# taz.de -- Sex im Alter: Aphrodisiakum Rentenalter
       
       > Eine Studie sagt, dass die Lust auf Sex im Alter bleibt. Das sind gute
       > Nachrichten, denn vieles spricht dafür, dass der Sex immer besser wird.
       
 (IMG) Bild: Wird über das Älter werden gesprochen, werden meist nur die negativen Aspekte benannt
       
       Ich denke sehr ungern an das Älterwerden. Was ich bisher vom Alter gesehen
       habe, gefällt mir nicht. Der Körper baut ab, der Geist gleich mit, man lebt
       im Heim oder versauert zu Hause, ist permanente Risikogruppe, in der
       Pandemie wird einem vielleicht nicht mal mehr das Leben gerettet, weil so
       mancher Tübinger [1][Politiker denkt], in einem halben Jahr sei man sowieso
       tot. Worauf soll man sich da noch freuen?
       
       Auf den Sex, ist die Antwort. Diese Erkenntnis habe ich durch aufmerksames
       Lesen einer gerade publizierten [2][Studie] des Uniklinikums
       Hamburg-Eppendorf gefunden: „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“. Es
       geht nicht speziell um Sex im Alter. Aber die Zahlen zeigen, dass die Lust
       auf Sex im Alter bleibt. Bei Frauen sogar zunimmt. Frauen zwischen 66 und
       75 Jahren haben nur etwa [3][halb so oft] ein reduziertes Verlangen nach
       Sex wie Frauen zwischen 26 und 35. Es ist also wahrscheinlicher, dass die
       26-jährige Enkelin keine Lust auf Sex hat, als dass es ihrer 75-jährigen
       Großmutter an Libido mangelt. Die Enkelin hat übrigens trotzdem öfter Sex,
       obwohl sie seltener Lust hat. Ach, die Fesseln der Jugend.
       
       Das leidige Kondom braucht man im Alter auch nicht mehr, zumindest nicht
       zur Verhütung – das könnte aber auch der Grund dafür sein, dass sexuell
       übertragbare Krankheiten im Senior*innenalter auf dem Vormarsch sind. Eine
       britische [4][Studie] fand 2012 heraus, dass sich die Zahl der
       Geschlechtskrankheiten unter den 50- bis 90-Jährigen innerhalb von zehn
       Jahren mehr als verdoppelt hatte.
       
       ## Männer mit Erektionsstörungen
       
       Männer und Frauen, die älter als 66 sind, sind zwar seltener sexuell aktiv
       als jüngere. Aber an der Lust scheint es nicht zu liegen. Laut Studie gibt
       es außerdem keinen klaren Zusammenhang zwischen Zufriedenheit mit der
       eigenen Sexualität und dem Alter. Das heißt, dass ich mit hängender Haut
       und Dritten Zähnen genauso zufrieden mit meiner Sexualität sein kann wie
       ein Dreißigjähriger mit Waschbrett.
       
       Warum auch nicht? Eigentlich muss man sich nur mal die Vorteile von Sex im
       Alter überlegen. Männer haben keine Angst vor Erektionsstörungen, weil
       sie die eh haben. Niemand erwartet, dass es beim ersten, zweiten oder auch
       dritten Anlauf funktioniert. Verfrühte Ejakulation ist auch kein Problem
       mehr. Frauen ist es egal, ob sie „Orangenhaut“ haben oder irgendwas nicht
       „richtig“ sitzt. Mit 80 sitzt meistens sowieso nicht mehr viel „richtig“.
       
       Nur 12 Prozent der Frauen über 66 haben laut der Studie Probleme, einen
       Orgasmus zu bekommen. Bei Frauen zwischen 26 und 35 klappt es mehr als
       doppelt so oft nicht richtig. Hallo Alter, goodbye, Performancedruck.
       
       Will heißen: Viele von uns schauen mit Vorurteilen auf das Alter.
       Vielleicht könnten wir mehr über die schönen Seiten des Alters sprechen und
       nicht nur junge, schöne, straffe Menschen mit ihrer Sexualität zeigen. Alte
       Menschen sind nicht nur Risikogruppe. Und sollten auch nicht nur so
       behandelt werden.
       
       27 Sep 2020
       
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 (DIR) [2] https://www.aerzteblatt.de/archiv/215850
 (DIR) [3] https://www.aerzteblatt.de/archiv/215853
 (DIR) [4] https://www.bmj.com/content/344/sbmj.e688
       
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