# taz.de -- Proteste in Grodno in Belarus: Eine Stadt wehrt sich
       
       > In der als oppositionell geltenden Stadt Grodno gab es wieder viele
       > Festnahmen. Die Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa indes gilt als
       > verschwunden.
       
 (IMG) Bild: Verhaftet oder entführt? Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa Ende August bei Protesten in Minsk
       
       Grodno taz | Am Montag sitzt der Schock bei vielen Oppositionellen in
       Belarus tief. An 43 Orten hatte das Innenministerium am Sonntag
       [1][Proteste gegen die Regierung Alexander Lukaschenkos] gezählt, so viele
       wie schon lange nicht mehr. Sicherheitskräfte nahmen offiziell 633 Menschen
       fest.
       
       Am Montag kam möglicherweise eine weitere prominente Festnahme hinzu: In
       Minsk wurde laut der unabhängigen Nachrichtenseite tut.by am Morgen die
       Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa von Unbekannten in Zivilkleidern und
       Covid-19-Masken in einen Kleinbus mit abgedunkelten Scheiben gezerrt. Der
       oppositionelle „Koordinationsrat“, dem Kolesnikowa als eines der letzten
       noch im Lande verbleibenden Mitglieder angehört, vermutet eine Festnahme.
       Das Innenministerium bestreitet dies.
       
       Auch die Stadt Grodno im Westen des Landes an der Grenze zu Polen und
       Litauen leckt sich die Wunden, nachdem es Lukaschenkos Sicherheitskräften
       am Sonntag gelungen war, einen großen Protestmarsch zu verhindern.
       
       Zunächst begann der Tag typisch belarussisch: An der zentralen Leninstatue
       vor dem Rathaus von Grodno feierte sich die belarussische Armee, die rund
       um die Stadt gerade einen angeblichen Nato-Einmarsch verhindert. Im
       Stadtpark gegenüber wird an ein wenig interessiertes Publikum Linsensuppe
       aus der Militärküche verteilt. Aus den Boxen eines Armeelasters plärren
       sowjetische Schlager.
       
       ## Demonstranten in der Falle
       
       Die wahre Schlacht des Tages indes wird ohne Uniformen geschlagen. Und sie
       richtet sich gegen das eigene Volk. Die Männer sind schwarz gekleidet und
       gut durchtrainiert, sechs an der Zahl, alle mit schwarzen Gesichtsmasken
       und keinerlei Abzeichen. „Ich verriegle alle Türen, sicher ist sicher“,
       sagt der Fahrer des Reporters und zeigt auf die Gruppe, die sich offenbar
       für einen Einsatz am nahen „Sowjetischen Platz“ bereit macht.
       
       „Es lebe Weißrussland!“ und „Dies ist unsere Stadt!“, skandieren dort ein
       paar Hundert Demonstranten vor dem Dramatheater von Grodno.
       Sicherheitstruppen haben die nahe Brücke über den Stadtfluss Niemen
       abgeriegelt. Von den dortigen Außenquartieren zieht ein Protestzug ins
       Stadtzentrum. Mehrere solcher Märsche sind gleichzeitig unterwegs, um die
       Sicherheitskräfte zu aufzusplittern und damit zu schwächen.
       
       Doch die sechs dezentralen Versammlungspunkte haben sich diesmal als Falle
       erwiesen. Die Sicherheitskräfte umzingeln die Demonstrationszüge, bevor
       sich diese im Zentrum der schon lange als oppositionell geltenden Stadt mit
       370.000 Einwohnern vereinigen können.
       
       Gegen Abend kommt es zum Einsatz von Tränengas, Dutzende werden brutal
       festgenommen. Schon am Montagnachmittag wird eine erste Gruppe in Grodno
       Festgenommener im Schnellverfahren abgeurteilt.
       
       ## Niederlage für Grodno
       
       Auf dem [2][oppositionellen Telegramkanal] „Ein Land fürs Leben – Grodno“
       werden währenddessen fieberhaft die Standtorte von Polizeibussen und
       Sicherheitskräften durchgegeben. „Autofahrer dringend gebraucht, wir
       brauchen einen Stau im Zentrum“, schreibt jemand, denn Staus sollen das
       Nachrücken von Sicherheitstruppen verhindern. „Alles gesperrt, die Bande
       ist überall, wohin nun?“, fragen andere.
       
       Am Sonntagabend ist klar: Zur zentralen Leninstatue ist keiner der mehreren
       Tausend Demonstranten vorgedrungen. Es ist eine Niederlage für Grodno,
       eines der Zentren [3][des belarussischen Protests].
       
       Der Frust bei den Aktivisten ist groß. Doch eine Aktivistin versichert im
       Chat: „Keine Sorge, die Proteste gehen dennoch weiter.“ Eine
       Administratorin pflichtet ihr bei: „Unsere Revolution ist noch kein Monat
       alt, wir lernen schnell dazu.“
       
       7 Sep 2020
       
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 (DIR) Paul Flückiger
       
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