# taz.de -- Begriffe, „tiefeingefressen“
       
       > Die Kieler Universität erinnert an Victor Klemperers Erforschung der
       > NS-Sprache
       
 (IMG) Bild: Lohnende Lektüre: Victor Klemperer 1954
       
       Von Alexander Diehl
       
       Nicht nur [1][von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth] nach der
       Ermordung Walter Lübckes: Wird ein altes Buch wieder vermehrt empfohlen,
       seine Aktualität unterstrichen, könnte man das als schlechtes Zeichen lesen
       – wenn es sich um „LTI“ handelt, „Lingua Tertii Imperii“, Victor Klemperers
       Studie über die Sprache des „Dritten Reiches“. Aufs Akute „angesichts des
       Nachlebens und Wiedererstarkens nationalsozialistischer Begrifflichkeiten“
       weist nun auch die Kieler Christian-Albrechts-Universität hin: Deren
       Philosophisches Seminar eröffnet dazu am Mittwoch eine
       Online-Veranstaltungsreihe.
       
       1947 erschien das Buch im Berliner Aufbau-Verlag, erst 1966 in der
       Bundesrepublik. Die Arbeit hatte Klemperer (1881–1960) schon früher
       aufgenommen: Vom Regime als Jude gegängelt, verlor er 1935 mit
       Inkrafttreten des „Reichsbürgergesetzes“ seine Dresdener Professorenstelle,
       konnte bald gar nicht mehr forschen – spätestens da wurde das Tagebuch sein
       wesentliches Forum. Darin hatte er bereits 1934 notiert, wie ihn die
       Befassung mit der sich verändernden Sprache bewegte: „Literarisch
       auszubauen, etwa ,Mein Kampf‘ lesen, wo dann die (teilweise) Herkunft aus
       der Kriegssprache deutlich werden muss.“
       
       Möglich wurde das nach Kriegsende; dem Tod waren die Eheleute knapp
       entkommen. Aber Klemperer stellte auch fest, wie hartnäckig die Spuren von
       zwölf Jahren Nationalsozialismus waren: Charakteristische Ausdrücke „haben
       sich so tief eingefressen, dass sie ein dauernder Besitz der deutschen
       Sprache zu werden scheinen“. Das machte er auch am „ent“ fest: Der
       „distanzierenden Vorsilbe“ sei „einiger Zuwachs“ zuteilgeworden: „Fenster
       mußten vor der Fliegergefahr verdunkelt werden, und so ergab sich die
       tägliche Arbeit des Entdunkelns.“ Oder „die bittere Roßkastanie wurde
       entbittert“ – der Krieg erforderte neue Nahrungsquellen.
       
       Und welche Scheußlichkeit prägte seine Gegenwart? „Am Nazismus ist
       Deutschland fast zugrunde gegangen; das Bemühen, es von dieser tödlichen
       Krankheit zu heilen, nennt sich heute Entnazifizierung.“
       
       14-täglich ab Mi, 28. 10, 18.15 Uhr;
       https://mediaportal01.rz.uni-kiel.de/b/h-k-llf-6ho-qfi
       
       27 Oct 2020
       
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