# taz.de -- Verschärfung der Coronaregeln: Kompletter Lockdown in Israel
       
       > Erneut verzeichnet Israel fast 7.000 Neuinfektionen innerhalb von 24
       > Stunden. Die neuen Maßnahmen beschränken Gebete und das
       > Demonstrationsrecht.
       
 (IMG) Bild: Israel erlebt seinen zweiten Lockdown. Banner in Tel Aviv werben dafür, einen Mundschutz zu tragen
       
       Tel Aviv dpa | Kurz nach der Veröffentlichung von Corona-Höchstwerten hat
       Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Verschärfung der
       Lockdown-Bestimmungen angekündigt. Der Regierungschef sagte am späten
       Mittwochabend in einer Videobotschaft, der seit Freitag geltende, ohnehin
       schon strenge Lockdown werde ab kommendem Freitag für zwei Wochen in einen
       „kompletten Lockdown“ umgewandelt.
       
       Netanjahus Büro veröffentlichte am Donnerstag erste Details der geplanten
       Verschärfung. Demnach sollen alle Betriebe und Unternehmen aus nicht
       lebensnotwendigen Bereichen schließen. Die Menschen dürfen nur noch
       innerhalb eines Radius von einem Kilometer von ihrem Zuhause in Gruppen von
       maximal 20 Teilnehmern unter freiem Himmel demonstrieren oder beten.
       
       Synagogen bleiben geschlossen – mit Ausnahme des am Sonntag beginnenden
       Feiertags Jom Kippur. Unter Auflagen dürfen sie dann öffnen. Der
       öffentliche Nahverkehr wird eingeschränkt. Medienberichten zufolge billigte
       das Kabinett das Vorhaben, die Zustimmung eines Parlamentsausschusses steht
       noch aus.
       
       Am Mittwoch hatte das sogenannte Coronavirus-Kabinett lange getagt.
       Berichten zufolge waren mögliche Einschränkungen für das
       Demonstrationsrecht ein Hauptstreitpunkt der Beratungen – beziehungsweise
       die Koppelung solcher Restriktionen an Beschränkungen für Gebete an Jom
       Kippur. Netanjahu soll darauf gedrungen haben.
       
       „Wenn wir das Haus verlassen dürfen, um zu demonstrieren, dann wird es den
       Menschen auch möglich sein, an den Strand zu gehen und es protestieren zu
       nennen“, sagte er laut Jerusalem Post während der Sitzung. Gegen Netanjahu
       gibt es seit Wochen Proteste, auch nahe seiner Residenz in Jerusalem.
       Strengreligiöse im Parlament gelten als enge Verbündete Netanjahus.
       
       ## Höchstwert an Neuinfektionen
       
       Das Gesundheitsministerium teilte am Donnerstag mit, es seien am Vortag
       6.808 neue Fälle registriert. Das ist nach den 6.995 Infektionen vom
       Dienstag der zweithöchste jemals verzeichnete Wert.
       
       Am Dienstag war zugleich die Marke von 200.000 bekannten Infektionen seit
       Ausbruch der Pandemie überschritten worden. Der Wert von 100.000 Fällen war
       in Israel erst am 20. August erreicht worden. Zum Vergleich: In Israel
       leben rund 9 Millionen Menschen. Deutschland hat etwa neunmal so viele
       Einwohner, dort wurden zuletzt 1.769 Neuinfektionen binnen 24 Stunden
       ausgewiesen.
       
       [1][Seit Freitag gilt in Israel ein Lockdown]. Die Menschen müssen sich mit
       Maßnahmen wie Schulschließungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit
       arrangieren. Die Regierung will so eine Überlastung des Gesundheitssystems
       verhindern. Ein Auslöser war die Warnung von Krankenhausleitern vor
       drohenden Kapazitätsgrenzen. Kliniken mussten bereits Coronapatienten
       zurückweisen, weil kein Platz für ihre Behandlung war.
       
       Die Zeitung Haaretz zitierte einen Vertreter des Rettungsdienstes Magen
       Adom, wonach das Verteilsystem unter den Kliniken an Grenzen stoße. Das
       Gesundheitsministerium ordnete an, dass ab sofort Sanitäter*innen zur
       Unterstützung des Personals in Kliniken eingesetzt werden sollen.
       
       ## Netanjahu verliert Vertrauen
       
       Die Opposition kritisiert den erneuten Lockdown scharf. Sie wirft der
       Regierung Versagen vor. Die Krise hat der Wirtschaft des Landes zugesetzt,
       viele Menschen sind arbeitslos. Seit Wochen gibt es wöchentlich Proteste
       gegen Netanjahu mit jeweils tausenden Teilnehmern. Die Demonstrierenden
       werfen ihm Fehler in der Coronapolitik vor. Netanjahu wird von ihnen aber
       auch kritisiert, weil gegen ihn ein Korruptionsprozess läuft und er aus
       ihrer Sicht zurücktreten sollte.
       
       Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Israel Democracy
       Institute haben nur noch 27 Prozent der Befragten Vertrauen in die
       Bemühungen Netanjahus in der Coronakrise. Anfang April lag der Wert bei
       57,5 Prozent.
       
       24 Sep 2020
       
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