# taz.de -- Doku über Terrornetz „Islamischer Staat“: Zwei, die es wissen müssen
       
       > Die Doku „Die Heimkehr“ sollte das letzte Kapitel der Terrorgruppe „IS“
       > zeigen – und ist nun aktueller denn je. Dienstagabend ist sie im NDR zu
       > sehen.
       
 (IMG) Bild: Oliver N. hat für den „IS“ gekämpft und saß dafür zwei Jahre im Gefängnis
       
       Als der NDR vor einigen Wochen den Dokumentarfilm „[1][Die Heimkehr – Leben
       nach dem Terror]“ ins Programm nahm, konnte er nicht davon ahnen, dass er
       bei der Ausstrahlung aktuell sein wird. In der Programmankündigung heißt
       es: „Mehr als 5.000 junge Europäer sind für den IS in einen fremden Krieg
       gezogen.“ Der Film beschäftige sich „mit dem letzten Kapitel dieses
       grausamen Stücks Zeitgeschichte: der Rückkehr und Reintegration von
       Ex-Terroristen in unsere Gesellschaft“.
       
       In der vergangenen Woche hat sich allerdings gezeigt, dass die
       [2][Endphase] der Geschichte der Terrormiliz „Islamischer Staat“ noch nicht
       erreicht ist. Die Organisation hat den [3][Anschlag von Wien], bei dem ein
       islamistischer Terrorist vier Menschen ermordete, für sich reklamiert.
       Manchmal können sich die Rahmenbedingungen für die Ausstrahlung eines Film
       komplett ändern.
       
       Für „Die Heimkehr“ haben die Filmemacherinnen Mariam Noori und Lisa Maria
       Hagen mehrere Jahre recherchiert. Ihr Dokumentarfilm hat zwei
       Protagonist*innen: Das Leben der in Hamburg beheimateten Meral Keskin ist
       komplett aus den Fugen geraten, nachdem sie aus einer nur bedingt
       verlässlichen Quelle erfahren hat, dass ihr jüngerer Bruder Ferhat, der
       2014 nach Syrien gegangen ist, um sich dem IS anzuschließen, mittlerweile
       tot sei.
       
       Aber weil sie keine Gewissheit hat, fängt sie an zu recherchieren, und bei
       dieser Suche begleitet sie der Film. Ihr Bruder sei das „Nesthäkchen“
       gewesen, sagt Merat, und „nach dem Tod meiner Mutter war ich wie eine
       Mutter für ihn“. Deshalb „gibt sie sich auch selbst die Schuld“ für das,
       was passiert ist.
       
       ## Der Rückkehrer
       
       Der Protagonist der Parallelgeschichte ist der Österreicher Oliver N., der
       sich ebenfalls 2014 als 16-Jähriger für den Weg in den Terror entschieden
       hat und nach seiner Rückkehr nach Wien zweieinhalb Jahre im Gefängnis saß.
       Erstmals habe sich ein IS-Rückkehrer „aus dem Schatten der Anonymität“
       gewagt, sagen die Filmemacherinnen. Oliver N. sagt an einer Stelle: „Ich
       weiß nicht, wie viele Leichen ich gesehen habe: 50?“ Viele dieser Leichen
       wurden von seinen damaligen Gesinnungsgenossen verstümmelt. Er selbst „habe
       niemanden verletzt“, sagt er. „Aber beweisen kann ich’s nicht.“
       
       Als Meral Oliver auf einem Foto einer Gruppe entdeckt, die IS-intern unter
       dem Name „deutsche Einheit“ bekannt war und der auch ihr Bruder angehörte,
       versucht sie, Kontakt mit dem Österreicher aufzunehmen – in der Hoffnung,
       auf diesem Wege etwas über ihren Bruder zu erfahren. Oliver ist aus der
       Gruppe „der Einzige, der es geschafft hat“, wie er selbst sagt. Zunächst
       meldet sich der Angeschriebene nicht bei Meral, nach der zweiten
       Kontaktaufnahme kommt aber ein Treffen zustande.
       
       Noori und Hagen gelingt in „Die Heimkehr“ auch dank zwei sehr reflektierter
       Protagonist*innen, die einen bemerkenswert tiefen Blick in ihre Scham-
       und Schuldgefühle zulassen, die Balance zwischen einem komplexen
       zeitgeschichtlichen Thema und sehr persönlichen Geschichten.
       
       Die Autorinnen arbeiten dabei auch eine so krasse wie beredte Parallele
       zwischen Merals Bruder und dem überlebenden Ex-Terrorkämpfer heraus: Beide
       mochten Hunde sehr, aber weil sie glaubten, das nicht mit ihrer
       Religionsauffassung vereinbaren zu können, änderte sich ihre Haltung
       plötzlich. „Da merkte ich, da stimmt was nicht“, sagt Meral. Und auch ein
       ehemaliger Betreuer aus Olivers WG sagt, es sei für ihn „ein Alarmsignal“
       gewesen, dass dieser seinen Hund weggeben habe.
       
       Am Ende des Films sieht man Oliver, der dem Terror abgeschworen, aber sich
       nicht vom Islam verabschiedet hat („Der Islam, wie ich ihn heute lebe, und
       der Islam von damals sind für mich zwei ganz unterschiedliche Religionen“),
       in einem Irrgarten – vermutlich bei einem Besuch auf dem Hamburger Dom,
       nach seinem Treffen mit Meral. Es ist ein treffendes Bild für den Zustand
       des Ex-Terroristen, der noch dabei ist, sich neu zu orientieren im Leben.
       
       10 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Die-Heimkehr,sendung1091820.html
 (DIR) [2] /Islamischer-Staat-in-Syrien/!5554211/
 (DIR) [3] /Terroranschlag-in-Oesterreich/!5722512/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
       ## TAGS
       
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