# taz.de -- Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Indizienlage klar, Täter ungestraft
       
       > Der Abschlussbericht der Sonderkommission zur rechten Terrorserie in
       > Neukölln räumt Fehler ein. Nun soll eine Sonderkommission weiter
       > ermitteln.
       
 (IMG) Bild: Wurde vom LKA kriminalisiert: die Ini Basta aus Neukölln, die für Aufklärung protestiert
       
       Berlin taz | Mittlerweile nimmt die Polizei und insbesondere die Abteilung
       Staatsschutz die Bedrohung durch rechts durchaus ernst. Das war das Bild,
       das André Rauhut, Leiter der Staatsschutzabteilung, bei seinem Auftritt im
       Innenausschuss vermitteln wollte, während der Abschlussbericht der für die
       [1][rechte Terrorserie in Neukölln] zuständigen [2][BAO Fokus] von Polizei
       und Senat vorgestellt wurde.
       
       Was aber zwischen den Zeilen durchschien, war auch: Das war offenbar nicht
       immer so. Denn Rauhut, ein eher unscheinbarer Mann mit randloser Brille auf
       der Nasenspitze, erzählt auch, dass seine Abteilung seit einem Jahr
       zahlreiche Überprüfungen von rechten Gewalttätern vorgenommen hätte. Auch
       deswegen und anhand neuer Kriterien habe man in Berlin mittlerweile doppelt
       so viele Personen als rechte Gewalttäter eingestuft wie vor einem Jahr, so
       Rauhut. „Wir haben uns auf eine bessere Zusammenarbeit für diese
       Täterklientel verabredet“, sagte Rauhut.
       
       Für die Betroffenen der Neuköllner Anschlagsserie kommt das zu spät. Denn –
       so viel war schon vorher über den Abschlussbericht der Sonderkommission
       klar: Ihrem eigentlichen Ziel sind die bis zu 42 Ermittler der seit dem Mai
       2019 ermittelnden BAO Fokus dennoch nicht nähergekommen: genug Beweise zu
       sammeln, damit es für eine Anklage und Verurteilung der drei
       [3][Hauptverdächtigen Neonazis Sebastian T., Tilo P.] und Julian B. reicht.
       
       Polizeipräsidentin Slowik erklärte das mit der schwierigen Beweisführung in
       dem Deliktbereich. Nachts getätigte Brandstiftungen an Autos und
       Schmierereien seien schwer zu ermitteln. Der Anschlagsserie werden seit
       2016 über 70 Taten zugeordnet, darunter Brandstiftungen, Sachbeschädigungen
       und Drohungen. Diese richten sich hauptsächlich gegen Flüchtlingshelfer und
       gegen rechts engagierte Menschen.
       
       ## 16 Gefährderansprachen in zwei Jahren
       
       Der Ermittlungsdruck auf die Hauptverdächtigen der Neuköllner Terrorserie
       sei dennoch hoch, wie Rauhut, Slowik und Innensenator Andreas Geisel (SPD)
       versicherten. Diverse Verfahren liefen weiter. Gegen die drei Beschuldigten
       habe man innerhalb der vergangenen zwei Jahre 16 Gefährderansprachen
       gehalten.
       
       Auch deswegen folgt auf die BAO Fokus gleich die Sonderkommission: Geisel
       will am Dienstag im Senat die nächste Ermittlungskommission zur rechten
       Terrorserie auf den Weg bringen, wie er sagte. Die neuen Ermittlungsansätze
       der BAO Fokus sollten dort fortgeführt werden. Ebenso gehe Geisel davon
       aus, dass es in der nächsten Legislaturperiode den von Betroffenen
       [4][beharrlich geforderten Untersuchungsausschuss] geben werde.
       
       Grüne und Linke forderten diesen ebenfalls – damit vor allem auch eine von
       der Polizei unabhängige Untersuchung der vielen erklärungsbedürftigen
       Umstände wie etwa Verbindungen der Verdächtigen zur Polizei und dem
       Befangenheitsverdacht gegenüber zwei Staatsanwälten. „Die Polizei ist kein
       neutraler Akteur“, begründete Niklas Schrader (Linke).
       
       Benedikt Lux (Grüne) forderte ebenso transparente Aufklärung: „Der
       öffentliche Kurzbericht ist nicht geeignet, das Vertrauen in die Polizei
       wieder herzustellen.“ Eine [5][Kurzfassung des Abschlussberichts ist
       inzwischen online], der über 70 Seiten umfassende Abschlussbericht ist
       allerdings nicht öffentlich.
       
       Der Inhalt ist mittlerweile dennoch bekannt: Nach taz-Informationen ist
       dort akribisch aufgelistet, wie die Ermittler:innen daran scheiterten,
       verschlüsselte Datenträger von T. zu knacken. Das gesamte kriminalistische
       Maßnahmenspektrum sei ausgeschöpft worden, heißt es.
       
       Die Polizei könne zwar belegen, dass die mutmaßlichen Täter:innen
       politische Gegner:innen und die Opfer der Anschlagsserie systematisch
       ausgespäht hätten und Informationen über diese gesammelt hätten, aber die
       eigentlichen Taten seien nicht personifizierbar.
       
       Auch Versäumnisse räumt der Bericht ein: So seien vorhandene Informationen
       nicht zusammengeführt worden. So hätte man beim Anschlag auf [6][Ferat
       Kocak], das Opfer des schwersten Brandanschlags der Serie,
       gefahrenabwehrende Maßnahmen durchführen müssen. Ebenso habe man eine
       [7][Feindesliste auf der Festplatte] von T. lange übersehen.
       
       ## Ermittlungen gegen die Opfer
       
       Sichtlich peinlich war sowohl Polizeipräsidentin Slowik als auch
       Innensenator Geisel hingegen, dass mittlerweile auch gegen Betroffene
       ermittelt wird. Die [8][Anwohner-Initiative Basta] aus der
       Hufeisen-Siedlung in Neukölln protestiert angesichts der vielen
       Fragezeichen in der Terrorserie wöchentlich für Aufklärung vor dem
       Landeskriminalamt am Tempelhofer Damm. Nun haben LKA-Beamte wohl Anzeige
       gegen die Opfer der Terrorserie erstattet – weil die Anmelderin der
       wöchentlichen Kundgebung es einmal versehentlich verpasst haben soll, ihre
       Demo anzumelden.
       
       „Das ist formal korrekt und in der Sache nicht klug“, sagte Geisel, als er
       im Innenausschuss von Grünen und Linken damit konfrontiert wurde, „ich
       hoffe, dass man feststellt, dass die Nichtanmeldung fahrlässig war und das
       Verfahren eingestellt wird. So geht man nicht mit Opfern um.“ Auch Slowik,
       die den Vorgang im Innenausschuss noch nicht bestätigen konnte, sagte für
       den Fall, dass die Anzeigen zuträfen: „Das halte ich auch für eine
       schlechte Verfahrensweise.“
       
       28 Sep 2020
       
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