# taz.de -- Steigende Infektionszahlen in Berlin: Rückstand im Gesundheitsamt
       
       > Die Gesundheitsämter in den Bezirken gelten als Schlüssel im Kampf gegen
       > die Pandemie. Aber die steigende Infektionszahlen zeigen die Grenzen auf.
       
 (IMG) Bild: Im Corona-Testzentrum am Ärztehaus Mitte
       
       Berlin taz | Wenn ein*e Berliner*in positiv auf das Coronavirus getestet
       wird, sollte es schnell gehen: Das Gesundheitsamt ruft an, fragt nach dem
       möglichen Infektionsort, nach Kontakten, weist Quarantäne an. Doch seit die
       Infektionszahlen in Berlin wieder rasant steigen, kommen vor allem die
       Gesundheitsämter der stark betroffenen Bezirke nicht mehr hinterher: „Die
       Rückstände in der Fallermittlung und Kontaktnachverfolgung sind zu hoch“,
       sagt etwa Falko Liecke (CDU), Gesundheitsstadtrat von Neukölln.
       
       Dabei schöpft man in dem Bezirk mit den mit Abstand höchsten
       Infektionszahlen schon aus dem Vollen: 174 Menschen arbeiten aktuell in der
       Fallermittlung und Kontaktnachverfolgung, 26 Menschen sollen in den
       nächsten zwei Wochen noch dazukommen. Es wurden befristete zusätzliche
       Stellen eingerichtet, Mitarbeiter*innen aus nahezu allen anderen Bereichen
       der Verwaltung abgezogen; Kräfte des Medizinischen Dienstes der
       Krankenkassen und sogar aus der Bundeswehr arbeiten im Team. „Alles was
       zwei Beine hat im Gesundheitsamt, macht Pandemie“, sagt Liecke. Das Ziel:
       „Wieder vor die Lage kommen.“
       
       Ein Hindernis: Für jeden neuen Arbeitsplatz sei ein immenser Vorlauf nötig,
       klagt der Gesundheitsstadtrat. „Im öffentlichen Dienst bestellen Sie nicht
       mal eben 50 Rechner.“ Erleichterungen in der üblichen, aufwändigen
       Vorgehensweise bei Personal- und Materialbeschaffung wären nur per Erlass
       der Finanzverwaltung möglich, so Liecke.
       
       „Wir sind glücklicherweise noch nicht da, wo Neukölln ist“, sagt der
       Gesundheitsstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD). Doch
       obwohl die Fallzahlen der letzten 7 Tage mit 95 pro 100.000 Einwohner*innen
       noch deutlich unter den 173 von Neukölln liegen (Gesundheitsverwaltung,
       Stand 14.10.2020), hat auch das dortige Gesundheitsamt zu kämpfen. „Wir
       haben Rückstände, aber sie halten sich noch in Grenzen“, sagt Schworck. Man
       hole derzeit aus anderen Verwaltungsbereichen das Personal wieder zurück,
       das während der ersten Welle schon in der Pandemiestelle beschäftigt war.
       
       ## Rund 200 Stellen unbesetzt
       
       Auch Bundeswehrsoldat*innen würden eingesetzt. „Allerdings muss man hier
       wie bei allen externen Kräften darauf achten, dass sich Schulungsaufwand
       und Einsatzdauer die Waage halten.“ Samstags- und Sonntagsarbeit seien im
       Gesundheitsamt zur Normalität geworden. „Das ist ja nicht in allen Bezirken
       so, aber nur so können wir tagesaktuell auf das Geschehen reagieren“, so
       Schworck.
       
       Dass berlinweit rund 200 Stellen in den Gesundheitsämtern unbesetzt seien
       und Personal trotz finanzierter Stellen schwierig zu finden sei, darauf
       hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bereits Ende
       vergangener Woche hingewiesen. Die mitregierende Linke hatte am Dienstag
       Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) scharf kritisiert und eine bessere
       Ausstattung der Gesundheitsämter gefordert.
       
       Die auch von der Linken wieder ins Spiel gebrachte Idee einer zentralen
       Kontaktnachverfolgungsstelle im Messezentrum ICC sahen zumindest die
       Gesundheitsstadträte von Neukölln und Tempelhof-Schöneberg wegen des zu
       erwartenden Koordinationsaufwandes kritisch.
       
       Ohnehin gebe es, so Oliver Schworck, eine organisatorische Grenze bei der
       Nachverfolgung möglicher Infektionsfälle. „Wir können doch nicht Tausende
       Menschen irgendwohin setzen, die den ganzen Tag Leute abtelefonieren.“
       Sollte das Infektionsgeschehen weiter deutlich zunehmen, müsste die
       Pandemieeindämmung noch selbstverantwortlicher organisiert werden und der
       Fokus der Gesundheitsämter auf besonders zu schützende Gruppen gelegt
       werden, so Schworck.
       
       14 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Heim
       
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