# taz.de -- Die Wahrheit: Der Corona-Dank der dudelnden Säcke
       
       > Bis nach Irland und England konnte man es hören, als kürzlich Hunderte
       > Schotten ihre lärmenden War Pipes bliesen. Der reinste Ohrenterror!
       
       Als ob der Arbeitsalltag für Schottlands Angestellte im Gesundheitswesen
       wegen Corona nicht schon schwer genug wäre. Muss man sie jetzt auch noch
       mit einem ohrenbetäubendem Dank quälen? Hunderte von Dudelsackspielern im
       ganzen Land haben mittlerweile „Scotland the Brave“ gedudelt, um ihrer
       Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.
       
       Dem Krankenhauspersonal wäre eher damit gedient, wenn man es besser
       bezahlte und ihm genügend Schutzkleidung zur Verfügung stellte. Oder hoffen
       die Piper, mit ihrem Lärm das Virus in die Flucht zu schlagen? Man kann den
       schottischen Dudelsack, ein Außenseiterinstrument, gar nicht leise spielen.
       Nicht umsonst heißt er auch „war pipes“, denn in Kriegen sollte er dem
       Feind Angst und Schrecken einjagen. Das tut er auch in Friedenszeiten. Ein
       Engländer sagte einmal, ein wahrer Gentleman sei jemand, der den Dudelsack
       spielen könne, es aber nicht tue.
       
       Das tintenfischartige Instrument wird aus afrikanischem Grenadill-Holz
       hergestellt, das zu den „Eisenhölzern“ zählt. Mit 1.400 Kilo pro Kubikmeter
       ist es eines der schwersten Hölzer der Welt – und eines der langsamsten:
       Der Baum braucht achtzig Jahre, um vierzig Zentimeter zu wachsen. Fast
       genauso lange braucht ein Mensch, um das Instrument zu beherrschen. Im
       Gegensatz zu den Pipes aus den Lowlands oder aus Irland, die über einen
       Blasebalg beatmet werden, muss die Version aus den Highlands über ein
       Mundrohr angeblasen werden.
       
       „Scotland the Brave“ – auf schottisch „Alba An Àigh“ – ist eine der ersten
       Melodien, die einem Anfänger auf dem Dudelsack beigebracht werden, denn das
       Stück ist eine von drei inoffiziellen Nationalhymnen Schottlands. Die
       Melodie stammt aus dem späten 19. Jahrhundert, der Text wurde 1950 von dem
       Journalisten Cliff Hanley verfasst: „Weit weg an sonnigen Orten / traurig
       sind die schottischen Gesichter / die sich sehnen nach dem Kuss / des süßen
       schottischen Regens.“ Die spinnen, die Schotten.
       
       Finlay MacDonald, der Direktor des schottischen National Piping Centre, war
       einer der Organisatoren des Dankesdudelns. Der Applaus, zu dem sich die
       Menschen zu einer verabredeten Zeit vor der Tür versammelten, war ihm nicht
       genug, weil man es nicht bis in jeden Winkel des Landes hörte. Die geballte
       Kraft der Dudelsäcke war hingegen bis an die irische Westküste und bis ins
       ferne London zu hören.
       
       Das Lied wird oft bei Beerdigungen der New Yorker Polizei gespielt. In der
       Disney-Zeichentrickserie „Phineas and Ferb“ spielt jemand die Melodie rund
       um die Uhr auf dem Dudelsack und wird dafür von Dr. Heinz Doofenshmirtz mit
       einem Fluch belegt. Dieser Doofenshmirtz ist ein inkompetenter,
       vergesslicher böser Wissenschaftler, der ständig obskure Erfindungen macht
       und Englisch mit deutschem Akzent spricht. Dabei stammt er in Wirklichkeit
       aus Drusselstein, einem wenig bekannten europäischen Land. Dahin sollte man
       die lärmenden Dudelsack-Säcke verbannen.
       
       25 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Schottland
 (DIR) Dudelsack
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Tatort
 (DIR) Irland
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Bono
 (DIR) Die Wahrheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Das Ende der Kneipentour
       
       Endlich dürfen wenigstens die Restaurants in Irland wieder öffnen –
       allerdings mit für die Inselbewohner herben Einschränkungen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Der Mörder ist immer der Linkshänder
       
       Fern der Heimat holt einen via Satellit das Deutsche Fernsehen ein: Und so
       ist man im Exil so deutsch wie alle, besonders am Sonntagabend.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Das Dorf der Fremdgänger
       
       Es gibt einen düsteren Ort in Irland, der sinnbildlich steht für alle
       menschlichen, allzu menschlichen Fehltritte: Belmullet.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Die Rache der fiesen Waschbären
       
       Die Welt der Wissenschaft gebiert Monster, oder auch irische Virologen
       können sich irren. Rocky Racoon aber sollte besser weiter schlafen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Onkel Bonos fliegender Hut
       
       Der Sänger der irischen Popkapelle U2 ist gestern 60 Jahre alt geworden.
       Als selbsternannter Moralapostel ist er schon ein arger Scheinheiliger.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Verpasse keine Sekunde
       
       Ein bislang noch recht unterbelichteter Aspekt in Sachen Corona: die Lage
       der öffentlichen Klos. Die ist im Lockdown nämlich schwierig.