# taz.de -- Berliner Senat verschärft Corona-Regeln: Nachts nur noch nüchtern
       
       > Sperrstunde um 23 Uhr. Nur noch Treffen im ganz kleinen Kreis.
       > Corona-Wert wandert stark auf die 50er-Grenze zu, ab der
       > Übernachtungsverbote drohen.
       
 (IMG) Bild: Regierungschef Michael Müller (SPD) warnte am Dienstag vor einem erneuten Lockdown
       
       Berlin taz | Die Corona-Pandemie hat in Berlin eine neue Eskalationsstufe
       erreicht: Seit Dienstagabend zeigt die Corona-Ampel des Landes zwei Mal
       „Rot“ an, was nach früherer Verabredung des rot-rot-grünen Senats eine
       Reaktion erfordert. Die ist bereits auf dem Weg: Die Landesregierung hat
       beschlossen, dass ab der Nacht zum Samstag [1][starke Beschränkungen für
       private Treffen und eine Sperrstunde gelten] – alle Geschäfte müssen
       zwischen 23 und 6 Uhr geschlossen sein. Ausgenommen sind nur Apotheken und
       – allein zum Benzinverkauf – Tankstellen. Drinnen dürfen nur noch 10
       Menschen zusammenkommen, draußen nach 23 Uhr höchstens fünf Leute aus zwei
       verschiedenen Haushalten.
       
       Als Regierungschef Michael Müller (SPD) am Dienstagabend in den Pressesaal
       des Roten Rathauses kommt, ist da nichts von der Leichtigkeit, mit der er
       das in den vergangenen Monaten so manches Mal getan hat. Die neuesten
       Informationen haben auch keinen Anlass dazu gegeben. Nach dem jüngsten, in
       jenem Moment noch keine Stunde alten [2][Corona-Lagebericht] ist der
       derzeit meistbetrachtete Wert, jener der Neuansteckungen binnen sieben Tage
       pro 100.000 Einwohner, in Berlin erneut stark gestiegen: von 41,5 am Montag
       auf nun 44,2. Ist die 50er-Grenze überschritten, sollen Berliner nach
       Ankündigung mehrerer Bundesländer inklusive Brandenburg dort nicht mehr
       übernachten dürfen.
       
       So ernst wirkte Müller auch im Frühjahr bei der ersten Corona-Welle. Aber
       da waren die ersten warmen Tage im April und Mai in Sichtweite und damit
       die Freiluftsaison – nun liegt der letzte warme Tag noch keine Woche
       zurück, während zumindest kalendarisch nun fünfeinhalb Monate Herbst und
       Winter ist. Das aber geht einher mit einer viel stärkeren Verlagerung des
       Lebens in Innenräume – wo, wie es jüngst Chef-Virologe Christian Drosten im
       Senat sagte, zwanzig mal häufiger zu Infektionen kommt als draußen.
       
       Müller beginnt in der Pressekonferenz überraschend mit einer Art Fazit und
       dankt seinen Koalitionspartnern – mit denen es in jüngster Zeit in anderen
       Themen wie Verkehr und Klima viel Streit gab – sehr fürs gemeinsam Vorgehen
       gegen die Corona-Pandemie. Er habe schon in vielen Koalitionen gearbeitet,
       in verschiedenen Funktionen, „aber so eine konstruktive Zusammenarbeit habe
       ich nicht erlebt“. Müller bilanziert so intensiv und verbunden mit dem
       Satz: „Das schöne an meiner Situation ist ja, dass ich etwas freier bin in
       dem, was sich sage“ – dass man nicht überrascht wäre, wenn er nun auch
       einen vorzeitigen Abgang als Regierungschef ankündigte; [3][am 31. Oktober
       verabschiedet er sich beim SPD-Parteitag] bereits als Landesvorsitzender
       der Sozialdemokraten.
       
       ## Reaktion auf Söder-Kritik
       
       Das passiert hier nicht, wohl aber kommt es zu einer Attacke auf Bayerns
       Ministerpräsident Markus Söder von der CSU. „Am Rande der
       Nicht-mehr-Kontrollierbarkeit“ hatte der einige Stunden zuvor Berlin
       gesehen. „Ich finde es einigermaßen unerträglich, wie einige hier
       Haltungsnoten vergeben“, reagiert Müller, ohne Söder namentlich zu
       erwähnen. Vor allem jene, die sich sonst nicht für Berlin interessierten,
       wüssten auf einmal ganz genau, wie die Situation hier sei und was zu tun
       ist. Dabei seien die Corona-Werte in anderen Großstädten wie München und
       Köln ähnlich, in Frankfurt am Main sogar höher als in Berlin.
       
       Die zentrale Botschaft der Pressekonferenz, an der auch Kultursenator Klaus
       Lederer für die Linkspartei und Justizsenator Dirk Behrendt für die Grünen
       teilnehmen, ist mehr als deutlich: Es ist eine letzte Warnung an die
       Bevölkerung, die Corona-Regeln ernst zu nehmen, sonst kommt es zu einem
       erneuten Lockdown wie im Frühjahr. Ende Oktober will der Senat Bilanz
       ziehen, was Sperrstunde und Kontakteinschränkungen bringen – „die
       Berlinerinnen und Berlin haben es in der Hand, ob wir danach andere
       Verschärfungen machen müssen“, sagt Behrendt. Er berichtet von erhöhten
       Bußgeldern ab 5.000 Euro und ermuntert die Ordnungsämter, wie in Hamburg
       bei Verstößen Gastro-Betriebe auch dauerhaft zu schließen.
       
       Lederer erklärt die klare Sperrstunde so: Restaurants, Spätis und Bars nach
       23 Uhr offen zu lassen und nur den Alkoholverkauf zu verbieten: „Sie wissen
       alle, in Berlin wir das nicht funktionieren.“ Als Grund für die weiter
       eingeschränkten Möglichkeiten privater Treffen verweist er auf die Folgen
       einer Feier Ende September. Da habe es eine Hochzeit mit 750 Leuten
       gegeben, „wo dann am Ende halb Neukölln infiziert war“. Konkret waren es
       offenbar knapp 50 Infizierte. Laut Lederer ist es offenbar auch nach über
       sieben Monaten Pandemie nicht gelungen, wirklich alle mit Hinweisen auf
       richtiges Verhalten zu erreichen. Man appelliere daher „an Multiplikatoren
       im zivilgesellschaftlichen Bereich“.
       
       Der Kultursenator müht sich dabei, nicht alles in Tristesse versinken zu
       lassen: „Es ist immer noch viel möglich, was nicht gefährlich ist“, sagt er
       und meint Kultur und Sport und nennt ausdrücklich Theater und Oper, wo man
       bedenkenlos weiter hingehen könne. Aber grundsätzlich soll eben gelten, was
       Müller so zusammen fasst: „Ich bitte Sie alle einzuordnen, wie die
       Situation wäre, wenn wir nicht entschlossen handeln“ – dann gehe es
       Richtung Lockdown und nicht mehr um eine Sperrstunde um 23 Uhr, sondern um
       eine komplette Schließung der Restaurants und Bars.
       
       7 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.1000815.php
 (DIR) [2] https://www.berlin.de/corona/lagebericht/desktop/corona.html
 (DIR) [3] /Kampf-um-SPD-Vorsitz-in-Berlin/!5692677&s=spd+m%C3%BCller+giffey+saleh/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Michael Müller
 (DIR) Klaus Lederer
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Kneipensterben
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Michael Müller
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Berliner Kneipenchefin über Sperrstunde: „Das ist das Schlimmste“
       
       Das „Schwarze Café“ ist bekannt dafür, dass es immer geöffnet hat.
       Betreiberin Inge Trimbur darüber, was die Sperrstunde für die Kultkneipe
       bedeutet.
       
 (DIR) Reaktionen auf die neuen Corona-Regeln: Alles nur noch Risiko?
       
       Union, FDP und IHK kritisieren den Senat, weil der die Coronaregeln nicht
       durchsetze und befürchten das auch für die ab Samstag geltende Sperrstunde.
       
 (DIR) Corona-Hotspot Neukölln: „Die Party ist vorbei“
       
       Sperrstunde und noch strengere Kontaktbeschränkungen für Privatfeiern sind
       beschlossen. Ein Interview mit Falko Liecke, Gesundheitsstadtrat von
       Neukölln.
       
 (DIR) Steigende Coronazahlen in Berlin: Eine Mauer für alle?
       
       Die Brandenburger Regierung denkt über ein Übernachtungsverbot für Berliner
       nach – und der Berliner Senat über ein nächtliches Alkoholverbot.
       
 (DIR) Coronaregeln für Risikogebiete in Deutschland: Kritik am „Flickenteppich“
       
       Wer aus Corona-Risikogebieten wie Berlin nach Schleswig-Holstein und
       Rheinland-Pfalz reist, muss in Quarantäne. Viele Politiker:innen halten das
       für eine schlechte Idee.
       
 (DIR) Verschärfte Corona-Auflagen in Berlin: Nicht mehr als 50 sollt ihr sein
       
       Der Senat beschränkt private Feiern auf 50 Teilnehmer draußen und 25
       drinnen. Auch die Maskenpflicht für Büro- und Verwaltungsgebäude ist
       beschlossen.