# taz.de -- Autodisco, Autokino, Autohype: Ist das die Zukunft?
       
       > Das Auto ist der Gewinner in der Coronakrise. Ich merke es am Boom der
       > Autoevents – und an der Veränderung des öffentlichen Diskurses über das
       > Auto.
       
 (IMG) Bild: Autodisco: So sah eine mit DJ Bonsai am 9. Mai in Thüringen aus
       
       Meine Freundin zeigt mir Bilder und Filmausschnitte auf ihrem Handy. Ihr
       Mann war auf einer Autodisco in Niedersachsen. „Auf einer Disco geht es
       doch ums Tanzen“, sage ich. „Um Gucken und Knutschen. Um Sehen und
       Gesehen-werden. Das funktioniert doch so nicht.“
       
       „Eine Autodisco hat andere Regeln“, sagt meine andere Freundin. Da kannst
       du in Jogginghose hingehen, du musst nur ein gutes Auto haben. Das ist dein
       Outfit.“ Das leuchtet mir ein. Dem Mann meiner Freundin hat es gefallen. Er
       ist Autohändler und stand in der ersten Reihe. Die Autos hupten und
       blinkten wie verrückt mit ihren Scheinwerfern, zwei Leute liefen herum und
       luden mit einem „Booster“ die schwächelnden Batterien auf. Ist das die
       Zukunft?
       
       Wenn ich erst dachte, das Fahrrad würde durch die Coronakrise gewinnen,
       habe ich den Eindruck, dass das Auto noch mehr gewonnen hat. Tatsächlich
       boomt der Fahrradhandel, wie ich gelesen habe, und es ist auch nicht
       leicht, einen Termin für die Fahrradreparatur zu bekommen. Aber die
       Zugabteile sind immer noch spärlich belegt. Im Metronom, in dem ich am
       Freitag nach Rotenburg unterwegs war, saßen nur sehr wenige Menschen und
       das Abstandhalten war kein Problem.
       
       Wo sind nun die ganzen Menschen, die sonst im Metronom unterwegs waren?
       Bleiben sie immer noch zu Hause oder fahren die Metronom-Fahrer jetzt alle
       Auto?
       
       Ich habe in den letzten Wochen viel über die Bedeutung des Autos
       nachgedacht. Über die Attraktivität des privaten Raums, im Gegensatz zum
       öffentlichen Raum, der U-Bahn, zum Beispiel. Man ist für sich oder mit
       ausgewählten Menschen, hat die Wahl bezüglich Gestaltung, Ordnung,
       Gesellschaft, den Weg. Es ist ja fast nichts so sehr Ausdruck des Privaten,
       wie das Unterwegssein im eigenen Auto. Vielen Deutschen ist es auch ein
       Bild der Freiheit, und jeder Gesetzesentwurf, der die Regulierung des
       Straßenverkehrs berührt, wird empört als Einschränkung dieser Freiheit
       empfunden.
       
       Für mich wurde dieses mit dem Auto verbundene Freiheitsgefühl, wenn
       überhaupt, nur in amerikanischen Filmen transportiert. Auf endlosen
       Highways unbekannten Abenteuern entgegen fahren, das schien auch mir in
       meiner Fantasie manchmal verlockend zu sein.
       
       Ich las natürlich Jack Kerouac und träumte von Reisen ohne Ziel. Ich hatte
       einen alten, kleinen Polo mit karierten Sitzen, aber meine eigenen Reisen
       waren selten abenteuerlich, sondern kamen mir anstrengend und unspektakulär
       vor. Abenteuer waren anscheinend eine Erfindung. Autofahren im Autoland
       Deutschland bedeutet Stau, ADAC, Sanifair-Bons, platte Igel.
       
       Während der Coronakrise hat es eine Veränderung des öffentlichen Diskurses
       um das Auto gegeben. Der Verteidiger des Individualverkehrs – er hat jetzt
       plötzlich recht. Im Auto ist er sicher vor dem Fremden, dem Virus, in
       seinem kleinen Wohnzimmer kann er, mit geschlossenen Scheiben, clean sein
       Ziel erreichen und sogar andere schützt er mit diesem Verhalten, zumindest
       vor dem Virus. Und da bietet es sich anscheinend an, dass man diese
       bürgerliche Individualzelle für Events nutzt.
       
       Das Autokino erlebt ein Revival. Und auch das kenne ich wieder nur aus
       amerikanischen Filmen. Da in meiner Jugend kaum jemand über ein Auto
       verfügte, gab es, zumindest in meiner Gegend, auch keine Autokinos. Auch
       meine Freundinnen waren, damals im Westen, nie in einem Autokino gewesen.
       Es war anscheinend auch in der alten Bundesrepublik nicht so verbreitet wie
       zum Beispiel in den USA. Am 6. Juni eröffnet nun in Hamburg auf dem
       Heiligengeistfeld ein Autokino mit einem recht ambitionierten Programm.
       Aber ich habe kein Auto. Ich kann nicht hin. Ich würde vielleicht.
       
       Disco ohne Arschwackeln aber? Warum nicht? Was weiß ich über die
       Bedürfnisse der Menschen, die eine Autodisco besuchen?
       
       Vielleicht muss man darin nicht gleich ein Anzeichen für irgendwas sehen,
       sondern es ist nur ein skurriles Bild für das, was das Auto
       gesellschaftlich schon ist. Und eben höre ich von einer Treckerdisco.
       
       4 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Seddig
       
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