# taz.de -- Paralympicssiegerin über Fußballprofis: „Das kann in die Hose gehen“
       
       > Spitzesportlerin Manuela Schmermund im Gespräch über König Fußball und
       > die Wünsche und Bedürfnisse von Athleten anderer Sportarten.
       
 (IMG) Bild: Mit Pappaufstellern eine richtige Fankulisse imitieren: Borussia-Park in Mönchengladbach, 13. Mai
       
       taz: Frau Schmermund, Sie sind Spitzensportlerin, und Sie haben sechs Jahre
       für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gearbeitet. Freuen Sie sich auf den
       Start der Fußball-Bundesliga am Wochenende? 
       
       Manuela Schmermund: Ich bin wie viele Menschen in Deutschland Fußballfan.
       Freuen ist aber nicht der richtige Ausdruck. Unter den aktuellen
       Voraussetzungen habe ich eher Bauchweh damit.
       
       Warum? 
       
       Seit dem vergangenen Wochenende und dem gezeigten Verhalten der Menschen
       kommt es einem fast so vor, als ob die Pandemie weg wäre. Das Virus ist
       aber weiter unter uns, wir haben kein Impfmittel, kein wirklich sicheres
       Arzneimittel zur Behandlung. Deshalb habe ich noch Angst.
       
       Die Bundesliga fängt vor allen anderen großen europäischen Fußballligen,
       vor jeder anderen Sportart hierzulande an. Zeigt sich inmitten der Pandemie
       mehr denn je, welche Macht der organisierte deutsche Fußball hat? 
       
       Er hat eine Sonderstellung. Das ist auch ein Stück weit gerechtfertigt, es
       ist die beliebteste Sportart in unserer Region der Welt. Es gibt jedoch
       grundsätzlich nur einen Sport, den wir haben. In guten Zeiten wird immer
       die Solidarität untereinander beschworen. Nicht nur in der Fußballblase,
       sondern darüber hinaus, gegenüber der Gesellschaft.
       
       Diese Solidarität sehen Sie nicht mehr? 
       
       Wenn es wirklich sicher ist, dann sollen sie gerne spielen. Aber die
       Vorfälle der vergangenen Wochen in Köln, Berlin und Dresden sprechen nicht
       dafür. Ich habe Angst, dass der Fußball wirklich Schaden nimmt, wenn das in
       die Hose geht. Und leider ist die Chance, dass es in die Hose geht, größer
       als andersrum.
       
       Der Fußball ist der Aufgabe nicht gewachsen? 
       
       Das Video des Hertha-Profis [1][Salomon Kalou] hat eine arrogante
       Grundhaltung anderen Menschen gegenüber gezeigt. Damit meine ich nicht nur
       Kalou. Keiner hat sich da an etwas gehalten. Im ganzen System eines
       Bundesligisten hat nichts gestimmt.
       
       Eine Ausnahme, hieß es, nicht repräsentativ. 
       
       Die meisten Profis mögen das Konzept beachten. Dieser Ausreißer in dieser
       Form zeigt aber, dass das Konzept eine Nummer zu groß ist.
       
       Wie wird der von Ihnen befürchtete Schaden für den Fußball aussehen? Werden
       die Fans ihrem Lieblingssport den Rücken kehren? 
       
       Das ist das eine. Es geht aber auch um den Ruf des Fußballs. Im DFB und
       auch in der DFL wird viel positive soziale Arbeit für die Gesellschaft
       geleistet. Das wird leider nur unterschwellig wahrgenommen.
       
       Sie selbst haben im Nachhaltigkeitsbereich beim DFB gearbeitet. 
       
       Ja, und wenn das in die Hose geht, gibt es ein echtes
       Glaubwürdigkeitsproblem. Das würde mir viel mehr wehtun. Der Fußball hat
       eine [2][Vorbildrolle] auch in die Gesellschaft hinein.
       
       Für das Image ist es auch nicht förderlich, dass der Fußball an diesem
       Wochenende die Bühne des Profisports allein ausfüllt. Wie nehmen Athleten
       anderer Sportarten das wahr? 
       
       Besonders toll wird es nicht gefunden. Wenn Sport auf Wettkampfniveau
       betrieben werden kann, dann möchten das alle gerne. Es fühlt sich natürlich
       sehr blöd an, wenn ein Bereich aus dem Gesamtsport so vorprescht und die
       anderen im Regen stehen lässt – wobei man da differenzieren muss.
       
       Inwiefern? 
       
       Beim Fußball geht es um direkte Arbeitnehmer und Arbeitsverträge. Es
       bestehen ökonomische Abhängigkeiten. Dagegen sind viele Profis in anderen
       Sportarten beispielsweise Studenten. Das ist eine andere und nicht
       vergleichbare Konstellation.
       
       Sie würden sich dennoch mehr Solidarität des Fußballs mit anderen
       Sportarten wünschen? 
       
       Das wäre natürlich schön. Die Schwierigkeit ist eben, dass da sehr viele
       Arbeitsplätze dranhängen, es um unermesslich viel Geld geht. Geld wiegt
       aber keine Leben auf. Mehr Solidarität und Erdung wäre schöner.
       
       Wobei einige Funktionäre anderer Sportarten das DFL-Konzept begrüßen. Sie
       sehen den Fußball als Lokomotive, an die sie sich hängen können. 
       
       Ich möchte gern hören, was diese Leute sagen, wenn der erste Athlet mit
       einem Profivertrag Sportinvalide wegen einer Covid-19-Erkrankung wird, weil
       er sein Lungenvolumen nicht mehr erreicht und einen dauerhaften Schaden
       hat. Ist das alles versicherungstechnisch abgedeckt? Sind die Athleten
       abgesichert oder nicht? Ich weiß nicht, ob diese Risiken bis zum Schluss
       durchkalkuliert sind.
       
       Sie kämpfen für Athletenrechte. Beim DOSB wurden Athletenvertreter zuletzt
       in die Gespräche miteinbezogen. Beim DFL-Konzept hatten die Fußballer
       offenbar kein Mitspracherecht. 
       
       Ja, das ist ein Problem. Vielleicht ist es aber auch schwer, sich in so
       einer Gesellschaft zu organisieren, wo es eigentlich jedem gut geht, und
       Gemeinsamkeiten zu vereinbaren, wo man eigentlich alles hat.
       
       Gegen die derzeitige Sonderstellung des Fußballs könnten Athleten anderer
       Sportarten ihre Stimme erheben und für ihre Rechte kämpfen. Es ist aber
       erstaunlich still. 
       
       Ich weiß nicht, ob es im Interesse der Athleten ist, das Gleiche wie der
       Profifußball zu wollen. Es geht doch jetzt um viel mehr. Wir sollten uns
       nicht wichtiger nehmen als die Gesellschaft. Der Sport kann auch positiv
       auf Menschen und die Gesellschaft einwirken, ihnen sagen: Hey, Leute, wir
       können gemeinsam vorwärtskommen, aber ihr müsst euch an diese und jene
       Regeln halten. Da vermisse ich ein noch größeres Engagement der Athleten
       und des Sports.
       
       17 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ueber-die-Rolle-des-Maulwurfs-im-Fussball/!5681153
 (DIR) [2] /Sportsoziologe-ueber-Coronakrise/!5680044
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Sport trotz Corona
 (DIR) DOSB
 (DIR) Schwerpunkt Paralympics 2024
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußball
 (DIR) Kolumne Frühsport
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Fußball in Karlsruhe: Radikaler Stimmungsumschwung
       
       Mit dem Rücktritt des KSC-Präsidenten wird die Insolvenz des Zweitligisten
       abgewendet. Befreit von der Last siegt das Team mit 2:0 gegen Darmstadt.
       
 (DIR) Kritik am Bundesliga-Start: Grillfest der Saturierten
       
       Die Fußball-Bundesliga ist wichtig, schon klar. Dass ihre Privilegien jetzt
       zementiert werden, ist aber ein Problem.
       
 (DIR) Reform der Spitzensportförderung: Viel Potenzial nach oben
       
       Das Spitzensportförderungskonzept der DOSB soll die Athleten in den
       Mittelpunkt stellen. Die aber können darauf kaum Einfluss nehmen.
       
 (DIR) Anti-Doping-Bemühungen: Handballer und Basketballer wehren sich
       
       Handballer und Basketballer starten eine Protestaktion gegen die
       Meldeauflagen im Antidopingkampf. Ihre Aktion zeigt, wie uneins die
       Sportler sind.