# taz.de -- Die Wahrheit: Urlaub im besten aller Paradiese
       
       > Not macht erfinderisch, die Krise konstruktiv: Das Auswärtige Amt in
       > Berlin rät allen Bundesbürgern in diesem Jahr zu Ferien auf Zoom.
       
       Heiko Maas bittet alert, doch selbstverständlich ohne Handschlag, hinein.
       Der amtierende Außenminister hat selber lecker Gebäck für einen winzigen
       Medientrupp bereitgestellt. Wie immer, wenn der Saarländer Maas Leitlinien
       seines auswärtigen Weltbildes erläutert, ist die Wahrheit dabei. Der
       53-Jährige nestelt am Brillengestell, dann kommt er in seinem Büro am
       Werderschen Markt in Berlin-Mitte sofort zur Sache: „Der Sommerurlaub 2020
       ist keine ausgemachte Sache. Doch bundesdeutsche Touristen brauchen jetzt
       eine Option.“
       
       Erfahrung mit dem Reisevolk hat der schmächtige Mann mit dem agilen
       Augenaufschlag reichlich – zu Hochzeiten der Coronakrise saß er nächtelang
       am Schalter des „Elefand“-Programms. Mittels dessen löste Maas auch noch
       den letzten Deutschen aus Reisebausteinen in äthiopischen Freizeitparks
       oder burmesischen Seidenweber-Workshops heraus.
       
       Irgendwann explodierte dabei der Computerserver – persönlich setzte der
       Minister auf Rosé ein neues rueckholprogramm.de auf. Mit Erfolg,
       mittlerweile sind alle Bundesbürger landauf, landab wieder heimisch, ja
       regelrecht häuslich geworden.
       
       „Doch das darf auf keinen Fall so bleiben!“, betont Maas eindringlich und
       schnippt im Ministerium eine Fliege von seinem gedeckten Zwirn. „Wir
       Deutschen sind Weltmeister im An- und Abreisen – das Verreisen haben wir
       mit der Muttermilch und im Campingvorzelt quasi aufgesogen. Es liegt uns im
       Traveller-Blut.“
       
       ## Sommerlaub mit Corona
       
       Doch was tun? Jetzt, da der aktive Sommerurlaub aufgrund von Corona weder
       gebongt noch vorhersehbar geworden ist? Wo werden die Zelte nun
       aufgeschlagen und die Badetücher zur Frühbelegung hingelegt? Quo vadis,
       Germania?
       
       Maas hat wie immer, wird es heikel, einen Plan in der Schublade gehegt.
       Dieses Mal zusammen mit der Gesamtdeutschen Zentrale für Tourismus, der
       GDZT. Ansässig ist die nicht in Berlin, sondern in der Bembelzentrale
       Frankfurt am Main, der Hauptstadt des Ebbelwois. Und diesen Plan zieht
       Maas, dem am bayerischen Ammersee ein Bootshaus auf Aperol-Spritz-Stelzen
       gehört, jetzt im Beisein der Wahrheit aus der Schublade heraus.
       
       Analog und 867 Gramm schwer sei der Plan, so der SPD-Außen. Was hat der
       Minister vor? „Die globalen Reiserouten sind aufgrund der vielfältigen
       Sicherheits- und teilweise weiter geltenden Quarantänebeschränkungen bis
       tief in den Hochsommer hinein weder plan- noch pauschal buchbar, jedoch
       allzeit stornierbar“, spannt der Macher den Spannungsbogen. Auch auf
       sogenannte „Reisekorridore“, wie sie weiland zu DDR-Blütezeiten auf
       rumpeligen Transitautobahnen funktionierten, sei heuer kein Verlass.
       „Selbst die ADAC-Mitgliedschaft hilft hier nicht weiter“, so Saab-Fahrer
       Maas.
       
       Deshalb habe er persönlich und bei einem staatlichen Bembel die Chefin der
       GDZT, Bianca Mähdorfer, ausführlich kontaktiert. Bei einer Nachtsitzung,
       nur unterbrochen von Handkäs mit Musik, sei man übereingekommen, „dass
       Ferien 2020 aufgrund des unübersichtlichen Infektionsgeschehens anders
       werden als Ferien 2019 oder Urlaub 2029“. Frau Mähdorfer habe schließlich
       „gegen 4.35 Uhr am Dienstag“ die geniale Idee gehabt, dieses Jahr allen
       Deutschen gratis Ferien auf Zoom und per Einwahlschalte anzubieten. Bei
       Zoom handelt es sich um eine weltweite Software für Videokonferenzen, die
       jeweils ersten 40 Minuten sind dabei kostenlos.
       
       Er, Maas, sei trotz der fortgeschrittenen Stunde sofort nachhaltig angetan
       von der Idee gewesen. Urlaub rein digital, das bedeute bei An- und Abreise
       sowie bei Mobilität am Ferienort gen null gehende umweltschädliche
       Emissionen. „Vor allem aber“, so der studierte Saarländer, „verheißt Urlaub
       auf Zoom ein gestochen scharfes und nur manchmal verwackeltes Eintauchen in
       nahe und ferne Erlebniswelten.“ Der soziale Sicherheitsabstand via
       Bildschirm und ein für alle Seiten angenehm getaktetes
       Aufenthaltszeitfenster von je 40 Minuten seien „weitere tolle Assets für
       Ferien 2020“. Und das Beste: Die garantiert covidfreie, natürlich
       schwerverdiente Auszeit auf sämtlichen digitalen Endgeräten kommt Maas
       zufolge „dem knauserigen deutschen Weltenbummler entgegen“.
       
       Der bekennende Moselsteig-Geher rechnet bei einem Schluck Cidre aus der
       amtseigenen Thermoskanne vor: „Gehen Sie von einem durchschnittlichen
       deutschen Sommerurlaub à 14 Tage aus. Das macht in Minuten 20.160.
       Dividieren Sie diese Zahl durch je 40 Minuten Zoom-Ferien. Macht 504
       kostenfreie Kurzurlaube! 504! Alle 40 Minuten entdeckt ein Deutscher so ein
       gratis Reiseziel auf Zoom – sei es die Altstadt von Malé auf den Malediven,
       die Kieler Förde oder die Reste von Rimini!“ Gegen einen geringen Aufpreis
       von 49 Euro inklusive reduzierter Corona-Mehrwertsteuer lassen sich laut
       Maas die 504 virtuellen Reiseziele vorher auch individuell festlegen.
       Ansonsten lautet das digital zufallsgenerierte Motto: „Wohin die Reise
       geht“. Stullen und Fanta müsse allerdings jeder privat und in Echtzeit mit
       sich führen.
       
       ## Digital unverkrampfte Umarmungen
       
       Ob Single-Ferien per Einzelbildschalte oder Splitscreen für Pärchen, ob
       Studienreise mit kulturellen Untertiteln oder mal ein 40-minütiger
       Solo-Trip „Happy Hour“, falls die Reisegruppe nervt: „Ferien auf Zoom hat
       für jeden was im Gepäck“, so ein sichtlich angetaner Außenminister. Der
       Moment entfalle „ersatzlos“, wo einem der gebuchte, sonst überteuerte
       Urlaub „da draußen“ auf die Nerven gehe. Umso „witziger“ seien deshalb
       Zoom-Schalten in sinnlose ägyptische Souvenirshops oder auf digital
       unverkrampfte Umarmungen mit Crêpe-Corinne in Kerala.
       
       „Wir sitzen doch alle im selben Boot“, fasst Maas die gefühlte Ferienlage
       2020 zusammen. „Egal ob in Oberammergau, auf dem Oberdeck oder in
       Ostwestfalen.“ Hauptsache, das Boot ist kein Kreuzfahrtschiff!
       
       Ob auch Übernachtung mit Frühstück, also Ü/F, bei Ferien auf Zoom
       eingepreist sei, wollen wir zum Ende des Pressegesprächs am Werderschen
       Markt wissen. „Selbstverständlich!“, saarländert Maas zurück. 168 der 504
       Kurzurlaube seien für Z/F vorgesehen, also für Schlafen am Schirm und in
       diversen Herbergen sowie virtuelles Anstehen am Frühstücksbuffet.
       
       Langschläfer sollten am besten per Laptop verreisen und in jener Zeit an
       der realen Wohnungstür das Schild „Bitte nicht stören!“ baumeln lassen. Und
       wer grantig werde, falls die Putzfrau das Zoom-Zimmer betrete, ohne
       anzuklopfen, der könne vorab eine Reiseversicherung auf Zoom abschließen.
       Diese beinhaltet laut Heiko Maas auch eine Rückholaktion in die Realität –
       und ein langanhaltendes Urlaubsgefühl 2020. Allen Widrigkeiten zum Trotz.
       
       23 May 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harriet Wolff
       
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