# taz.de -- Der Rabin-Mord und die jetzigen Proteste: Nur eine Eintagsfliege
       
       > Die Protestbewegung in Israel arbeitet sich an Netanjahu ab und klammert
       > den Friedensprozess mit den Palästinensern aus. Das ist kurzsichtig.
       
 (IMG) Bild: 25.000 Kerzen zum Gedenken an Yitzchak Rabin am 29.10. in Tel Aviv
       
       Am Abend des 4. November 1995, kurz bevor ein nationalreligiöser Extremist
       den damaligen Ministerpräsidenten und Architekten des Friedensprozesses
       Jitzchak Rabin ermordete, versammelten sich in Tel Aviv mehr als
       Hunderttausend Israelis für den Frieden. Damals spaltete der
       Friedensprozess die Gesellschaft. Auch zurzeit gehen wieder Zehntausende
       auf die Straßen. Sie warnen vor dem Untergang der Demokratie, vor einer
       Delegitimierung des Justizsystems und fordern den Rücktritt des wegen
       Korruption angeklagten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
       
       Alle, die nun die Demokratie vor ihrer Aushöhlung bewahren wollen,
       übersehen das Offensichtliche: den Friedensprozess mit den
       Palästinenser*innen. Die derzeitige Protestbewegung klammert das Thema
       aus, obwohl ein Großteil ihrer Mitglieder die Aufnahme von
       [1][Friedensverhandlungen mit den Palästinenser*innen] wohl befürworten
       würde. Zugegeben, das Thema Frieden führt in Israel oft zu Konflikten.
       Möglicherweise haben die Demonstrant*innen das Gefühl, dass sie sich eine
       solche Spaltung nicht leisten können.
       
       Die Vermeidung dieses existenziellen Themas schwächt jedoch die Bewegung.
       Sie droht eine Eintagsfliege zu bleiben. Spätestens mit einem Abgang
       Netanjahus würde sie sich in Luft auflösen, obwohl aller Voraussicht nach
       ein Politiker wie der Groß-Israel-Befürworter [2][Naftali Bennett] folgen
       würde. Die Besatzung würde weitergehen, der Friedensprozess brachliegen.
       
       Den Elefanten im Raum sichtbar zu machen und Friedensbemühungen mit ins
       [3][Programm] aufzunehmen würde die derzeitige Protestbewegung nachhaltiger
       und überzeugender machen. Zumal diejenigen, die am Abbau der hiesigen
       Demokratie werkeln, auch diejenigen sind, die vernünftige Verhandlungen mit
       den Palästinenser*innen verhindern. Mit dem Thema Frieden auf der Fahne
       könnte die Protestbewegung ein ernst zu nehmender politischer Akteur
       werden, der dem derzeit übermächtig scheinenden rechten Konsens etwas
       entgegensetzt.
       
       4 Nov 2020
       
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