# taz.de -- Corona-Lage in anderen Metropolen (III): Wut über den zweiten Lockdown
       
       > In Tel Aviv halten viele den neuen Lockdown für politisch motiviert: Die
       > die Gastronomie leidet, doch die Ultraorthodoxen bekommen Zugeständnisse.
       
 (IMG) Bild: Autobahnen zu Fahrradstraßen: Corona macht in Tel Aviv die Straßen leer
       
       Weltweit kämpfen Metropolen gegen das Virus. Manchmal ist der Umgang mit
       der Pandemie erstaunlich ähnlich wie hier, oft gibt es überraschende
       Unterschiede. Die taz.berlin wirft einen Blick über den heimischen Lockdown
       hinaus nach anderswo. 
       
       Tel Aviv taz | Ich scheine nicht die einzige zu sein, die dringend
       Laufschuhe oder so etwas benötigt“, sagt eine junge Frau und zeigt mit
       ihrem Finger auf die Menschenschlange vor und hinter ihr. Seit einer halben
       Stunde steht sie vor der Decathlon Filiale im Rothschild Boulevard in Tel
       Aviv und wartet auf Einlass. Vor einer Woche öffneten die sogenannten
       Straßengeschäfte, zum ersten Mal seit zwei Monaten – und die Menschen
       standen Schlange. Doch nicht alle Geschäftsinhaber*innen haben es durch den
       langen zweiten Lockdown geschafft, der Mitte September verhängt wurde: Auf
       der beliebten Einkaufsstraße Ben Yehuda sind einige Geschäfte leergeräumt:
       „Zu vermieten“, steht auf Schildern an den Schaufenstern.
       
       Die Lockerung des Lockdowns läuft dieses Mal langsamer ab. Denn die
       schnelle und chaotische Öffnung nach dem ersten Lockdown im April hat für
       eine heftige zweite Welle gesorgt, in der schließlich am 23. September die
       11.000er-Marke geknackt wurde, umgerechnet auf Deutschland wären das rund
       100.000 Neuinfektionen pro Tag.
       
       ## Schule per Zoom
       
       Vor einigen Wochen begann die Regierung, einige Beschränkungen aufzuheben
       und ließ Vorschulen und Kindergärten öffnen, es folgten die Klassen 1-4,
       nächste Woche werden auch die Klassen 5 und 6 in Gegenden mit niedriger
       Infektionsrate zur Schule gehen. Die älteren Kinder werden weiterhin per
       Zoom unterrichtet. Seit Dienstag sind auch Strip Malls wieder geöffnet.
       Außerdem bereiten sich Hotels in Touristenstädten auf den Empfang erster
       Gäste vor.
       
       Gastronomiebetriebe dürfen noch immer keine Gäste empfangen. Der Verkauf
       von Kaffee und Gebäck zum Mitnehmen ist allerdings erlaubt. Glück haben
       Cafés wie das Nahat am Dizengoff Platz im Zentrum Tel Avivs, wo
       Passantinnen auf öffentlichen Banken ihren Kaffee trinken können. Doch
       nicht alle können sich mit der Takeaway-Methode über Wasser halten. Laut
       Tomer Moore vom Israelischem Restaurantverband sind in Folge der zwei
       Lockdowns bereits 1500 Cafés und Restaurants pleite gegangen: „Und es
       werden jeden Tag mehr.“
       
       Die Wut vieler Israelis über die Form des zweiten Lockdowns ist groß, sie
       halten ihn für politisch motiviert. Der israelische [1][Ministerpräsident
       Benjamin Netanjahu] steht im Verdacht, mit dem Lockdown nicht zuletzt die
       Proteste gegen ihn verhindert haben zu wollen und seinen
       Koalitionspartnern, den ultraorthodoxen Parteien, großzügige Zugeständnisse
       gemacht zu haben. Bei Verstößen der Ultraorthodoxen gegen die Regelungen,
       etwa bei Versammlungen von mehreren Tausenden Gläubigen in den Synagogen,
       solle er außerdem ein laxes Vorgehen angeordnet haben – und dies, obwohl in
       ultraorthodoxen Wohngegenden die Ansteckungsrate zeitweise mehrfach so hoch
       war wie im Rest des Landes.
       
       Nach einem Rückgang von Neuinfektionen steigen mit der Öffnung der
       Synagogen vor zwei Wochen, die Zahlen dort wieder rapide an. Nach wie vor
       sorgen auch illegale Hochzeiten und Parties im ganzen Land, viele davon in
       arabischen Dörfern, für lokale Hotspots des Ansteckungsgeschehens.
       
       Israel konnte mit der zweiten landesweiten Abriegelung die
       Coronavirus-Infektionsrate von etwa 8.000 Neuinfektionen pro Tag Mitte
       September auf mehrere Hundert bis Ende Oktober drastisch senken. Derzeit
       steigt allerdings der Reproduktionsfaktor wieder auf über 1 und viele
       sprechen schon vom nächsten Lockdown. Bis dahin hat die Regierung am
       vergangenen Montag eine nächtliche Ausgangssperre für Gegenden mit hoher
       Infektionsrate beschlossen.
       
       17 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Judith Poppe
       
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