# taz.de -- Die Wahrheit: Schmutzige Fingerübungen für die Polizei
       
       > In Irland tragen Polizistinnen und Polizisten nur selten Waffen. Aus
       > Gründen. Wie man heute sieht, ist das immer noch auch gut so.
       
       Irlands Polizisten sind eine Gefahr – vor allem für sich selbst. Ein
       Drittel aller Schüsse, die sie in den vergangenen fünf Jahren abgefeuert
       haben, waren ein Versehen. Vorigen Juni zum Beispiel schoss sich ein
       Beamter, der die israelische Botschaft bewachen sollte, ins Bein. Das
       Vertrauen der israelischen Diplomaten in ihre Beschützer dürfte sich
       seitdem sehr in Grenzen halten.
       
       Voriges Jahr musste ein Polizist notoperiert werden, weil sich im
       Dienstwagen ein Schuss aus seiner Pistole gelöst hatte. Merkwürdig. Im
       Fernsehen müssen die Kommissare ihre Waffen erst entsichern, bevor sie
       losballern.
       
       Auch für Kleinganoven kann die Begegnung mit ungeschickten Ordnungshütern
       böse Folgen haben. Einem Mann namens Tomas Mikalaiunas, der wegen einer
       Reihe von Einbrüchen festgenommen werden sollte, schoss ein Polizist
       unabsichtlich ins Gesicht. Das Opfer trug bleibende Schäden davon, erhielt
       als Wiedergutmachung aber nur eine Bewährungsstrafe.
       
       Der offizielle Name der Polizei lautet „Garda Síochána na hÉireann“ – die
       Hüter des Friedens von Irland. Es gibt sie seit 1922, als Irland nach dem
       Unabhängigkeitskrieg zum Freistaat wurde. Man ist stolz darauf, dass die
       Polizei nahezu unbewaffnet ist. Nur 19 Prozent besitzen eine Dienstwaffe,
       aber von denen sind viele längst in den Innendienst befördert worden. Man
       vergaß, sie um die Rückgabe der Waffe zu bitten.
       
       ## Diener des Volkes
       
       „Die Garda Síochána wird nicht wegen ihrer Waffen Erfolg haben, sondern
       wegen ihrer moralischen Autorität als Diener des Volkes“, sagte der erste
       Polizeipräsident Michael Staines vor knapp hundert Jahren. Ganz so
       idealistisch waren die Beweggründe nicht. Die Polizeiführung befürchtete,
       dass es zu einem Aufstand kommen könnte. Nach dem Unabhängigkeitskrieg
       spaltete sich die Irisch-Republikanische Armee (IRA) nämlich in Befürworter
       und Gegner des Friedensvertrags mit England, der die Teilung der Insel
       festschrieb. Die Befürworter gewannen den Bürgerkrieg, aber viele alte
       Kämpfer beider Seiten traten in den Polizeidienst ein.
       
       Der damalige Polizeichef hatte eine Idee, wie man den Polizisten ihre
       Waffen abluchsen könnte: Er erklärte seinen Leuten, dass sie in ein neues
       Hauptquartier verlegt würden. Sie sollten in die Lastwagen klettern, ihre
       Waffen würden aus Platzgründen hingegen separat transportiert. Sie sahen
       die Waffen nie wieder.
       
       Anfang der achtziger Jahre bewaffnete man weite Teile der Polizei jedoch
       erneut. Grund dafür war ein Banküberfall in Dublin. Die Polizisten standen
       schwer bewaffneten Räubern gegenüber. In ihrer Not richteten sie ihre
       Zeigefinger auf die Gangster und hofften, die würden sie für Waffen halten.
       Der Trick funktionierte, aber ein zweites Mal wollte man es nicht drauf
       ankommen lassen.
       
       Vielleicht sollte die Wiederbewaffnung noch mal überdacht werden. Mit einem
       Finger können sich die tolpatschigen Beamten wenigstens nicht allzu schwer
       verletzen.
       
       12 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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