# taz.de -- Ruderweltmeister im Olympia-Training: Einer mit Hochbegabung
       
       > Oliver Zeidler hat sich im Rekordtempo in die Weltelite gerudert, auch
       > dank überragender Physis. In der Corona-Saison feilt er an seiner
       > Technik.
       
 (IMG) Bild: Ein Kraftpaket auf dem Wasser: Oliver Zeidler beim Training in Unterschleißheim
       
       MÜNCHEN taz | Das Aufwärmen kann sich Oliver Zeidler dieses Mal sparen. Er
       ist mit dem Rad an die Ruderregattastrecke in Münchens Norden gekommen und
       muss somit nicht erst noch aufs Ergometer, das in der Bootshalle steht, ehe
       er in sein Skiff steigt.
       
       Nur keine Zeit verlieren, dabei sollte der 24-Jährige doch im Moment genug
       davon haben. Vergangene Woche wären die [1][Ruder-Medaillen bei den
       Olympischen Spielen] in Tokio vergeben worden – eigentlich. Gold in Japan,
       das ist das Ziel, auf das er mit seinem Vater und Trainer Heino Zeidler
       hinarbeitet, nachdem er im vergangenen August bereits Weltmeister im Einer
       geworden ist. Nun dauert die Vorbereitung noch ein Jahr länger, [2][wenn
       Olympia dann überhaupt stattfinden kann]. Zeidler beschäftigt sich aber
       nicht mit 2021. „Man darf als Sportler nicht überlegen, ob die Spiele
       wieder ausfallen können, sonst gibt man am Ende im Training nur 50
       Prozent.“
       
       Zeidler versucht, jeden Tag 100 Prozent zu geben, fast immer alles aus sich
       herauszuholen. Dabei scheint Rudern keine Qual für ihn zu sein. Auch nach
       drei, vier Kilometern wirkt Zeidler noch nicht angestrengt, nicht
       verkrampft. „Es sieht bei ihm alles so locker aus, und das ist auch das
       Geheimnis seines Erfolgs“, sagt sein Vater, der mit einem gelben Motorboot
       das Training begleitet.
       
       Fast jeden Tag sind die Zeidlers auf dem Wasser. Nur Ende März mussten sie
       einmal eine gute Woche pausieren, weil die Regattastrecke wie alle
       Sportstätten wegen der Coronapandemie gesperrt war. Aber Oliver Zeidler
       bekam eine Ausnahmegenehmigung. 16 Stunden pro Woche trainiert er seit
       Anfang April. Immer allein mit Vater Heino. Zermürbt diese Zweisamkeit
       nicht? „Ja, aber ich bin es ja gewohnt“, sagt der 24-Jährige. Das Training
       mit sich allein, die Zeit als einziger Gegner, weil es als Einer-Fahrer ja
       so gut wie nie Trainingspartner im eigenen Land gibt, die halbwegs
       mithalten können.
       
       ## Außergewöhnliche Anlagen
       
       Die anderen deutschen Weltklasse-Skuller sitzen im Doppelzweier oder
       Doppelvierer. Aber in dieser Saison ist eben doch so vieles anders. Die
       Trainingsmonotonie wird im Sommer normalerweise durch Wettkämpfe
       unterbrochen. Deutsche Meisterschaften, Weltcups, eine Weltmeisterschaft
       oder eben Olympia. Anfang Oktober ist die Europameisterschaft in Poznań
       geplant, als einzige internationale Regatta.
       
       Nach der Absage der Spiele in Tokio musste sich Zeidler erst wieder neu
       ausrichten, das Leben, die Karriere umplanen. Das Master-Studium in Oxford,
       das er im Herbst aufnehmen wollte, ist verschoben, der Arbeitgeber, ein
       Finanzdienstleister, hat noch ein weiteres Jahr Arbeitszeitanpassung
       genehmigt. 70 Prozent arbeitet Oliver Zeidler im Moment, in den letzten
       Monaten vor Olympia weniger, so wie es auch in diesem Sommer geplant war.
       Natürlich eine schwierige Situation für alle Sportler, sagte Heino Zeidler,
       aber „das Jahr hat Olli gut getan“. Die Zeit ohne Wettkämpfe meint er. „Er
       ist noch stärker geworden.“
       
       Nachdem Oliver Zeidler vor knapp vier Jahren seine Schwimmkarriere beendet
       und überlegt hatte, doch noch einmal das zu probieren, was die ganze
       Familie macht oder gemacht hat, ging alles ganz schnell, außergewöhnlich
       schnell. 2017 fuhr Oliver Zeidler seine ersten Regatten, ein Jahr später
       holte er den Gesamtweltcup, und in der vergangenen Saison wurde er zuerst
       Europameister und dann Weltmeister.
       
       Damit galt er als stärkster Ruderer der Welt, aber als einer, der noch
       nicht perfekt war. Wer im Sauseschritt in die Weltspitze vordringt, hat
       dies einer Hochbegabung zu verdanken. Damit ist er nicht der Einzige in der
       Familie. Großvater und Tante Olympiasieger, der Onkel Weltmeister und der
       Vater brachte es immerhin bei den Junioren zu einer Goldmedaille. Zudem hat
       er dank seiner Schwimmkarriere ein gutes Gefühl fürs Wasser und natürlich
       große Fitness oder „krass gute Ausdauerwerte“, wie es der Papa bezeichnet.
       
       Aber technisch war er nicht ausgereift. Die Wochen einsam auf dem
       Regattasee, ohne ein zeitnahes sportliches Ziel, haben die beiden genutzt,
       um kleine Fehler auszumerzen. Das linke Knie hat oft leicht geflattert,
       manchmal hielt er das Ruder ein paar Millimeter zu weit hinten und der
       Ruderschlag musste ebenfalls noch nachjustiert werden. „Jetzt“, sagt der
       Trainer, „ist die Technik perfekt.“ Olympia kann für Oliver Zeidler kommen.
       Im nächsten Jahr. Hoffentlich.
       
       3 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutschland-Achter-ohne-Rennen/!5703601
 (DIR) [2] /Olympia-Debatten-in-Japan/!5695752
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elisabeth Schlammerl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rudern
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Rudern
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Enttäuschung bei der Ruder-EM: Verlorener Anschluss
       
       Einmal Bronze – das ist die deutsche EM-Bilanz im Rudern. Die massive
       Systemkritik von Ex-Weltmeister Oliver Zeidler wird erst mal abgebügelt.
       
 (DIR) Segeln im Corona-Jahr 2020: Entspannt in ein seltsames Jahr
       
       Erik Heil und Thomas Plössel sind in Rio zu Bronze gesegelt. Für Tokio sind
       sie so gut wie qualifiziert. Jetzt geht es vor allem ums Material.
       
 (DIR) Deutschland-Achter ohne Rennen: Großer Mann mit breiten Schultern
       
       Richard Schmidt wollte diesen Sommer seinen zweiten Olympiasieg holen. Nun
       trainiert er weiter und schreibt nebenbei an seiner Doktorarbeit.
       
 (DIR) Olympia-Debatten in Japan: Weltoffen kommt später
       
       Am Freitag sollten in Tokio die Olympischen Sommerspiele eröffnet werden.
       Stattdessen gibt es Debatten über eine Absage. Und die Stadt ist derzeit
       zu.