# taz.de -- Nach dem Terroranschlag in Wien: Österreich sucht nach Erklärungen
       
       > Am Tag zwei nach dem Anschlag wird weiter gerätselt, ob der Täter allein
       > handelte – und warum er einst vorzeitig aus der Haft entlassen wurde.
       
 (IMG) Bild: Nach der Terrorattacke: Stille und Spuren der Tat in der Wiener Innenstadt
       
       Wien dpa | Nach dem [1][Terroranschlag mit mindestens vier Todesopfern] in
       Wien gehen in Österreich am Mittwoch die Ermittlungen weiter. Zentral ist
       dabei etwa die Frage, ob der von der Polizei am Tatort erschossene
       IS-Sympathisant allein handelte. „Es verdichten sich die Informationen ganz
       erheblich, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Dennoch haben wir im
       öffentlichen Raum enorme Sicherheitsmaßnahmen ergriffen“, sagte der Chef
       der höchsten Polizeibehörde, Franz Ruf, am Dienstagabend im Sender ORF.
       
       Bei der Tat am Montagabend war ein 20 Jahre alter Österreicher mit
       nordmazedonischen Wurzeln mit einem Sturmgewehr, einer Pistole, einer
       Machete und einer Sprengstoffgürtel-Attrappe durch ein Ausgehviertel nahe
       der Hauptsynagoge in Wien gezogen. Laut Zeugen schoss er wahllos in die
       voll besetzten Lokale.
       
       Vier Menschen starben bei dem Angriff, darunter auch eine Deutsche.
       Mindestens 22 weitere Menschen wurden verletzt. Nach neun Minuten
       erschossen Polizisten den Angreifer. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
       teilte am Dienstagabend mit, ein „Soldat des Kalifats“ habe die Attacke
       verübt.
       
       Nachdem in der Nacht zum Dienstag fieberhaft nach weiteren Tätern gesucht
       worden war, gingen die österreichischen Behörden zuletzt von einem einzigen
       Attentäter aus. Sie wollten aber weitere Beteiligte nicht endgültig
       ausschließen und zunächst das umfangreiche Bildmaterial weiter auswerten.
       14 Menschen aus dem Umfeld des Täters waren in den Stunden [2][nach dem
       Attentat vorläufig festgenommen] und 18 Wohnungen durchsucht worden.
       
       Zudem gibt es auch die Sorge vor weiteren Taten. Man befinde sich in einer
       „sensiblen Phase“, in der sicherzustellen sei, dass es nicht zu
       Nachahmungstaten komme, sagte Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
       am Dienstag.
       
       ## Täter wurde vorzeitig aus Haft entlassen
       
       Die österreichischen Sicherheitsbehörden müssen sich zudem Fragen stellen,
       warum der österreichisch-nordmazedonische Doppelstaatler den Anschlag
       überhaupt verüben konnte. Der 20-Jährige war im April 2019 wegen
       Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft
       verurteilt worden, nachdem er versucht hatte, nach Syrien auszureisen und
       sich dem IS anzuschließen. Statt im Juli wurde er aber bereits Anfang
       Dezember 2019 vorzeitig entlassen.
       
       Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte im ORF: „Die Entscheidung, dass
       der Täter freigelassen wurde, war definitiv falsch.“ Wichtig sei nun die
       Suche nach Komplizen. „Der Terrorist ist nicht vom Himmel gefallen, es muss
       Menschen gegeben haben, die ihn verführt und radikalisiert haben.“ Er
       forderte mehr Engagement der EU gegen den politischen Islam, der die
       Freiheit und das europäische Lebensmodell gefährde. „Ich erwarte mir ein
       Ende der falsch verstandenen Toleranz“, sagte er der Welt.
       
       Nehammer sagte, der Täter habe es geschafft, die Justizbehörden vor der
       Entlassung von seiner Deradikalisierung zu überzeugen. „Es kam zu einer
       vorzeitigen Entlassung eines Radikalisierten.“ Die Frage, ob der Mann nach
       seiner Entlassung von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde,
       beantwortete der Minister nicht klar. Er habe sich aber frei bewegen
       können.
       
       Justizministerin Alma Zadić (Grüne) verteidigte dagegen am Dienstag die
       vorzeitige Entlassung auf Bewährung. Die Auflage regelmäßiger Kontakte zu
       Deradikalisierungsorganisationen sei nur bei vorzeitiger Entlassung
       möglich. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sei
       informiert worden.
       
       Am Mittwoch herrscht in Österreich der zweite von insgesamt drei Tagen
       Staatstrauer für die Opfer des Terrorakts. Die Schulen sollen zu Beginn des
       Unterrichts eine Gedenkminute abhalten. In Wien soll am Mittwoch wieder ein
       normaler Schultag stattfinden, nachdem die Schulpflicht aufgrund der
       unklaren Lage in der Nacht zum Dienstag für einen Tag ausgesetzt worden
       war.
       
       Am Dienstagabend gedachten verschiedene Religionsgemeinschaften sowie
       Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kurz und die weitere Staatsspitze
       bei einem ökumenischen Gottesdienst im Stephansdom der Opfer. Vertreter der
       Religionsgemeinschaften sprachen jeweils ein Gebet aus ihren Heiligen
       Schriften und zündeten Kerzen für die Toten der vergangenen Nacht.
       
       4 Nov 2020
       
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