       
       Das Gelände wurde der hinduistischen Gemeinde für 85 Jahre in Erbpacht
       überlassen. Auf dem Grundstück stand eine alte, heruntergekommene
       Turnhalle. Diese hat die Gemeinde als Erstes hergerichtet und nutzt sie für
       Andachten und Feste. Viele Hochzeiten wurden hier schon geschlossen.
       Hinduistische und interreligiöse. Alle Religionen sind in Krishnamurthys
       Vorstellung gleich. „Hindus dürfen nicht missionieren.“ Einer seiner Söhne
       ist mit einer orthodoxen Christin liiert, der andere mit einer Katholikin.
       
       Krishnamurthy, der 1975 als „Gastarbeiter“ – sein Wort –, nach Berlin kam,
       immer zurück nach Südindien wollte, aber nie den richtigen Zeitpunkt dafür
       fand, hat geträumt, dass er einen Tempel bauen muss. „Ich bin nur das
       Werkzeug.“ Das Werkzeug Gottes. Als seine Frau von den Plänen ihres Mannes
       hörte, versuchte sie Einhalt zu gebieten: „Wir sind nicht die Leute, die
       Tempel bauen“, habe sie gesagt. Aber hätte Krishnamurthy es nicht getan, er
       wäre sein Leben lang die Schuld nicht losgeworden, sich gegen Gottes Wunsch
       versündigt zu haben.
       
       Fast traumwandlerisch ist er das Projekt angegangen. Das Wichtigste dabei:
       Mitstreitende finden. Denn einen Tempel zu bauen, ist nicht nur eine Sache
       der Ehre, sondern vor allem eine des Ehrenamtes. „Nur gemeinsam schafft man
       das.“
       
       Heute hat die Gemeinde 9.000 Mitglieder. Ein Drittel mehr als vor vier
       Jahren. „Viele junge Leute mit Blue Cards sind dazugekommen“; Leute aus dem
       IT-Bereich. Den Gemeindevorstand haben sie deshalb auf zehn Leute
       erweitert. So tragen mehr Menschen, auch die der jüngeren Generation, die
       Last. Denn es geht nicht nur darum, die Gemeinschaft zusammenzuhalten und
       den Tempel zu vollenden, es geht auch darum, Spenden zu akquirieren, um das
       alles finanzieren zu können.
       
       ## Hinduistischer Devotionalienshop
       
       Und ist der Tempel erst eröffnet, so hofft Krishnamurthy, wird er eine
       Touristenattraktion, was auch Einnahmen bringt. Doch trubelig soll es nicht
       werden, über allem soll das „Oum“ liegen. Im Tor des Tempels allerdings
       werde es dann einen hinduistischen Devotionalienshop geben.
       
       In einem kleinen Vorraum neben der alten Sporthalle sitzt Tempelarchitekt
       Ravi Shankar (der so heißt wie der berühmte Sitarspieler, aber er sei eben
       auch ein Allerweltsname) am Tag der Recherche auf dem Boden neben einem
       dünnen Elektroofen und modelliert aus Spezialbeton die Götter, mit denen
       die Tempelanlage verziert werden soll. Erst baut er mit Backsteinstückchen
       und Draht ein Gerüst, dann legt er behutsam eine Zementschicht nach der
       anderen darauf. Anfangs sind die Formen grob, nach und nach erscheinen
       filigrane Merkmale, Götter mit Elefantengesichtern oder solche, die auf
       Pfauen sitzen, einige haben mehr als einen Kopf, einige zähmen Schlangen.
       
       Fast wie in Trance wirkt, was Shankar tut. Er hat Tempelbau in Südindien
       studiert. Es könne schon vorkommen, dass jemand eine Gottheit gestalte, die
       bisher unbekannt war, nur dürfe man das nicht falsch verstehen: Der, der
       sie macht, sei nicht der Erschaffer, er führe nur den Auftrag Gottes aus,
       erklärt Krishnamurthy. 150 Statuen sollen später den Tempelbau zieren. 70
       sind fertig.
       
       Krishnamurthys Lieblingsgott ist noch immer Murga. Er stehe für Klugheit
       und Schönheit. Murga werde besonders in Südindien verehrt und überall dort,
       wohin Tamilen, wie Krishnamurthy einer ist, ausgewandert sind. Mit Hilfe
       des Gottes also holt er seine Heimat nach Berlin.
       
       19 Jan 2021
       
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