# taz.de -- Forschungsnetzwerk der Universitäten: Gemeinsame Datenbank
       
       > Die Unikliniken koordinieren ihre Forschungs- und Behandlungskonzepte in
       > einem Netzwerk. Patientendaten werden zusammengeführt.
       
 (IMG) Bild: Coronaforschung am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
       
       Berlin taz | Seuchen treiben die medizinische Forschung voran. Als Pesthaus
       vor den Toren Berlins wurde die Charité Anfang des 18. Jahrhunderts
       gegründet, heute ist sie die größte Forschungsklinik Europas. Der
       Bakteriologe Robert Koch begründete seinen Ruf mit dem Kampf gegen die
       Tuberkulose und wurde 1891 mit dem für ihn gegründeten Preußischen Institut
       für Infektionskrankheiten belohnt, das heutige RKI.
       
       Auch derzeit geht, ausgelöst durch die Coronapandemie, ein Schub durch die
       Medizinforschung, vor allem ihren angewandten Zweig, die Pharmaforschung
       und Medikamentenentwicklung. In Deutschland spielen die 34
       Universitätskliniken, in denen jährlich 1,9 Millionen Patienten behandelt
       und 10.000 junge Ärzte ausgebildet werden, eine Schlüsselrolle.
       
       In dieser Woche stellte das im März gegründete [1][Nationale Netzwerk der
       Universitätsmedizin] im Kampf gegen Covid-19 seine bisherigen Aktivitäten
       vor. Das Netzwerk wird vom Bundesministerium für Forschung und Bildung mit
       150 Millionen Euro gefördert und soll möglichst rasch Strategien für die
       Diagnostik und Behandlung von Covid-19-Erkrankten entwickeln.
       
       Dafür werden, wie Charité-Vorstandsvorsitzender Heyo K. Kroemer erläuterte,
       „alle Maßnahmenpläne, Diagnostik- und Behandlungsstrategien der
       Universitätskliniken und weiterer Akteure des Gesundheitswesens
       systematisch zusammengeführt und ausgewertet“. Man müsse sich jetzt schon
       auch auf zukünftige Pandemie-Ereignisse vorbereiten, „die mit Sicherheit
       kommen werden“, so Kroemer.
       
       ## Ein sehr komplexer Krankheitsverlauf
       
       Neben diesem „Pandemiemanagement“ besteht die zweite Hauptaufgabe des
       Netzwerks im Aufbau eines einheitlichen Datenregimes. Die Behandlungsdaten
       der Patientinnen und Patienten mit Covid-19 sollen an den
       universitätsmedizinischen Standorten standardisiert erhoben und unter
       Wahrung des Datenschutzes zusammengeführt werden. „Damit können große,
       standardisierte Datensets geschaffen werden, die gemeinsame Analysen
       möglich machen“, so Kroemer.
       
       An der Uniklinik Hamburg wurden seit Anfang März 140 Verstorbene obduziert,
       berichtete die Dekanin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf,
       Blanche Schwappach-Pignataro. Embolien und Thrombosen kämen bei den
       schweren Krankheitsverläufen vermehrt vor. „Das Virus löst wie ein Schalter
       die Krankheit aus“, so die Medizinerin. Die Robustheit des Immunsystems
       entscheide dann über den weiteren Verlauf der Krankheit. Viele
       Detailabläufe müssten noch untersucht werden.
       
       Michael Albrecht, der medizinische Vorstand des Universitätsklinikums Carl
       Gustav Carus in Dresden, verwies darauf, dass nicht nur die Lunge betroffen
       sei, sondern alle Organe des Körpers in Mitleidenschaft gezogen werden
       können. Das reiche bis hin zum zentralen Nervensystem, was etwa eine
       vorübergehende Querschnittslähmung während der Beatmung auslösen könne. Am
       Dresdener Klinikum werden aktuell 30 Schwerkranke behandelt. Der
       Krankheitsverlauf sei „höchst komplex, individuell“ und könne „sehr, sehr
       lange dauern“, so Albrecht in seiner Videoschalte zur Pressekonferenz im
       Berliner Forschungsministerium.
       
       Angesichts der vielen Fragen, die das neuartige Coronavirus immer noch
       aufwerfe, habe die Coronaforschung hohe Priorität, unterstrich
       Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Die Bundesregierung unterstütze
       die Forschung deshalb mit aller Kraft. Karliczek: „Mit dieser Krankheit ist
       nicht zu spaßen.“ Das werde umso deutlicher, „je mehr wir darüber lernen“.
       Covid-19 sei „kein Hirngespinst, sondern eine reale, ernsthafte Bedrohung,
       die weltweit eine hohe Anzahl von Opfern fordert“.
       
       ## „Keine Wunder erwarten“
       
       Noch dringender ist die Prävention: ein Impfstoff, der vor dem Coronavirus
       schützt. Während die EU-Kommission zusammen mit der
       Weltgesundheitsorganisation WHO vor zwei Wochen auf einer
       [2][„Geberkonferenz“ weltweite Zusagen von rund 7,4 Milliarden Euro für die
       forcierte Impfstoffentwickung einholte,] hat die Bundesrepublik in der
       vorigen Woche noch einmal draufgelegt.
       
       Bis zu 750 Millionen Euro wird die Bundesregierung für die Beschleunigung
       der Impfstoffentwicklung und den Ausbau der Produktionskapazitäten zur
       Verfügung stellen. Das Sonderprogramm sei eine Ergänzung zum bisherigen
       Engagement Deutschlands im Rahmen der internationalen Impfstoffallianz
       CEPI, hieß es aus dem BMBF.
       
       „Wir können aber keine Wunder erwarten“, dämpfte Forschungsministerin
       Karliczek vorab die Erwartungen. Nach wie vor sei davon auszugehen, „dass
       Impfstoffe gegen Corona frühestens Mitte 2021 breit verfügbar sein werden“.
       
       Über den Stand der Forschungsarbeiten in der Wirtschaft erkundigte sich die
       Ministerin in dieser Woche in Telefonaten mit drei wichtigen deutschen
       Impfstoffentwicklern: den Unternehmen BioNTech SE in Mainz, CureVac AG in
       Tübingen und IDT Biologika GmbH in Dessau-Roßlau.
       
       Aus den Gesprächen habe sie einen positiven Eindruck gewonnen. „Die
       Forscherinnen und Forscher arbeiten mit viel Engagement und Einsatz in den
       jeweiligen Unternehmen“, so Karliczek, und „leisten für unsere Gesellschaft
       einen sehr wichtigen Beitrag.“ Am kommenden Montag besucht die BMBF-Chefin
       das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, wo
       grundlegend untersucht wird, was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern
       macht.
       
       Auch auf europäischer Ebene sind die medizinischen Coronaforschungen voll
       im Gange. Allerdings sind hier die Koordinationsanstrengungen bei 27
       Mitgliedstaaten erheblich größer als in Deutschland. Der Brandenburger
       Europaabgeordnete Christian Ehler setzt sich im Europaparlament für die
       Schaffung einer europaweiten Datenplattform zur Coronaforschung ein.
       
       ## Mit KI soll es schneller gehen
       
       „In dem Datenzentrum sollten alle verfügbaren Coronavirusdaten gesammelt
       und gemeinsame Standards für die Datenerfassung entwickelt werden“, erklärt
       der CDU-Politiker, der dem Forschungsausschuss des Europaparlaments
       angehört. „Es würde wichtige Daten über Impfstoffe und Behandlungsformen
       enthalten, die eine schnellere klinische Aufnahme ermöglichen, Verhaltens-
       und Bewegungsströme ebenso identifizieren wie lebenswichtige Produkte und
       vorausschauende Analysen durchführen.“ Darüber könnten mit dem Einsatz von
       künstlicher Intelligenz (KI) schnellere Behandlungs- und Heilmöglichkeiten
       gefunden werden.
       
       „In der jetzigen Form sind die Daten der Mitgliedstaaten mangels
       gemeinsamer Standards nicht vergleichbar“, stellt Ehler fest. Mit seinem
       Ansatz soll quasi das Modell der deutschen Unikliniken auf europäische
       Ebene gehoben werden. Für den Anlauf einer Pilotphase wären nach seiner
       Schätzung in diesem Jahr etwa 50 Millionen Euro nötig. „Das könnte aus dem
       laufenden Forschungsprogramm finanziert werden“, sagt Ehler, der auch mit
       Budgetfragen betraut ist. Auf mittlere Frist würde dann „ein dreistelliger
       Millionenbetrag benötigt“.
       
       Aber über die Finanzierung der künftigen EU-Forschung herrscht derzeit noch
       Uneinigkeit. Erwartet wird, dass während der deutschen
       EU-Ratspräsidentschaft ab Juli eine Einigung erzielt wird. Für die
       europäische Coronaforschung kann dies nur von Nutzen sein.
       
       22 May 2020
       
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