# taz.de -- Anarchos verletzen Urheberrecht: „‚Geistiges Eigentum‘ ist Humbug“
       
       > Wolfgang Krolows Bild wurde unter Linksradikalen zur Ikone. Jetzt fordert
       > die Erbin des Fotografen Schadenersatz wegen seiner Reproduktion.
       
 (IMG) Bild: Zankapfel: Bild aus Kreuzberg, 1980. Später ergänzt durch einen Anarcho-Slogan
       
       Hamburg taz | Tote können sich nicht wehren, wenn ihre Urheberrechte
       verletzt werden – sie können aber auch nicht erklären, dass sie
       einverstanden wären mit der Nutzung ihrer Werke. So wird man nicht mehr
       klären können, ob der 2019 verstorbene Fotograf Wolfgang Krolow es in
       Ordnung gefunden hätte, dass der linke Flensburger Onlineversand Black
       Mosquito eines seiner Bilder von ihm reproduziert und vertrieben hat. Für
       die Urheberrechtsverletzung fordert Krolows Frau und Erbin jetzt 7.000 Euro
       von dem kollektiv betriebenen Versandhändler.
       
       Krolow, geboren 1950, war ein Urgestein der sozialkritischen Fotografie.
       Das Zentrum seiner Motive war der Berlin-Kreuzberger Kiez der 70er- und
       80er-Jahre. Krolow portraitierte Punks, Hausbesetzer*innen, migrantische
       Frauen, Kinder, Rentner*innen und arabische Jugendliche und zeichnete mit
       seinem Werk ein vielfältiges Bild einer Zeit zwischen Verfall und Utopie,
       Abriss und Stadtentwicklung.
       
       Ende der 80er schlug die Gentrifizierung in Kreuzberg ein und Krolow gingen
       die Motive aus. Er reiste nach Wolgograd und Albanien, fotografierte
       Ansichten vom Leben zwischen Postsozialismus und Präkapitalismus und kehrte
       zurück nach Berlin, wo er die Inbesitznahme des Grenzstreifens durch die
       Anwohner*innen nach der Wende dokumentierte. In den letzten 15 Jahren
       kehrte etwas Ruhe in sein bewegtes Leben ein.
       
       Das Bild von fünf spielenden Kindern auf einem Autowrack nahm Krolow 1980
       auf, bekannt wurde es durch ein Poster der linken Zeitschrift „Radikal“.
       Darauf sieht man es leicht abgewandelt, ergänzt durch einen Spruch auf dem
       Autowrack: „[1][We don’t want just one cake, we want the whole fucking
       bakery].“ In dieser Form wurde es zig-tausendfach reproduziert. Black
       Mosquito druckt es seit 2011 auf T-Shirts, Pullover und Jutebeutel und
       machte damit nach eigenen Schätzungen 4.000 Euro Umsatz, wovon 1.500 Euro
       Gewinn blieben. Bis vor einem Monat die Abmahnung in den Mail-Eingang
       flatterte – von Jörg Schaller, dem Anwalt der Erbin Krolows.
       
       ## Die Zeitschrift „Radikal“ machte das Bild bekannt
       
       „Wir wussten nicht, dass das Bild urheberrechtlich geschützt ist, weil es
       schon so lange überall kursiert“, sagt Wanja T., Mitglied des Kollektivs
       Black Mosquito. Der Onlineshop versteht sich als „nicht profitorientierter
       Mailorder mit Schwerpunkt auf anarchistischen, emanzipatorischen,
       linksradikalen Ideen und Praxen“. Seit der Abmahnung vertreibt das
       Kollektiv den Druck nicht mehr, aber den geforderten Schadenssatz von 7.000
       Euro will es nicht zahlen – für das linke Projekt ist das eine sehr große
       Summe.
       
       Außerdem zählen das Copyright und das Erbe nicht gerade zu den beliebtesten
       Konzepten unter Anarchist*innen. „Einem freien Fließen der Kreativität
       steht das Copyright diametral entgegen“, sagt T. „‚Geistiges Eigentum‘ ist
       für uns Diebstahl und kleinkarierter, fortschrittsfeindlicher Humbug.“
       
       Bereichert habe man sich an dem Bild ohnehin nicht, wie solle das auch
       gehen mit einem nicht-profitorientierten Versand. „Was wir hier verdienen,
       reicht gerade mal zum Überleben“, sagt T. Sämtliche Gewinne flössen nach
       Abzug der Miete und Lohnkosten in emanzipatorische Projekte.
       
       Krolows Erbin, Sigrid H., will die Urheberrechtsverletzung aber nicht auf
       sich sitzen lassen. „Ich bin dafür zuständig, Wolfgangs Werk zu schützen,
       und er hätte das sicher nicht geduldet“, sagt sie der taz. Klar sei Krolow
       der linken Szene immer verbunden gewesen, aber dass man sein Motiv einfach
       so auf T-Shirts drucke, gehe nicht, sagt H. Der Schriftzug auf dem Auto
       verfremde zudem das Bild, „er beschmutzt sein Erbe“, sagt die Erbin. In
       Richtung des Kollektivs fragt sie: „Wenn das Linke sind, warum treten sie
       dann so kapitalistisch auf und verwenden ein künstlerisches Motiv für
       Werbezwecke?“
       
       ## Das Recht der Besitzenden
       
       Das Kollektiv entschuldigte sich für die Urheberrechtsverletzung und schlug
       ein klärendes Gespräch vor – „schließlich bestand ja die Möglichkeit, dass
       sie uns für eine kommerzielle Klitsche hielt, die rücksichtslos alles
       verwertet, was irgendwie passt“, sagt Wanja T. H.s Anwalt lehnte ab.
       
       Die Forderung über 7.000 sei moderat, gemessen an dem, was für
       Urheberrechtsverletzungen sonst so gefordert wird, sagt Schaller. Die Summe
       setze sich zusammen aus den 4.000 Euro, die Black Mosquito mit dem Bild
       eingenommen hat, und dem Lohn des Anwalts. „Ich will mich nicht bereichern
       und keine Existenzen zerstören“, betont die Erbin mehrfach.
       
       Die Verhandlungen zwischen beiden Konfliktparteien laufen noch, aber rein
       rechtlich betrachtet steht Black Mosquito schlecht dar. Das Kollektiv weiß
       das: „Das Recht steht schon immer auf der Seite der Besitzenden“, schreibt
       es [2][in einem Blogeintrag]. Und endet mit einem Zitat des Autors
       Peter-Paul Zahl aus dem Vorwort eines Bildbands von Krolow: „Die Andere
       Kultur zur herrschenden Barbarei: Ein Lachen wird es sein, das euch
       beerdigt!“
       
       3 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://galerielaqua.de/zeitschriften/index.php?lid=4&tid=387&pid=12518
 (DIR) [2] https://black-mosquito.org/de/blog/news/neues-10-2020.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
       ## TAGS
       
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       eingeleitet.