# taz.de -- Neues Album von Australiern Luluc: Im Traumschiff durch Abgründe
       
       > Stärke durch Stille: „Dreamboat“, das neue Album des australischen
       > Elektronikfolkduos Luluc, erzeugt ein bisschen Fernweh im Lockdown.
       
 (IMG) Bild: Luluc: Steve Hassett und Zoë Randell am Piano
       
       Als Luluc anfingen, an ihrem neuen Album zu arbeiten, war die Welt noch
       eine andere, unbeschwertere. Trotzdem ist „Dreamboat“ ein Werk geworden,
       dessen elektronischer Folksound die durch die Coronapandemie noch
       verstärkte Melancholie exzellent einfängt. Hierzulande wird das
       australische Duo immer noch als Geheimtipp gehandelt – zu Unrecht!
       
       Allerorten ist von Reisebeschränkungen und Quarantäne zu lesen, die Musik
       auf „Dreamboat“ ist noch unterwegs auf Reisen zwischen New York, Melbourne
       und [1][Berlin] entstanden. Jetzt, wo es nur noch darum geht, wie strikt
       der „Lockdown“ ausfällt, wirkt dieses Herumstromern wie ein wahnwitziges
       Relikt aus einer fremden Zeit. Zoë Randell und Steve Hassett sorgen auch an
       anderer Stelle für Kontraste: Ihre Musik spiegelt nichts von der
       pulsierenden Urbanität wider, in deren Schatten sie kreiert wurde.
       
       Stattdessen schaffen Luluc Spannung und Dynamik durch Zurückhaltung und
       bedeutungsvolle Stille, ihre Musik hat bukolische Elemente. Seit ihrem
       Debütalbum „Dear Hamlyn“ (2008) verlassen sie sich auf ein überschaubares
       Instrumentarium: Randells kristalliner und gleichzeitig nonchalant
       beiläufiger Gesang, Hassetts sparsames Gitarrenspiel und seine
       unprätentiöse Produktion.
       
       ## Neues Kapitel der Geschichte
       
       „Dreamboat“ ändert diese Aufgabenteilung nicht grundsätzlich, schlägt aber
       ein neues Kapitel der Bandgeschichte auf: Luluc haben sich vom US-Kultlabel
       Sub Pop, bei dem ihre Alben bisher veröffentlicht wurden, verabschiedet und
       nehmen nun in Eigenregie vermehrt elektronische Impulse auf. Auch Aaron
       Dessner, Gründungsmitglied der US-Band The National und bisher Toningenieur
       für Luluc, ist dieses Mal nur noch bei zwei Songs eingebunden.
       Weitestgehend autonom agieren Randell und Hassett und das tut ihnen hörbar
       gut.
       
       Entrückt klangen Luluc bisher schon, die zehn neuen Songs auf „Dreamboat“
       klingen jedoch, als seien sie in einem somnambulen Zustand komponiert
       worden. Randell hängt ihren Beobachtungen hinterher, betrachtet
       Sommerregen, Spinnen, die Unterschlupf suchen, und erzählt von [2][Orten],
       an denen die unbarmherzige Sonne keine Uhrzeit kennt.
       
       Vielleicht ein Hinweis auf die zunehmende Dramatik des Klimawandels in
       Australien. Wobei Luluc nie in romantisch-kitschige Gefilde abdriften,
       gerade die luftigen Folkpoparrangements helfen Randell und Hassett dabei,
       mit „Dreamboat“ auch seelische Abgründe zu ergründen. Manchmal werden
       Anklänge an den sensibel-versponnenen Jazzfolk einer [3][Joni Mitchell]
       hörbar, hinter deren poetischen Texten auch immer mehr steckt, als die
       wohlklingende Oberfläche vermuten lässt.
       
       ## Lob von Iggy
       
       Dass Randell und Hassett seit dem Start in Melbourne 2008 bereits des
       öfteren von [4][Iggy Pop] gelobt wurden, mit der US-Folksängerin Lucinda
       Williams zusammen auf Tour gingen, verwundert nicht. „Passerby“, das 2014
       veröffentlichte zweite Album, avancierte zum Lieblingsalbum von
       The-National-Frontmann Matt Berninger. Trotz aller Vorschusslorbeeren, in
       Europa sind Luluc bisher noch nicht richtig angekommen. Lange dürfte das
       aber nicht mehr auf sich warten lassen.
       
       Den Minimalismus seiner Anfangszeit hat das Duo nun hinter sich gelassen
       und sein musikalisches Repertoire sinnvoll erweitert. Mit jedem neuen Album
       hat es um sein geradliniges Songwriting mehr und mehr herumexperimentiert.
       Chorgesänge werden von fragmentarischen Gitarrenhooks zerschnitten,
       brummende Synthesizer bratzen zwischen die fragilen Lyrics. Eine sanfte
       Andeutung sehnt bei „Emerald City“ den Schlaf als Erlösung von der eigenen
       Überforderung herbei.
       
       In „Gentle Seed“ wird die Frage nach dem Reiz grenzenloser Freiheit und dem
       gleichzeitigen Schrecken des freien Falls aufgeworfen und Bilanz gezogen:
       Welche Träume haben Luluc eigentlich verwirklicht, welche mussten sie
       aufgeben? Es sind die kleinen, banalen Alltagskonflikte, die die meisten
       Menschen in ihrem Innenleben oftmals für sich allein ausfechten, dank Luluc
       bekommen sie nun einen Soundtrack. Ein Soundtrack, der möglicherweise
       gerade jetzt für die winterliche Isolation aufgrund der heftiger werdenden
       Pandemie genau das Richtige ist.
       
       2 Dec 2020
       
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