# taz.de -- Kanadas neue Finanzministerin: Sie soll es richten
       
       > Premierminister Trudeau hat nach einem Skandal seinen Finanzminister
       > verloren. Nun setzt er mit Chrystia Freeland auf eine ehemalige
       > Journalistin.
       
 (IMG) Bild: Seit einem Jahr in Trudeaus Kabinett: Chrystia Feeland
       
       „Es wurde höchste Zeit, dass wir diese gläserne Decke durchbrechen“, sagte
       Chrystia Freeland auf die Frage einer Reporterin, wie man sich als erste
       Frau an diesem Posten denn fühle.
       
       Chrystia Freeland ist seit einem Jahr im Kabinett von Premierminister
       Justin Trudeau dessen Stellvertreterin, davor war sie Außen- und
       Handelsministerin, nun wird sie Finanzministerin. Sollte Trudeau einmal
       über einen seiner notorischen Skandale stolpern, stünde sie als
       Nachfolgerin bereit.
       
       Ausgeschlossen ist das nicht: Wegen eines [1][umstrittenen
       Millionenauftrags] seiner Regierung an eine der Trudeau-Familie
       nahestehende gemeinnützige Organisation waren die Umfragewerte für seine
       Liberale Partei zuletzt stark gesunken. Der Ethikbeauftragte des Parlaments
       ermittelt wegen Korruption, die Opposition fordert seinen Rücktritt.
       Freelands Vorgänger als Finanzminister, Bill Morneau, war ebenfalls in die
       Affäre verstrickt und hatte am Montag wegen Differenzen mit Trudeau seinen
       Hut genommen.
       
       Nun soll Freeland es richten und für ihren angeschlagenen Chef die Kohlen
       aus dem Feuer holen. Der scheint zuversichtlich. „Ich kenne niemanden, der
       als Finanzminister besser geeignet wäre als sie“, lobte Trudeau.
       
       ## Frostiger Umgang mit Trump
       
       Freeland ist gelernte Wirtschaftsjournalistin und schrieb lange für
       renommierte Medien wie die Financial Times, den Wirtschaftsdienst Reuters,
       den Economist oder die Washington Post. In ihrem Buch „Die Superreichen“
       tritt sie für mehr staatliche Kontrollen der Konzerne und Banken ein. Bei
       einer ihrer öffentlichen Lesungen hatte sie ihren späteren Chef Trudeau
       getroffen, der sie überredete, in die Politik einzusteigen. Seit 2013
       vertritt die Mutter von drei Kindern einen Wahlkreis in Toronto.
       
       Als Handelsministerin verantwortete Freeland 2015 die Verhandlungen mit der
       EU über den umstrittenen Freihandelsvertrag Ceta. Später als
       Außenministerin handelte die ehemalige Harvard- und Rhodes-Stipendiatin die
       Neuauflage des Freihandelsvertrags mit den USA und Mexiko aus. Glaubt man
       US-Medien, dann ging es zwischen Freeland und US-Präsident Donald Trump
       dabei ziemlich frostig zu.
       
       ## Aussichten auf Trudeaus Posten
       
       Als Vize-Regierungschefin verantwortete sie in der Coronakrise unter
       anderem die Schließung der Grenze zu den USA. Sie koordinierte diverse
       Corona-Hilfsprogramme der Regierung im Sozial- und Gesundheitsbereich. Die
       ökonomischen Folgen der Pandemie werden Freeland weiter in Atem halten:
       Millionen Kanadier haben ihren Job verloren, dieses Jahr ist mit einem
       historischen Defizit von 340 Milliarden Dollar zu rechnen. Anders als ihr
       Vorgänger befürwortet Freeland weitere staatliche Ausgabenprogramme, um die
       Krise abzufedern, unter anderem auch im Umwelt- und Klimabereich.
       
       [2][Da Trudeau seit 2019 nur noch einer Minderheitsregierung vorsteht],
       könnte die Opposition ihn bei der Vertrauensabstimmung stürzen, was zu
       Neuwahlen führen würde. Falls Trudeau dann nicht mehr anträte, dürfte
       erneut die Stunde von Chrystia Freeland schlagen.
       
       19 Aug 2020
       
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