# taz.de -- Die Wahrheit: Gadus morhua mit Pommes bitte
       
       > Britische Schundblätter unterstellten der EU, dass sie Kirchenglocken im
       > Königreich abschalten würde. Mit den Fake-News ist es nun leider Essig.
       
 (IMG) Bild: Um die 30 Meter im Durchmesser und unbewohnt: Insel Rockall im Nordatlantik
       
       Nun sind die Briten endgültig aus der Europäischen Union ausgeschieden. Das
       ist schade, wir vermissen sie. Fortan fehlen uns nämlich die wundervollen
       Falschmeldungen über die EU, die regelmäßig in Großbritannien ausgeheckt
       wurden.
       
       Bekannt ist natürlich der Krümmungsgrad von Bananen, den die EU angeblich
       festlegen wollte. Aber es gibt noch jede Menge anderer lustiger Mythen, die
       bei den Brexit-Fans auf fruchtbaren Boden fielen. So warnte die Daily Mail,
       ein besonders unappetitlicher Schmutzkübel, dass englische Patienten in
       Krankenhäusern einem großen Risiko ausgesetzt seien, weil die Ärzte aus
       anderen EU-Ländern kein Englisch können. Ausgerechnet England, wo
       Fremdsprache ein Fremdwort ist! In Wahrheit sind die Patienten gefährdet,
       weil die ausländischen Ärzte der Insel nach dem Brexit-Votum reihenweise
       den Rücken gekehrt haben.
       
       Die Sun, ein ebenso grauenhaftes Blatt, behauptete, die EU wolle das
       Recycling von Teebeuteln verbieten. Eine entsetzliche Vorstellung, sind die
       Engländer doch ein Volk der Teetrinker. Die Insel würde unter der Last von
       Milliarden Teebeuteln im Meer versinken. Auch das war natürlich eine Ente,
       ebenso wie die Meldung, dass man an Imbissbuden, wo die Familien freitags
       ihre Ration Fish & Chips holen, den Kabeljau künftig mit dem lateinischen
       Namen bestellen müsse: „Einmal Gadus morhua mit Pommes bitte.“ Aufgrund der
       bereits erwähnten mangelnden Fremdsprachenkenntnisse müsse die Nation
       freitags hungrig ins Bett, befürchteten viele.
       
       Fast alle Zeitungen hatten irgendwann eine Geschichte über die
       Lärmbestimmungen der EU. Die einen behaupteten, Baby-Rasseln würden
       demnächst verboten, die anderen meinten, Brüssel würde die Kirchenglocken
       zum Schweigen bringen, und ein schottisches Blatt munkelte, dass
       Dudelsackspieler künftig mit einem Schalldämpfer spielen müssen. Letzteres
       ist eigentlich keine schlechte Idee, schließlich heißen die Dinger nicht
       umsonst „war pipes“ – Kriegspfeifen.
       
       Großes Entsetzen rief unter lüsternen Stammtischlern die Nachricht hervor,
       dass Kellnerinnen in Wirtshäusern keine tief ausgeschnittenen Blusen mehr
       tragen dürfen. Und eine besonders entzückende Falschmeldung war diejenige,
       dass britische Internet-Domänen die Endung „co.uk“ durch „eu“ ersetzen
       müssen. Das Gegenteil ist nun der Fall. Alle britischen Domänennamen, die
       auf „eu“ enden, sind nun seit 1. Januar 2021 ungültig, weil nur Bürger und
       Institutionen in der EU diese Endung führen dürfen. Mehr als 80.000
       britische Domänen wurden darob denn am Neujahrstag aus dem Register
       gestrichen.
       
       Das betraf auch die Brexit-Enthusiasten von Leave.EU, die sich diesen Namen
       ausgesucht hatten, weil er simpel und aussagekräftig ist. Um den Namen
       behalten zu dürfen, zog man kurzerhand ins EU-Land Irland um. Statt die EU
       zu verlassen, hat man lieber das Vereinigte Königreich verlassen. Wenn
       Boris Johnson das wüsste.
       
       11 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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