# taz.de -- Wahlen in den USA: Erst einmal tief Luft holen
       
       > US-Präsident Trump erschüttert den Glauben an das demokratische System.
       > Das größere Problem: Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung applaudiert
       > ihm.
       
 (IMG) Bild: Trump-Fans bei einer Wahlkampfveranstaltung am 1. November
       
       Wie auch immer [1][die Präsidentschaftswahl in den USA am Ende ausgehen
       wird], etwas steht jetzt schon fest: Wer in der Meinungsforschung
       beschäftigt ist, sollte einen Berufswechsel ins Auge fassen. Jede
       Kristallkugel ist zuverlässiger als diese Branche. Einmal kann eine
       katastrophale Fehleinschätzung wie die von 2016 verziehen werden, als ein
       Sieg von Hillary Clinton sicher zu sein schien. Sobald es aber ein zweites
       Mal passiert, ist Vertrauen dauerhaft verspielt. Selbst wenn Joe Biden die
       Präsidentschaft doch noch erringen sollte: Von einer tiefgreifenden
       Trendwende, einem Erdrutschsieg gar, kann keine Rede sein.
       
       In den nächsten Tagen und Wochen gilt es die Ursachen für das Ergebnis zu
       analysieren. Allerdings bitte nicht allzu eilfertig. Wenn sich ein so
       großer Teil der politischen Fachwelt verschätzt – es waren ja nicht nur die
       Demoskopen! –, dann ist es keine dumme Idee, erst einmal tief Luft zu
       holen.
       
       Beispiel: Corona. In den USA und andernorts wurde vor allem darüber
       gestritten, wie sehr Donald Trump sein Umgang mit der Seuche geschadet hat,
       ob nämlich mehr oder weniger. Aber vielleicht hat er ihm gar nicht
       geschadet, sondern genutzt. Die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht. Wir
       wissen offenbar insgesamt sehr viel weniger über Stimmungen und
       grundsätzliche Einstellungen eines großen Teils der Bevölkerung, als wir
       glauben. Das ist bedrückend.
       
       Anderes Beispiel: Mobilisierung. Es schien eine gesicherte Erkenntnis zu
       sein, dass die Chancen von Joe Biden um so besser stehen, je mehr Leute zur
       Wahl gehen. Aber vielleicht war auch das ein Irrtum.
       
       ## Kritische Medien als Feinde
       
       Wie auch immer, dem US-Präsidenten ist es in den letzten vier Jahren
       gelungen, den Glauben an [2][Säulen des demokratischen Systems] nachhaltig
       zu erschüttern. Kritischen Medien kommt in seinem Weltbild keine
       Kontrollfunktion zu, sie wurden zu „Feinden“ erklärt. Der Wissenschaft
       unterstellt er, sich in den Dienst politischer Interessen zu stellen. Und
       nun sind [3][die Gerichte] dran, jedenfalls die, deren Richterinnen und
       Richter nicht von ihm handverlesen wurden.
       
       Das Problem ist nicht in erster Linie, dass jemand derlei versucht. Das
       Problem ist, dass ein beträchtlicher Teil der Öffentlichkeit dazu stehend
       applaudiert.
       
       Die Amis sind halt blöd? Von wegen. Auch [4][in Teilen Europas] steht
       Demokratie derzeit nicht hoch im Kurs, ein Blick nach Ungarn oder Polen ist
       aufschlussreich. Und der Verlauf der US-Präsidentschaftswahlen kann nur
       Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten sein. Trübe Aussichten.
       Unabhängig davon, wie der nächste Präsident der Vereinigten Staaten heißen
       wird.
       
       4 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Liveticker-zur-US-Wahl/!5726183
 (DIR) [2] /Trumps-undemokratisches-Verhalten/!5726244
 (DIR) [3] /US-Senat-bestaetigt-Richterin-Barrett/!5724310
 (DIR) [4] /Trumps-undemokratisches-Verhalten/!5726244
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Joe Biden
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Stimmauszählung in den USA: Nach Wahl Kampf
       
       Eingeschworene Anhänger von Präsident Donald Trump wittern Wahlbetrug: Sie
       verlangen, die Auszählung der Stimmen sofort zu beenden.
       
 (DIR) Wahlen in den USA: Transpolitikerin wird Senatorin
       
       Mit 86 Prozent der Stimmen zieht Sarah McBride in den Senat von Delaware
       ein. Die Demokratin ist Sprecherin der größten LGBTQ-Organisation in den
       USA.
       
 (DIR) Liveticker zur US-Wahl: Festnahmen nach Protesten
       
       In zahlreichen Städten nahm die Polizei nach Protesten für eine exakte
       Stimmeauszählung zahlreiche Personen fest. Biden ruft zur Geduld auf.
       
 (DIR) Trump droht Niederlage bei der US-Wahl: Der Anheizer
       
       In Staaten, wo es eng zugeht, ficht Donald Trump die Resultate an. Ob er
       das Ergebnis dieser demokratischen Wahl anerkennt oder ablehnt, ist unklar.
       
 (DIR) Die US-Wahl in New York: Rufe in einer Nacht
       
       Der Wahlabend in New York City, unterwegs mit antirassistischen
       Initiativen. Deren Mitglieder hegen keine Illusionen.
       
 (DIR) Trumps Äußerungen in der Wahlnacht: Drohung ohne Grundlage
       
       Der US-Präsident kann sich nicht einfach an den Supreme Court wenden.
       Ohnehin hatten republikanische Kläger bei Wahlkampffragen bisher wenig
       Erfolg.
       
 (DIR) Reaktion auf US-Wahlen: Ein Problem für Berlin und Brüssel
       
       In Anbetracht der US-Wahlen wird eine Stärkung der europäischen
       Souveränität gefordert. Das wird schwierig angesichts der Trumpisten in der
       EU.
       
 (DIR) Trumps undemokratisches Verhalten: Krieg um die Demokratie
       
       Trump verhält sich wie ein Diktator. Doch nur weil er mit komplizierten
       demokratischen Strukturen überfordert ist, müssen wir es nicht sein.
       
 (DIR) US-Wahlen noch nicht entschieden: Von „blauer Welle“ keine Spur
       
       Noch hat Joe Biden eine rechnerische Chance, nächster Präsident zu werden.
       Aber für die Demokrat*innen ist die Wahl dennoch eine Riesenenttäuschung.