# taz.de -- Analyst über deutsches Hisbollah-Verbot: „Eine symbolische Entscheidung“
       
       > Die Kommunikation mit der Hisbollah komplett zu kappen, wäre fatal, warnt
       > Julien Barnes-Dacey. Es würde die Stabilität des Libanon gefährden.
       
 (IMG) Bild: Coronatest im Südlibanon, unterstützt von der Hisbollah
       
       taz: Herr Barnes-Dacey, Deutschland hat mit einem [1][Betätigungsverbot
       sämtliche Aktivitäten der Hisbollah] hierzulande untersagt. Wie bewerten
       Sie diese Entscheidung?
       
       Julien Barnes-Dacey: Es handelt sich eher um eine symbolische als um eine
       substanzielle Entscheidung. Ich habe den Eindruck, dass diese Entscheidung
       in der deutschen Politik begründet ist und eine Reaktion auf den [2][Druck
       der USA] darstellt. Sie wird aber wahrscheinlich nicht die europäische
       Position ändern, die eine Form des Dialogs mit dem politischen Flügel der
       Hisbollah aufrechterhält.
       
       Die Hisbollah pflegt antisemitische Rhetorik – stärkt das Verbot also nicht
       auch die deutschen Beziehungen zu Israel? 
       
       Das deutsche Verbot ist eher im Kontext eines geopolitischen Vorgehens zu
       sehen, als dass es notwendigerweise von Antisemitismus-Bedenken getrieben
       war – obwohl die Position der Hisbollah gegenüber Israel eindeutig der
       Grund deutscher und US-amerikanischer Opposition ist. Symbolisch ist das
       Verbot in dem Sinne, dass die Hisbollah keine nennenswerte materielle
       Präsenz in Deutschland hat. Der USA ging es darum, im Rahmen ihrer Kampagne
       für maximalen Druck gegen den Iran, auch Druck auf die Hisbollah auszuüben.
       
       Die [3][Hisbollah wird vom Iran finanziell unterstützt]. Welche
       Auswirkungen hat die deutsche Entscheidung auf die Beziehungen zwischen der
       EU und dem Iran? 
       
       Die Auswirkungen werden begrenzt sein. Deutschland hat sich nicht an der
       umfassenderen US-Kampagne gegen den Iran und seine Verbündeten beteiligt.
       Im weiteren Sinne ist das Verhältnis zwischen Deutschland und dem Iran –
       wie auch zwischen Europa und dem Iran – bereits durch erheblichen
       Antagonismus geprägt, auch wenn beide Seiten in Fragen wie dem Atomdeal
       einen konstruktiven Ansatz verfolgen. Die jüngste Entscheidung Deutschlands
       wird zu diesen anhaltenden Spannungen beitragen, aber die Beziehungen nicht
       grundlegend verändern.
       
       Und die Beziehungen zwischen der EU und dem Libanon? 
       
       Ich denke, auch hier wird die Entscheidung nur sehr begrenzte Auswirkungen
       haben. Ich habe den Eindruck, dass sich die deutsche Regierung um den Wert
       eines laufenden europäischen Engagements mit der Hisbollah weiterhin
       bewusst ist – angesichts der herausragenden Rolle, die die Gruppe im
       Libanon spielt.
       
       Wie beurteilen Sie die Stellung der Hisbollah im Libanon? 
       
       Die Hisbollah hat mehrere Rollen: Sie ist ein dominanter sozialer,
       politischer und militärischer Akteur vor Ort und eine Kraft, die anerkannt
       werden muss. Die Hisbollah, die im Parlament vertreten ist, kann nicht aus
       dem Libanon verdrängt werden. Alle von außen gesteuerten Versuche in diese
       Richtung werden sich wahrscheinlich als kontraproduktiv erweisen und die
       Instabilität des Landes vertiefen.
       
       Was sind die Gründe dafür, die Kommunikationskanäle mit der Partei offen zu
       halten? 
       
       Wenn die Europäer helfen möchten, den Libanon zu stabilisieren und einen
       weiteren Zusammenbruch [4][angesichts der Proteste] und der Coronapandemie
       zu verhindern, dann muss die Hisbollah unweigerlich Teil dieses Prozesses
       sein. Europa muss sich sowohl engagieren als auch Druck auf die wichtigsten
       einheimischen Akteure ausüben. Es wäre selbstzerstörerisch, die
       Kommunikation mit einem solchen Schlüsselakteur wie der Hisbollah
       abzubrechen.
       
       Der Libanon befindet sich in der [5][schlimmsten Wirtschaftskrise seiner
       Geschichte]. Deutschland ist Teil der Arbeitsgruppe des Internationalen
       Währungsfonds (IWF), die über ein Rettungspaket entscheidet. Zugleich
       [6][gilt die Regierung als Hisbollah-nah]. Welchen Einfluss hat das auf die
       Finanzspritzen? 
       
       Aus deutscher und EU-Perspektive dürfte die Verbindung zur Hisbollah kein
       Grund dafür sein, dringend benötigte Hilfe zur Verhinderung des
       vollständigen wirtschaftlichen Zusammenbruchs aufzuschieben. Die
       eigentliche Frage ist, ob die US-Regierung ihr effektives Vetorecht nutzen
       wird, um die wirtschaftliche Unterstützung von Akteuren – oder sogar der
       Regierung insgesamt – aufgrund der angenommenen Verbindungen zur Hisbollah
       zu blockieren.
       
       15 May 2020
       
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