# taz.de -- Präsidentschaftswahl in den USA: Biden ist ins Ziel gestolpert
       
       > Joe Biden wird im November gegen Donald Trump antreten. Genug Delegierte
       > für die Nominierung hat er nun zusammenbekommen.
       
 (IMG) Bild: In der Bethel AME Church in Wilmington spricht Präsidentschaftskandidat Joe Biden zu Gläubigen
       
       Dies war der Moment, in dem Joe Biden sich beweisen musste. Die richtigen
       Worte finden, nicht stottern, alle flotten Sprüche vermeiden: In einer
       traditionell schwarzen Kirche in seinem Heimatort Wilmington, Delaware,
       stand er Anfang der Woche vor schwarzen Gemeindemitgliedern und sprach über
       George Floyd.
       
       „Ich kann nicht atmen, ich kann nicht atmen“, zitierte er die letzten Worte
       des von Polizisten erstickten Afroamerikaners. „Diese Worte sind nicht mit
       ihm gestorben“, fuhr er fort. Er forderte eine Reform der Strafjustiz und
       sprach von der Macht der Worte: „Die Worte eines Präsidenten können sein
       Land in den Krieg führen oder Frieden stiften.“
       
       Natürlich meinte er damit den amtierenden Präsidenten, den er im November
       ablösen will. In den wenigen öffentlichen Auftritten, die Joe Biden seit
       dem Ende der strikten Corona-Ausgangsbeschränkungen absolvieren konnte,
       zeichnete er eine tiefe Kluft zwischen [1][der spalterischen Rhetorik und
       Strategie Trumps] und dem Wunsch nach Versöhnung, den er verkörpere.
       
       Um damit glaubhaft zu wirken, musste er auch eigene Fehltritte eingestehen,
       politische Entscheidungen früherer Jahrzehnte etwa, die dem Rassismus in
       den USA Vorschub leisteten, oder verbale Missgriffe wie die erst kürzlich
       gegenüber einem Schwarzen gemachte Aussage, wenn der ihn nicht wählen
       wolle, sei er „nicht schwarz“.
       
       ## Meilenweit hinter dem Elan Obamas zurück
       
       Joe Biden wird in den fünf Monaten bis zum Wahltag am 3. November noch
       viele ZweiflerInnen überzeugen müssen, dass er es verdient, mit dem
       höchsten Amt in den USA betraut zu werden. Der heute 77-jährige wäre nicht
       nur der älteste Präsident aller Zeiten, sondern sein Auftreten bleibt
       einfach meilenweit hinter dem Elan Barack Obamas zurück, dem er acht Jahre
       recht geräuschlos als Vize zur Seite stand.
       
       Er muss die Delegierten beim Parteitag, die ihm im August formal die
       Kandidatur zusprechen werden, von den Stühlen holen. Er muss die
       progressive Basis der Partei, die lieber [2][die politischen Vorstellungen
       seines Rivalen Bernie Sanders] umgesetzt sähen, mobilisieren – nicht nur
       als WählerInnen, sondern als WahlkämpferInnen. Sie am 3. November dann
       tatsächlich in die Wahllokale zu bringen ist ebenso wichtig und ebenso
       schwierig wie die richtigen politischen Programmpunkte.
       
       Bei den Vorwahlen hat dies zunächst nicht geklappt, da lag Sanders vorn.
       Erst in South Carolina, dem wichtigen Staat im Süden mit seiner großen
       afroamerikanischen Wählerbasis, fuhr Biden einen deutlichen Sieg ein. Nach
       weiteren Erfolgen am Super Tuesday dünnte sich die Schar der demokratischen
       BewerberInnen rasch aus, bis nur noch Sanders ihm Konkurrenz machte.
       
       Nun, mit den Briefwahlstimmen bei den Vorwahlen in mehreren Bundesstaaten,
       ist Biden am Ziel und hat ohne große Fanfaren die absolute Mehrheit der
       Delegierten beim Parteitag hinter sich gebracht. Ob dieser zum üblichen
       Spektakel mit Luftballons, Feststimmung und großen Reden wird oder wegen
       der Corona-Beschränkungen zum blutleeren Video-Marathon auf unscharfen
       Zoom-Bildschirmen, ist noch nicht entschieden.
       
       7 Jun 2020
       
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