# taz.de -- Nationaltorwart Manuel Neuer in Kroatien: Ball flach halten
       
       > Torhüter Manuel Neuer grölte im Kroatien-Urlaub endemisches Liedgut mit.
       > Auch die Kanzlerin war schon mal mit diesem Problem konfrontiert.
       
 (IMG) Bild: Sie kennen den Text: Fans auf einem Thompson-Konzert im kroatischen Slunj
       
       Wer heute Urlaub macht, kann eigentlich nur alles falsch machen: Bleibt man
       wegen Corona zu Hause, ist man verantwortlich für den Ruin
       tourismusabhängiger Regionen. Fährt man weg, ist man verantwortlich für die
       tourismusbedingte Naturzerstörung, bringt außerdem vielleicht Corona hin
       oder als Andenken mit zurück und muss sich zu allem Überfluss noch für die
       schicken Naturfotos auf Instagram rechtfertigen. Zwar kommentieren die
       meisten unter Urlaubsbildern: „Boah, voll schön! Wo?“ Aber es findet sich
       immer auch irgendwer, der schreibt: „Du weißt schon, dass die da Tiere
       quälen/essen/töten?“
       
       Was aber passieren kann, wenn Sie Einheimischen im Urlaub zu nahe kommen,
       erlebt grade der deutsche Nationaltorwart Manuel Neuer. Eigentlich hatte er
       nur eine lustige Bootsfahrt unternommen, bei der er die Trink- und
       Singspäße der Einheimischen mitgemacht hatte. Doch zack, kam hinterher
       raus, dass das Liedgut sich zwar ganz gut zum Mitgrölen eignet, aber, wie
       es sich bei Volksliedern halt meistens so verhält: politisch eher unter
       fragwürdig einzusortieren ist. Es handelt von Natur- und Heimatliebe hatten
       die Einheimischen gesagt. Aber ach, da waren wohl noch ein paar andere
       Zeilen, die man, selbst wenn man der Sprache mächtiger gewesen wäre,
       vielleicht auch nicht sofort als problematisch, bei genauerer Exegese und
       historischer Kontextanalyse aber dann doch auch schon eher äußerst
       schwierig hätte finden müssen.
       
       Früher war alles einfacher. Da ließ man sich von Neckermann an irgendeinen
       Mittelmeerstrand karren, wo man mit den Einheimischen höchstens in Kontakt
       trat, um die Bild vom Vortag am Kiosk zu kaufen. Man betrieb Social
       Distancing, lange bevor es vom Gesundheitsamt vorgeschrieben wurde. Wie
       schon Gerhard Polt die Mentalität vor allem deutscher Touristen auf den
       Punkt brachte: „Italien ist ja schön, wenn nur die vielen Italiener nicht
       wären.“
       
       Wer aber im Urlaub keine soziale Isolation betreiben will, riskiert, mit
       den Ideologien, Nationalismen, Rassismen, Verschwörungstheorien und anderen
       lokalen Fiesheiten in Kontakt zu kommen. Ob im Allgäu, auf der Osteeeinsel
       oder an der Adria.
       
       ## Verbrecher als Helden
       
       Kroatien ist dieser Tage eine Topdestination der Deutschen, weil dort kaum
       Corona war. Das aber lag auch daran, dass man in guter militärischer
       Tradition jedes Kuhkaff abriegelte und niemanden raus und rein ließ. Lager,
       das können sie noch. Kroatien ist eine Gesellschaft, die bis heute in
       weiten Teilen die kroatischen Kriegsverbrechen der 1990er Jahre für
       Heldentaten hält.
       
       Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass es kroatische Volkssänger
       gibt, die diese Einstellung besingen, mal mehr, mal weniger offen an die
       faschistische Vergangenheit anknüpfend und mitunter auch mal eine schöne
       Serenade abliefern. Thompson ist einer von ihnen, der populärste sogar und
       in Deutschland fast so bekannt wie in Kroatien, weil man hier seine
       Auftritte verboten und seinen Gesang äußerst scharf kritisiert hat. Das
       Lied, das Manuel Neuer da mitsang, handelt von der schönen im Kern
       kroatischen Heimat, zu der allerdings auch Teile Bosniens gerechnet werden,
       was die Bosnier als Angriff auf ihre staatliche Integrität werten. Zu
       Recht. Auch die Bundeskanzlerin war schon mal mit diesem Problem
       konfrontiert: Beim Staatsbesuch letztes Jahr klatschte sie – wahrscheinlich
       ahnungslos – mit, als dieses Lied gespielt wurde.
       
       Man liegt natürlich immer auf der richtigen Seite, wenn man klatschen und
       grölen per se für verdächtig hält und macht nichts falsch, wenn man es
       lässt. Dass aber ein Fußballer mitgrölt, wenn seine Freunde ihm was in
       einer fremden Sprache vorgrölen und dass er nicht weiß, was gemeint ist,
       wenn von Neretva und Herceg-Bosno die Rede ist, halte ich nicht für
       unanständig. Dass ein Typ wie Thompson in Kroatien als Superheld gefeiert
       wird, ist ein kroatisches Problem. Dafür kann Neuer nichts. Es sei denn, er
       wusste genau, was er tat. Dann erst wäre diese Causa spannend.
       
       13 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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