# taz.de -- Football in Coronakrise: Stadionverbot für Profis
       
       > Ob die Saison der National Football League zu Ende gespielt werden, ist
       > unklar. Das coronabedingte Chaos könnte derzeit kaum größer sein.
       
 (IMG) Bild: Undankbare Premiere: Kendall Hinton muss bei den Denver Broncos als Quarterback aushelfen
       
       Es war ein – gelinde gesagt – ambivalentes Erlebnis für Kendall Hinton.
       Einerseits wurde für den Football-Profi ein Traum wahr: Der 23-Jährige
       durfte erstmals in der NFL auflaufen. Andererseits sah es bei Lichte
       betrachtet eher wie ein Albtraum aus: 3:33 verloren Hinton [1][und die
       Denver Broncos] ihr Heimspiel gegen die New Orleans Saints – und Hinton war
       einer der Auslöser für die saftige Niederlage. Als Quarterback versuchte er
       neun Pässe, nur ein einziger fand einen Mitspieler. Insgesamt sammelte
       Hinton nur 13 Yards Raumgewinn. Zum Vergleich: Bei Star-Quarterback Patrick
       Mahomes waren es ein paar Stunden später 462 Yards.
       
       Dem guten Kendall Hinton wollte aus einem einfachen Grund trotzdem niemand
       böse sein: Hinton ist kein Quarterback. Das letzte Mal als Quarterback
       stand er vor ein paar Jahren für seine Universitätsmannschaft auf dem
       Platz, bevor er zum Wider Receiver umschulte. Und nicht nur das: 24 Stunden
       vor seinem Auftritt stand Hinton noch nicht einmal im offiziellen
       53-köpfigen Kader der Broncos
       
       Der Notfall, der Hinton zum Spielmacher beförderte, war so selten, dass er
       seit 55 Jahren nicht mehr vorgekommen ist in der NFL: Kein einziger der
       vier Quarterbacks der Broncos war einsatzfähig. Der Grund war natürlich das
       Virus: Jeff Driskel, die Nummer drei unter den Quarterbacks der Broncos,
       war im Laufe der letzten Woche positiv getestet und gesperrt worden. Die
       restlichen Spielmacher hatten sich, obwohl zum Teil Hochrisiko-Kontakte, an
       ihrem freien Tag im Trainingszentrum zum Videostudium versammelt, aber
       dabei den Mund- und Nasenschutz nicht stets korrekt getragen. Als die NFL
       davon Wind bekam, wurden auch Nummer-eins-Quarterback Drew Lock, sein
       Ersatz und der Ersatz vom Ersatz vom Ersatz aus dem Verkehr gezogen.
       
       So kam Kendall Hinton zu seiner Chance, Nachfolger solcher Broncos-Legenden
       wie John Elway und Peyton Manning zu werden. Ein zwiespältige Ehre: Mit
       minimaler Vorbereitungszeit, ohne Ahnung von den komplexen Angriffssystemen
       und ohne jede Spielpraxis verbrachte Hinton seinen Arbeitstag damit, die
       Flucht vor heranstürmenden Saints-Verteidigern zu ergreifen.
       
       70 Neuinfektionen in der Woche 
       
       Von einer „Farce“ war in der Lokal-Presse zu lesen. Eine Bezeichnung, die
       vielleicht bald der gesamten Saison der NFL droht. Denn im Gegensatz zu den
       Playoff-Runden von NBA und NHL, die dank gut geschützter Blasen
       durchgezogen werden konnten, [2][hat die NHL-Saison mit den erwartbaren,
       pandemiebedingten Schwierigkeiten zu kämpfen]. Verschiedene Klubs haben
       sich hohe Geldstrafen eingehandelt, weil sie sich nicht an die
       Hygieneregeln gehalten haben.
       
       In nur einer Woche wurden 70 Neuinfektionen von Spielern und Trainern
       registriert und deshalb von der NFL allen Klubs für Montag und Dienstag das
       Training untersagt, um die Fallzahlen unter Kontrolle zu bekommen. Immer
       wieder müssen Spiele verschoben werden, weil zu viele Spieler
       Covid-19-positiv oder in Sicherheitsquarantäne sind. Ob das für heute Abend
       angesetzte Match zwischen den Pittsburgh Steelers und den Baltimore Ravens
       stattfinden wird, ist fraglich: Das Spiel ist bereits drei Mal verlegt
       worden.
       
       Vor allem die als Super-Bowl-Favorit in die Saison gestarteten Ravens sind
       geplagt von Corona. Mehr als ein Dutzend Spieler haben sich angesteckt,
       darunter mit Lamar Jackson der große Quarterback-Star des Teams. Seitdem
       häufen sich die Niederlagen, in den letzten vier Begegnungen gab es nur
       einen Sieg.
       
       Noch schlimmer hat es einen anderen Mitfavoriten, die San Francisco 49ers,
       erwischt. Die sind obdachlos, seit der Bezirk, in denen ihr Stadion samt
       Trainingsgelände steht, Kontaktsport für drei Wochen verboten hat. Die
       nächsten Heimspiele der 49ers sollen im 1.200 Kilometer entfernten Phoenix
       stattfinden. Aber wo, wie und ob überhaupt die Mannschaft noch trainieren
       kann, steht in den Sternen. Die Stimmen, die von Wettbewerbsverzerrung
       sprechen, werden immer lauter. Die noch größere Frage ist, ob die Saison
       überhaupt zu Ende gebracht werden kann.
       
       1 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Broncos-gewinnen-50-Super-Bowl/!5275582
 (DIR) [2] /Bundesliga-Fussball-im-US-Fernsehen/!5684237
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) American Pie
 (DIR) American Football
 (DIR) NFL
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) American Pie
 (DIR) American Pie
 (DIR) American Pie
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Black Lives Matter
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ein Prediger im American Football: Houston hat ein Problem
       
       Die Houston Texans haben einen Prediger als Charakter-Coach eingestellt.
       Der hat jetzt viel Macht, und dem NFL-Klub laufen die Leute weg.
       
 (DIR) Nachwuchs-Quarterback im Football: Nur Verlieren zählt
       
       Die New York Jets sind die Lachnummer der NFL. Sie machen eigentlich alles
       falsch, selbst wenn sie ausnahmsweise mal gewinnen.
       
 (DIR) Sensation beim College-Football: Irre Touchdown-Show
       
       Dem deutschamerikanischen Footballer Amon-Ra St. Brown glückt ein seltenes
       Kunststück. Jetzt interessieren sich alle für seine besondere Familie.
       
 (DIR) Imagepflege im American Football: Ein kleiner Schritt
       
       Die National Football League setzt erstmals eine Crew aus Schwarzen
       Schiedsrichtern ein. Sie klopft sich dafür selbst mächtig auf die
       Schultern.
       
 (DIR) Erster schwarzer Präsident bei NFL-Klub: „Ein großer Schub“
       
       Jason Wright wird beim Washington Football Team der erste schwarze
       Klubpräsident in der NFL-Geschichte. Seine Aufgabe ist kompliziert.
       
 (DIR) Football und Rassismus: Kein Federlesen mehr
       
       Auf Druck der Anti-Rassismus-Proteste ändern die Washington Redskins
       möglicherweise den Namen. Kommt jetzt Paradigmenwechsel im US-Sport?